21. Tee, Kuchen und tödliches Gift

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Als wir ins Zimmer traten unterbrachen die Erwachsenen augenblicklich ihr Gespräch. Demnach war eigentlich ziemlich klar worüber sie gesprochen hatten. Doch zu meiner und Wills Überraschung, saß noch jemand am Teekränzchentisch. Apollo grinste uns an und nahm sich noch einen Blaubeermuffin von einem silbernen Tablett. Zwischen ihm und meinem Vater standen noch zwei freie Sessel und ich war mir sicher, dass das kein Zufall war. Will setzte sich neben seinen Vater und ich mich zwischen ihn und meinen Vater. Auf Hades anderer Seite saß Persephone und neben ihr Asklepios.

"Und? Seit ihr im Thema wie-heilen-wir-Hekate weitergekommen?", fragte ich sie überdeutlich , um ihnen klar zu machen, das ich genau wusste worüber sie geredet hatten. Hades und Asklepios versteiften sich augenblicklich und der Arzt sah außerdem ein wenig schuldbewusst drein, doch Persephone und Apollo lachten bloß. "Nein, sind wir nicht.", gab Apollo ehrlich zu und ich verdrehte die Augen. Nun mischte sich auch Asklepios wieder ein: "Aber du hast natürlich Recht, Nico. Wir sollten dieses Thema dringend besprechen. Wie wir wissen, ist es nicht unmöglich Göttern ihre Sterblichkeit zu entziehen, auch wenn es bisher immer nur vorübergehend vorgekommen ist." "Wieso fühle ich mich gerade angesprochen?", murmelte Apollo leise, doch wir überhörten ihn alle betont absichtlich. 

"Nico, erinnerst du dich an diese seltsamen Mangroven im Tartarus, durch die klein Bob uns geführt hat? Vielleicht kommt das Gift ja von dort?", schlug Will zaghaft vor. Ich nickte nachdenklich und rührte in meinem Tee um, den Persephone mir eingeschenkt hatte. Ich hatte nicht so auf die Pflanzen im Tartaros geachtet, mehr auf die Dinge, die uns Umbringen wollten - also so ziemlich auf alles andere. 

Doch Persephone schüttelte sowieso den Kopf. "Ich denke eher nicht, Will. Ich kenne diese Mangroven recht gut, ein paar meiner Pflanzen habe ich aus Samen gezüchtet, die von dort sind. Die Pflanzen dort sind ein einfaches Gewächs, das nun mal unter den Bedingungen da unten entstanden ist. Aber auch wenn ich vermute, dass das Gift von wo anders kommt, sollten wir diesen Sumpf noch nicht ganz ausschließen. Kann sein, dass es da unten eine höhere Artenvielfalt gibt, als ich an den Samen erkennen konnte." Ich war insgeheim erleichtert, dass es vermutlich nichts von dort war, denn der Sumpf war unheimlich gewesen. Doch wie wollte Persephone anhand von ein paar Samen erkennen, wie hoch eine Artenvielfalt war? Ich fragte lieber nicht nach, da ich sonst einen Vortrag über Botanik zu hören bekommen würde.

"Wo wir gerade bei Pflanzen sind,", fuhr Persephone unbeirrt fort, "wie haben Menoetes meine Granatäpfel gefallen?" 

Ich fuhr überrascht zusammen, ein lautes Krachen ertönte und ich fand mich am Boden wieder. War ich gerade mit meinem Sessel umgekippt? Offenbar. 

Apollo schaute fragend zu mir herunter und auch Hades und Asklepios wussten eindeutig nicht wovon die Rede war. Will dagegen schon. Er drehte sich nur kurz zu mir um um sich zu vergewissern, dass ich in Ordnung war und erklärte dann Persephone: "Oh, der war hellauf begeistert. Meinte, dass er nicht erwartet hätte, das wir Granatäpfel besorgen würden. Ich geh mal davon aus, dass Geryon ähnlich reagiert hat." 

Ich stellte meinen Stuhl wieder auf und setzte mich, dann fragte ich meine Stiefmutter: "Woher weißt du davon? Erst Dad, jetzt du. Ich hatte gehofft wenigstens ein Mal etwas tun zu können, ohne, dass meine Eltern oder irgendwelche anderen Götter davon Wind bekommen!" Mom verdrehte bloß die Augen während Apollo sich interessiert vorlehnte. "Also wirklich, Nico. Mal ganz davon abgesehen, dass du das Revier einer Gottheit nicht durchqueren kannst, ohne dass sie davon erfährt, bist du auch noch unser Sohn. Jede Mutter weiß, wo sich das eigene Kind herumtreibt. Und da ich eine Naturgottheit bin, fällt es mir doppelt so leicht gerade deine Bewegungen zu verfolgen. Jedes Mal, wenn du draußen bist oder eben auch in meinem Garten, kann ich durch die Natur deinen Standpunkt heraus finden." 

"Was?!", entfuhr es mir und unwillkürlich musste ich daran denken, wie oft Will und ich uns weggeschlichen hatten um im Wald, in der puren Natur, ein bisschen alleine zu sein. Auch Will schien der Gedanke nicht zu gefallen. "Heißt das, ihr spioniert uns nach?", fragte er misstrauisch. "Natürlich nicht!", rief Apollo dramatisch entsetzt, "Aber ja, das tun wir. Was mich zu der Frage bringt,", er zeigte mit seiner Teetasse auf Will und mich, "wo wart ihr in letzter Zeit? Ich konnte euch im Camp eine ganze Weile lang nicht finden, ich hatte schon Angst, euch wäre etwas passiert." 

Ich hatte keine Lust mehr auf Feinfühligkeit, also sagte ich gerade heraus: "Dad hat uns in den Tartarus geschickt, damit wir einen Titanen befreien." Es knallte wieder und diesmal war es Apollo, der von seinem Sessel gefallen war und nun am Boden lag. "Warte was?!", keuchte der Sonnengott.  Um ihn zu beruhigen fügte ich noch schnell hinzu: "Keine Sorge, dem Titanen geht's gut und er streift wieder durch die Welt. Meinte er wolle nach Westen, also von hier aus Richtung New York."

Apollo ließ ein Geräusch hören, dass in etwa klang wie die Mischung aus sterbender Katze, heulender Geist und erstickte Furie. Ganz klar nicht sehr musikalisch. Scheint als hätte ihn das nicht sonderlich beruhigt.... warum wohl? Ist doch immer nett wenn ein Titan frei ist.

 Will stieß mich mit dem Ellenbogen an und sagte: "Nico, weißt du wie sich das gerade angehört hat? Als wolle dein Dad den dritten Titanenkrieg auslösen und uns beauftragen den jeweiligen Titanen dafür zu entfesseln, der jetzt auf dem Weg ist, den Olymp anzugreifen." Ich und mein Vater prustete bei der Vorstellung los. "Also werden wir nicht alle sterben?", fragte Apollo und mich schüttelte ein weiterer Lachanfall.

Plötzlich pochte es an der Tür und von draußen rief ein Botengeist: "Eure Hoheiten? Die Grenzpatrouille kam soeben zurück und hat einen gefangenen Halbgott mitgebracht, der in die Unterwelt eingedrungen ist! Der Leutnant schickte mich um sie zu holen, denn der Halbgott ist potentiell gefährlich." 

Stirnrunzelnd stand Dad auf und wies Apollo und Asklepios an: "Ihr beide bleibt hier. Gerade du, Asklepios. Für Apollo finden wir sicher eine Ausrede, aber du solltest gar nicht hier sein. Nico, komm mit! Will, meinetwegen auch."

Mom entschied sich bei Asklepios und Apollo zu bleiben, doch Will und ich gingen mit Dad in den Thronsaal.

Als wir uns dem Thronsaal näherten hörten wir von dort bereits die wütenden Rufe eines Leutnants, der Wachen. "Die Waffe! Er hat sich seine Waffe schon wieder zurück geholt! Schnell, durchsucht seine Taschen und nehmt ihm die verdammte Waffe wieder ab! Nicht der Schlüssel, du Trottel von einem Soldaten! Das Schwert findet das verfluchte Schwert! Was soll das heißen ein Schwert passt nicht in eine Hosentasche? Willst du mir etwa widersprechen, Soldat? Dieses Schwert sieht aus wie ein Kugelschreiber! Findet den Kugelschreiber!"

Ich und Will wechselten einen schnellen Blick. Wir hatten beide einen starken Verdacht, wer dieser potentiell gefährliche Halbgott sein könnte.

Solangelo 2 - Lücken in der UnterweltWhere stories live. Discover now