6. Diagnose

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Der Gott der Heilkunst stützte den Kopf in die Hände als versuche er an etwas heranzukommen, das er eigentlich wissen sollte. "Das ist gut möglich. Genauso wie das Meer sich zum Beispiel aufwühlt, wenn Poseidon wieder einen seiner Wutanfälle hat, oder der ganze Donner, wenn mein Vater sich aufregt." "Was sollen wir jetzt machen?", fragte ich ihn.

Apollo seufzte und ließ sich auf einen Sessel im Raum fallen. "Wenn ich ehrlich bin, ich kann euch hier nur begrenzt weiterhelfen. Einem Sterblichen würde ich Bettruhe, bestimmte Tabletten und Tees verschreiben, einem Halbgott ein wenig Nektar zusammen mit ein paar Kräutern aber einer Göttin? Nektar und Ambrosia sind für uns immerhin das was Sterbliche unter einem gesunden Frühstück verstehen."

Er stand wieder auf und sah sich die Kräuter auf dem Tisch durch. "Salbei, Thymian, Borretsch, Lindenblüten, Birkensaft, Wacholder, wirklich gut Persephone. Ich würde auf jeden Fall weiter Linde, Thymian und Salbei geben. Außerdem noch Hagebutte und Brennnessel." "Brennnessel?", hackte ich verdutzt nach. Konnte man das überhaupt essen? "Als Tee ist Brennnessel sehr gesund.", informierte mich Apollo. Er ging wieder zu Hekate. Leise sagte er: "Mein Sohn, Asklepios, wüsste hier vielleicht weiter, aber er ist immer noch in der alten Welt eingesperrt."

Mein Dad legte den Kopf schief. "Du hast dich seit deiner Zeit als Sterblicher wirklich enorm verändert. Früher hättest du niemals zugegeben, dass du etwas nicht weißt. Wo du doch der Gott der Weissagungen und des Wissens bist." Apollo zuckte mit den Schultern. "Ich habe eben gelernt, dass wenn man nicht zugibt, dass man etwas nicht weiß, andere dir die Antwort auch nicht geben werden, denn woher sollen sie wissen, dass du die Antwort brauchst? Und ja, mein lieber Onkel, auch der Gott der Weissagung und des Wissens kann noch etwas lernen." 

Er seufzte und fügte etwas leiser hinzu: "Eigentlich können wir das alle." Ich wollte ihn grade wieder auf den Punkt bringen als er überraschend von selbst wieder dorthin zurück fand. Apollo drehte sich mit Schwung zu uns um. "Ist jetzt auch egal. Die wichtigere Frage ist, wie können wir Asklepios hier her bekommen? Denn Hekate in die alte Welt zu bringen ist keine Option. Kranke so weit zu transportieren hat noch nie etwas besser gemacht."

Eine Weile standen wir nur schweigend da und gingen, jeder für sich, unsere Gedanken durch. Schließlich seufzte Dad: "Das bringt uns auch nicht weiter. Ich sehe keinen Weg, wie wir Asklepios ins Land holen können, ohne das der Rest des Olymps das mitbekommt!" Apollo stutzte. "Ich verstehe das nicht. Wenn wir Vater erzählen, dass es Hekate nicht gut geht und dass wir meinen Sohn brauchen, wird er ihn sicher herkommen lassen, oder nicht? Gut, er würde bestimmt darauf bestehen, dass wir Hekate auf den Olymp bringen, damit Zeus die Situation im Auge behalten kann, aber dabei würde auch keiner sterben." 

Ich trat vor und erklärte: "Apollo, Hekate ist krank, aber das ist nicht das einzige. Ich hab darüber nachgedacht. Was wenn Hekates Magie dazu beiträgt die Seelen in der Unterwelt zu halten? Was wenn ihr Nebel die Löcher stopft, die wir sonst übersehen?" Die letzte Frage stellte ich meinem Dad, der langsam nickte. "Moment, heißt das jetzt wo Hekate krank ist und der Nebel nachlässt, können Tote aus der Unterwelt entkommen?", fragte Apollo nach und ich hörte einen Hauch von Panik in seiner Stimme. 

Trotzdem sagte Hades gnadenlos: "Es ist schon passiert, Neffe. Und ich kann es wirklich nicht gebrauchen, wenn Zeus davon erfährt. Denn dann würde er sich einmischen und alles noch schlimmer machen." 

"Was wiederum heißt, dass er auch von Hekate nichts erfahren darf. Denn wenn wir ihm das Eine erzählen, müssen wir ihm zwangsläufig auch das andere sagen.", beendete Persephone die Erklärung und ich fügte hinzu: "Falls du trotzdem vorhast zu quatschen, lass dir eins gesagt sein. Ich habe Mittel und Wege dich zum Schweigen zu bringen!" 

Apollo starrte mich ein wenig verstört an, schüttelte dann aber den Kopf. "Schon gut, Leute. Ich hab ja verstanden. Ich sehe nur keinen anderen Weg. Zeus wird es mittbekommen, so oder so. Wir müssen es also schaffen, dass er Asklepios selbst herkommen lässt. Mir fällt nur kein Vorwand dafür ein." "Und wenn wir ihm erzählen, dass jemand krank ist und wir ihn brauchen?", schlug Mom vor, aber Apollo schüttelte den Kopf. "Wer denn? Sterbliche interessieren Zeus nicht genug, Halbgötter leider auch nicht. Götter können wir nicht nehmen, damit würden wir uns selbst verraten."

Wieder schwiegen wir eine Weile und Apollo begann ganz leise eine kleine Melodie vor sich hinzusummen. Ich erkannte sie wieder. Austin, einer von Wills Halbgeschwistern, hatte sie auf seinem Saxophon komponiert. 

Plötzlich wirbelte Apollo zu mir herum. "Nico, wann hat Will noch mal Geburtstag? Am 23. August, oder?" Ich nickte überrascht. Apollo begann fahrig im Raum herumzuwandern. Dabei redete er mit sich selbst. "Wenn das klappt.... Nein, Vater wird das nicht wichtig genug sein. Obwohl.... wenn ich genug nerve.... bei Artemis klappt das immer.... Aber dann ist da noch das Problem mit den Toten... wenn er auf den Styx schwört..... brauche Rückversicherung. Alles schriftlich mit Unterschrift." Er blieb abrupt stehen, wirbelte zu uns herum und rief: "Ich habe eine Idee. Aber es wird kompliziert und wahrscheinlich auch etwas länger dauern. Zum Glück haben wir ja noch ein paar Wochen!" Damit stürmte er aus dem Raum. Seine Arzttasche löste sich in Luft auf und Apollo tat im Türrahmen dasselbe. 

"Habt ihr etwas davon verstanden?", fragte Persephone. Dad und ich schüttelten beide die Köpfe. Ich stöhnte leise: "Hoffentlich benimmt er sich nicht so dumm, wie er es als Lester Papadopoulus getan hat!"

Solangelo 2 - Lücken in der UnterweltWhere stories live. Discover now