Kapitel 34: Die Falle

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"Harriet, wir können es hier raus schaffen- wir müssen uns den Weg freikämpfen" "Macht euch keine Mühen, sie sind schon auf dem Weg", sprach Daniel leise und ich starrte ihn wutentbrannt an. Die Gefühle von Machtlosigkeit und schierem Hass durchströmten mich. "Wie konntest du nur?! Wir haben dir vertraut!", zischte ich und die dunklen Augen wurden reuevoll. "Ich weiß, ich weiß - aber sie - sie haben meine Familie. Wenn ich ihnen nicht zwei Immune liefere, werden sie sie töten. Ich wusste dass die Lichter nie mitkommen würden, am wenigsten Newt. Er hat die Lunte gerochen noch bevor sie überhaupt entstanden war", flüsterte er und ich holte tief Luft. "Warum sagst du uns nichts?! Wir hätten-", ich senkte meine Stimme, "Wir hätten dir helfen können. Der rechte Arm, er hätte WCKD besiegen-" "Nicht WCKD. Es ist eine Bande von den Straßen. Meine Mutter hatte Schulden und sie- sie zählt auf mich. Ich kann sie nicht im Stich lassen", erklärte er und sah mich bettelndem Blick an. "Verdammter Verräter", zischte Harriet von der Seite und ich konnte gar nicht so schnell reagieren wie sie ihre Faust in sein Gesicht rammte. Die Beiden fielen auf den feuchten Steinboden und ein wildes, aber lautloses Gerangel entstand. Ich beobachtete noch immer fassungslos, wie Harriet dem rothaarigen Jungen mehrmals ins Gesicht schlug und griff schließlich nach ihrem Arm. "Harriet, wir haben dafür keine Zeit! Du sicherst vorne, ich hinten!", zischte ich und sie sprang von Daniel hinunter. Dieser hielt sich die blutende Nase und wischte sich die Haare aus der Stirn. "Es tut mir leid! Aber was hätte ich tun sollen?!", fragte er und rappelte sich wieder auf. Blitzschnell entriss Harriet ihm die Waffe aus der Jackentasche und trat vor mich. "Du hättest uns-"Er ist es nicht wert. Lass uns hier verschwinden", unterbrach Harriet mich und ich lauschte dem unheilvollen Klicken ihrer Pistole. "Jetzt lass uns hier raus" "Ihr werdet sie nicht besiegen, sie sind stark und erfahren! Ihre Waffen-!" Daniels Rufe verklangen hinter uns, während wir Rücken an Rücken den Weg zurück schlichen. Das spärlichen Licht der kleinen Taschenlampe in Harriets freier Hand flackerte, wurde von der Dunkelheit verschluckt. Die Schatten, die es erzeugte, jagten mir eine Gänsehaut über den Körper. Mein Herz schlug laut und unregelmäßig, während ich mit Unwohlsein auf irgendein Geräusch aus der Dunkelheit wartete. Irgendein Licht, nur ein Zeichen darauf, mit wem wir es hier wirklich zu tun hatten. "Wo sind diese verdammten Bastarde?", raunte Harriet. Trotz der feuchten, modrigen Kälte hier unten spürte ich, wie mir langsam der Schweiß auf der Stirn ausbrach. Plötzlich erstarrten wir, als ein weit entferntes Geräusch erklang. Blitzschnell pressten wir uns in eine kleine Nische und Harriet knipste das Licht aus. Mucksmäuschenstill lauschten wir auf weitere Geräusche. Rascheln, Knirschen von schweren Schritten und leises Atmen. Schon bald tauchten weiße Lichter aus dem hohen Schacht von weit oben auf und ich spürte, wie Harriets Rückenmuskeln sich anspannten. Plötzlich tauchte ein Schatten hinter uns auf und ich riss erschrocken die Pistole hoch. "Shh" Daniels Flüstern war kaum zu hören und er drückte in der Finsternis meine Waffe gen Boden. "Ich hab Mist gebaut, ich weiß. Aber ich werde euch helfen. Ich will meine Familie wieder", raunte er und Harriet schnaubte leise. Auch in meinem Kopf stellte sich die Frage, wie er überhaupt so etwas dreistes sagen konnte. Er würde uns helfen? Er hatte uns gerade ausgeliefert an den Teufel höchstpersönlich und nun wollte er helfen? "Gebt mir eine Waffe. Ich halte euch den Rücken frei" Stille herrschte, weder Harriet noch ich regten uns. Was, wenn er die Waffe nun gegen uns wandte? Ich vertraute ihm kein Stück mehr, der Verrat saß tief. "Leute-" "Verzieh dich du verdammter Verräter!", zischte Harriet hinter mir und ich nickte unterstützend. "Ich kann euch helf-" "Sh!", unterbrach ich den rothaarigen Jungen und er verstummte, während die Schritte immer näher und näher kamen. Der Atem wurde intensiver, das metallische Klirren von Waffen lauter. Nun gab es kein zurück mehr. In jenem Moment verspürte ich einen starken Wunsch, meinen Kopf gegen die Wand zu schmettern. Warum nur brachte ich mich immer wieder in so leichtsinnige Situationen? Immer entschied ich mich für das Falsche und musste gravierende Konsequenzen ausbaden. Und ich lernte nichts daraus. Ach was würde ich nun geben, um wieder am Lagerfeuer an der Lichtung zu sitzen neben Chuck, der glücklich alles Essbare in Reichweite in sich hinein stopfte. Der warme, liebevolle Blick, den er mir aus den brauen Augen zuwarf und auf eine Erwiderung wartete. Minho, der um das Feuer streifte, in gebückter Haltung und mit tiefer Erzählerstimme Gruselgeschichten aus dem Labyrinth erzählte, während alle Lichter gebannt an seinen Lippen hingen und keiner einen Mucks machte. Winston, der hin und wieder einen interessierten Blick in meine Richtung warf und rasch wieder zu Boden blickte, sobald ich ihn erwischte. Wie Newt mit den Augen rollte, während Gally einen seiner Handlanger voll schimpfte und dabei selbst nicht viel besser aussah. Das knisternde Feuer schickte seine Wärme wie in Wellen über unsere Körper, während vereinzelte Funken in den pechschwarzen Nachthimmel aufstoben und einzigartige Bilder kreierten. Ein Geruch von gebratenem Fleisch, Rauch und scharfem Alkohol, der an den Klamotten jeder Lichter haftete und sogar noch nach dem Regen in der Luft hing. Ich spürte, wie mir unfreiwillige Tränen in die Augen schossen, als ich mich an mein einst beinahe perfektes Leben erinnerte. So verzweifelt hatten wir entkommen wollen, einen Weg nach draußen finden - und nun? Wir hatten so viele wichtige Personen auf dem Weg hierher verloren, uns war so viel geschehen und im Endeffekt wünschten wir uns alle das Leben auf der Lichtung zurück. Auch, wenn sie es nie zugeben würden, wusste ich, dass meine Freunde meine Gedanken von Zeit zu Zeit teilten... sogar Newt. Egal, wie sehr er sich gegen die Erinnerungen an die Lichtung sträubte, so wusste ich doch, dass er die sorglosen Zeiten mit seinen vertrauten Freunden, die uns auf dem Weg hierher verlassen hatten, vermisste. Ich wusste, dass er sogar Winston zurück haben wollte, denn den Tod hatte er nicht verdient. Nicht einmal Gally. Und am Wenigsten Chuck. Ich presste die Augen zusammen, als mich eine Welle von Reue, Panik und Vermissen überrollte. Eine Nostalgie nach den Menschen und Orten, die nun nicht mehr waren.

Doch das hatte nun keinen Platz.

Ich musste stark bleiben, für Chuck. Er war nicht umsonst gestorben. Nicht Alby, nicht Winston, Nick, Paul, Jasper oder all die anderen Lichter. Sie waren nicht für die Wahrheit gestorben, nur dass ich nun von Fremden zurückgebracht wurde in die Fänge WCKDs. Ich würde kämpfen und das bis zum letzten Atemzug. "Denk dran, wir feuern zuerst", hauchte Harriett und ich umklammerte den Griff meiner Waffe mit schweißnassen Händen.

Zuerst angreifen.
Keine Reue zeigen.
Gefühle verdrängen.
Nicht nachdenken.
Schießen, stechen, schneiden.
Wehren, verteidigen, retten.

Harriet's Warnungen aus der Autofahrt hierher hallten durch meinen Kopf, vor und zurück. Immer wieder und wieder. Die Schritte kamen näher, flüsterten sich Dinge zu. Als die weißen Lichter über die Treppenstufen huschten und feste, metallene Stiefel beleuchteten, wusste ich, dass es Zeit war. Harriet auch. "Los, Frischling" Ich war kurz überrascht von dem Namen, den sie mich genannt hatte - doch es war keine Zeit. Das Blut rauschte ohrenbetäubend laut und ich spürte, wie meine Panik sich in Wut umwandelte.

Für die Lichter.

Gemeinsam traten wir ins Licht und schossen. Patronen fielen zu Boden, Schreie erklangen, Menschen fielen. Doch Harriet schoss weiter und auch ich hörte nicht auf. Wir würden weitermachen, bis die letzte Person fiel.

Verloren im Feuer Where stories live. Discover now