Kapitel 37: Alles vorbei

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Tränen schossen mir in die Augen, während ich stumm in der Dunkelheit stand. Pfanne's Worte waren hart gewesen - aber wahr. Ich hatte nur an mich gedacht, schon wieder. Ein erdrückendes Gefühl von Trauer stieg in mir auf, bis ich spürte, wie mein Atem schneller ging. Mein Herz klopfte schmerzhaft und ich ging keuchend in die Hocke. Bratpfanne hatte Recht, wir hatten so viele Lichter auf dem Weg hierher verloren. Nick, Jasper, Paul, Chuck, Winston, Minho und all die anderen, die ihr Leben gelassen hatten. Und ich begab mich leichtsinnig in Gefahr, weil ich einem Stockfremden helfen wollte. Flacher Atem entwich meinen Lungen und ich spürte aufkommenden Schwindel. Panisch griff ich mir an die Brust und riss nach Atem ringend die Jacke auf. Ich kannte dieses beklemmende Gefühl von Hilflosigkeit nur zu gut. Meistens kam es, wenn ich von Newt getrennt war.

Newt.

Ich musste ihn finden und mich entschuldigen, ihn umarmen. Keuchend hievte ich mich auf die Beine und sah mich um. Hinter diesem Zelt war er verschwunden. Unter Schwindel stolperte ich den Weg entlang und rollte mehrmals mit Augen, um Klarheit in meine Sicht zu bekommen. Panisch wisch ich mir über die Augen und stützte mich an einem Jeep, gierig sog ich die klirrend kalte Luft ein. Mein Blick schoss weiter und ich erkannte eine Silhouette nicht weit entfernt in einer kleinen Senke am Rand des Lagers. Wie sie dort so ruhig und majestätisch thronte - es konnte nur Newt sein. Schnelleren Schrittes lief ich den Weg entlang, stolperte durch die Dunkelheit. Als ich nur noch wenige Meter entfernt war, wurde ich bemerkt. "Wer ist da?", hallte Newts tiefe, selbstbewusste Stimme zu mir herüber und ich hob rasch die Hand. Vermutlich konnte man sie nicht einmal erkennen. "Ich- ich bin's", keuchte ich und sofort schlug die neugierige Anspannung meines Freundes in Feindseligkeit um. Die Haare an meinem Nacken stellten sich auf. Hätte ich nicht kommen sollen? "Was willst du?", fragte der ehemalige zweite Anführer, die Stimme vollkommen gleichgültig. Ich war überrascht. Ein paar Sekunden starrte ich nur reglos in Newts von der Dunkelheit verborgenes Gesicht. Mein Atem war wie weggeblasen. Hatte ich noch vorher panisch die Luft eingesogen, so hielt ich nun die Luft an. Newt hatte mich erschrocken. "Ich-" "Spars dir doch. Du wirst es ja eh nie lassen", unterbrach er mich sofort wieder und ich schluckte. "Ich wollte mich entschuldigen" Ein verächtliches Schnauben durchbrach die angespannte Stille. "Newt ich weiß ich hab echt Mist gebaut aber so etwas wird nie wieder passieren", flüsterte ich und trat näher an ihn. Meine Hand griff nach der Seinen - doch rasch zog er sie wieder weg und drehte mir den Rücken zu. "Ja so wie das letzte Mal auch, hab ich Recht?", knurrte er und ich lauschte, wie er mehrere Steine in eine Schlucht neben uns kickte. Sie rollten leise knirschend hinab. "Newt, es tut mir wirklich leid. Ich weiß gerade nicht, was ich tun soll, dass du mir jemals wieder vertraust" Newt blieb stumm. Ungeduldig schloss ich die Augen, um nachdenken zu können. Newt war dieses Mal ehrlich verletzt, was konnte ich nur tun, um mich zu entschuldigen? Ich saß wirklich tief im Dreck und wusste, das ich keine Karten mehr übrig hatte, um zu verspielen. Alle Lichter waren enttäuscht von mir, genauso wie damals in der Fabrik. Halt. Die Fabrik! Plötzlich kam mir eine Idee. Leise begann ich zu summen. Eine Melodie, so seltsam fremd und vertraut zu gleich. "Don't know if you're an illusion, don't know if i see through-" Ich legte meine Hand sanft a Newts Rücken und feierte stumm meinen Sieg, als er diese nicht abschüttelte. "Love is in the air-", sang ich leise weiter und plötzlich fuhr er herum. Seine Arme schlangen sich um meinen Körper und pressten mich so fest an ihn, das mir die Luft entwich. Erleichtert genoss ich die Wärme des großen Körpers an meinem und strich Newt beruhigend über die verwuschelten Haare. "Es tut mir wirklich leid, Newt", wiederholte ich und spürte seine Lippen an meinem Ohr. Warmer Atem traf auf meine Haut. "Wenn du jemals wieder verschwindest und dir etwas geschieht, wüsste ich nicht, was ich mit mir selbst anfangen soll" Die Stimme war tief und rau, am Rande der Tränen. Ich kannte sie nur zu gut. "Ich weiß, ich weiß. Ich verschwinde nie wieder", versicherte ich mit einem Klos im Hals und musste schlucken, als ich fremde Tränen an meiner Haut spürte.

Newt weinte?

"Newt-", raunte ich, komplett überrascht von der Entfaltung dieser Situation. Lautlose Schluchzer schüttelten den sonst so mächtigen Körper des Jungen vor mir. Mein Herz zog schmerzhaft. Sein Kopf vergrub sich in meiner Halsbeuge und die Arme klammerten sich so fest an mich, als würde ich jeden Moment weggeweht werden können. Still lauschte ich seinen Worten. "Ich kann nicht mehr verlieren, Y/n. Es geht nicht mehr. Die ganzen unschuldigen Jungs auf der Lichtung- alle tot. Nur wir sind übrig- ich- Thomas, Pfanne, du- Minho ist verdammt nochmal weg. Und dann auch noch du - ich weiß nicht- ich-" Schluchzer unterdrückten seine Worte und ich spürte, wie meine eigenen Wangen vor Tränen nass wurden. So viel Schmerz musste dieser Junge seit Jahren ertragen - und ich dachte trotzdem nur an mich selbst. Ich konnte nichts sagen, nichts tun, um diesen Moment irgendwie leichter zu machen für meinen Freund. Es gab nichts, das sich irgendwie schön reden lies. Dies war einer der Momente, in denen ich mich in der Hütte auf der Lichtung unter der Decke verstecken und nie wieder hervorkommen wollte. Kurz herrschte Stille und er zog sich etwas zurück, um mir im kalten Licht der Sterne in die Augen blicken zu können. Seine Wangen waren nass, dunkle Augenringe lagen unter den haselnussbraunen Augen, seine Unterlippe zitterte unkontrolliert. Der Anblick war zerschmetternder als alles, was ich jemals gesehen hatte. Mein Herz zog schmerzhaft. "Damals auf der Lichtung, Y/n, bevor alle in der Box hochgekommen sind - als es nur Alby, Minho, Pfanne und ich waren -" Er unterbrach sich selbst und wischte sich übers Gesicht. Sekunden verstrichen, in denen seine Augen leer zu Boden starrten. Ich wagte es nicht, zu fragen. Er erinnerte sich an etwas auf der Lichtung und wollte es mir erzählen. Stumm wartete ich, doch nichts geschah. Newt starrte weiterhin reglos zu Boden, einen so traurigen Ausdruck im Gesicht, dass sich mein Magen umdrehte. Ich hatte ihn noch nie zuvor so gesehen. Kein einziges Mal. Plötzlich schien alles so schwer, so unerträglich. Das Lager des rechten Arms war zerstört, die Hälfte der Rebellen tot. Aris und Sonja waren von WCKD entführt worden. Minho. Was er wohl für Qualen in just dieser Sekunde litt? Alles war zu viel. Wofür noch weitermachen wenn wir ohnehin alles verloren hatten? Diese Gefühle der Schwärze und kalten Dunkelheit waren so überwältigend, das mein Blick von Newt zur Klippe schweifte. Gähnende Schwärze herrschte nur Meter neben uns. Ich schüttelte den Kopf, als in mir der wahnsinnige Impuls aufkam, über die Kante zu springen. Hinab in die Tiefe, dumpfe Stille und unendliche Ruhe. Dann wäre es endlich vorbei. Dieser mächtige Kampf gegen WCKD, die niemals aufgaben. Dieses schwarze Gefühl der Leere, wenn man sich an alles erinnerte, was man verloren hatte. Einfach Stille. Ich musste nicht mehr an Minho denken, Chuck, Paul, Jasper, Nick, Winston, Zart, Gally, Aris, Sonja- Langsam lies ich meine Hände von Newt fallen und trat mit dem Blick hinab an die Kante. Steine bröckelten ab und fielen klappernd in das gähnende Loch, das nur danach rief, mich zu verschlucken. Nur ein Schritt - und alles wäre vorbei. Ein paar Zentimeter, und der ganze Schmerz wäre ausgelöscht. Immer näher rutschten meine Füße zum Abgrund und alles in mir war verwundet, schrie danach, sich hinab zu stürzen. Plötzlich spürte ich eine Hand an meiner und blickte langsam auf. Newt stand neben mir und starrte ebenfalls in das Loch hinab. Seine Hand war schwitzig, kalt und angespannt. Ich wusste in jener Sekunde, dass er die gleichen Gedanken verspürte wie ich selbst. Tränen rannen über meine Wangen und ich blickte wieder hinab. "Zusammen?", flüsterte ich erstickt und Newt drückte fest meine Hand. "Zusammen"

Verloren im Feuer Onde histórias criam vida. Descubra agora