18: Marcus

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Nach der lauten, chaotischen Schießerei hatte Jorge beschlossen, das es sicherer wäre, vorerst das Lager hier aufzuschlagen. Ab und zu spähte er neugierig durch die verdreckten Fenster zu Marcus Club, um zu sehen, ob Brenda und Thomas bereits eingetroffen waren und genauso nach uns suchten, wie wir nach ihnen. Als sich gerade alle in einem kleinen Kreis sammelten, um das weitere Vorgehen zu besprechen, reckte ich den Kopf und starrte aus dem Fenster. Plötzlich erkannte ich die beiden dunklen Haarschöpfe, die über den grauen Asphalt wanderten. Jorge hatte also Recht gehabt - sie lebten tatsächlich! "BRENDA. THOMAS!", brüllte ich und wedelte mit dem Arm. Sofort wurde ich von hinten gepackt und eine raue Hand drückte sich auf meinen Mund. "Sag mal gehts dir eigentlich noch gut?!", knurrte Jorges tiefe Stimme in mein Ohr und ich runzelte die Stirn.

Was hatte ich falsch gemacht?

"Hier sind überall Scharfschützen postiert! Das hier soll ein sicherer Unterschlupf bleiben!" In der Dunkelheit fing ich Minhos Blick auf, der jetzt Jorge erfasste. "Ganz ruhig Mann. Lass sie los" Nach kurzem Zögern, um seinen Worten Eindruck zu gewähren, lies Jorge mich aus seinen Armen fallen und ich wischte mir angeekelt übers Gesicht, um den eisernen Geschmack von Munition loszuwerden. "Es mag zwar sein, dass ihr ihr vertraut, aber wenn sie uns verrät, bringt euer Vertrauen auch nichts mehr ", zischte er den Lichtern zu und ich senkte den Blick. "Tut mir leid" "Besser ists'. Sehr gut, das Brenda und Thomas eingetroffen sind. Wir werden sie bald in Empfang nehmen. Zuerst-" Ich lies mich neben Minho und Pfanne nieder, um den Plan mitzubekommen. "-Werden wir Marcus ruhig und gesittet davon überzeugen, uns Informationen über den rechten Arm zu liefern. Er ist der Einzige, der uns sagen kann, wo genau sie sich verstecken. Wenn wir das erledigt haben, machen wir uns mit Thomas und Brenda auf den Weg und zack- sind wir beim rechten Arm, der uns in den sicheren Hafen bringt! Ganz einfach!" "Den sicheren Hafen?", fragte ich und legte den Kopf schief. "Ein Ort, an dem es diesen ganzen Dreck nicht gibt. Dort, wo keine Cranks sind und es keine Ansteckung gibt. Der rechte Arm bringt Kids schon seit Jahren dort hin und ihr seid meine Eintrittskarte" Ich nickte, als Zeichen, das ich ihn verstanden hatte, und blickte kurz in die Runde. Auf den Gesichtern meiner Freunde leuchtete Hoffnung. Die Überzeugung, endlich einen Ort zu finden, an dem wir sicher waren, fort von WCKD und deren Qualen, machte uns gefährlich leichtsinnig. Es schien fast zu schön, um wahr zu sein. "Hier" Jorge zog einen Revolver aus einer der Innentaschen seiner Jacke und warf ihn Newt zu. "Weist du wie man den bedient?" Der zweite Anführer nickte und ich musste kurz grinsen. Er log. Ich hatte ihn noch nie eine Waffe halten sehen, aber so stolz wie er war, würde er das vor Jorge nicht zugeben. "Okay Freunde, dann auf gehts" Mit diesen Worten sprang Jorge auf und wir folgten ihm durch die Dunkelheit die Treppe hinunter. Angewidert machte ich einen Bogen um den toten Crank, der direkt zu meinen Füßen lag. Pfanne vergaß und trat auf ein Gelenk. "IH!" "Sht!", zischte Jorge von ganz vorne und ich konnte mir Pfanne's Augenrollen vorstellen. "Wir müssen uns unter die Menschen mischen, um unbemerkt zu bleiben!", wurden wir angewiesen und erst jetzt fielen mir die Leute auf, die bereits unbeeindruckt weiter durch die Straßen liefen, als hätte es hier nicht vor kurzer Zeit eine Massenschießerei gegeben. "Aber-", begann Aris, doch die Anderen waren schon nach draußen gehuscht. Neutral wanderten sie in eine Richtung Jorge hinterher, der jetzt kehrt machte und einen leichten Linksschlenker ging. Direkt auf Marcus Party zu. Als wir auf die Veranda traten, erwarteten uns bereits mehrere Erwachsene. Frauen, die in knappen Sachen gekleidet waren, Männer, die allerlei bunten Schmuck trugen. Sie warfen uns seltsame Blicke zu und ihre Hände strichen unsere Schultern entlang. "Finger weg" Jorge schlug genervt den Arm einer Frau um seine Taille weg und ich musste mir ein Grinsen verkneifen. "Wo ist Marcus?", fuhr er eine blonde Frau an, deren schwarze Schminke ihre Augen beinahe komplett verschwinden ließ. Als sie zu sprechen begann, erinnerte sie mich seltsam an eine Sirene, die versuchte ihre Beute zu verführen. "Marcus?" "Ja Marcus" "Nun ja er, sagen wir einfach er wohnt hier nicht mehr" "Erzähl mir keinen Scheiß. Wo ist Marcus?", knurrte Jorge und die blonde Frau lächelte unschuldig zu ihm hinauf. "Er ist tot" Der Blick des Mannes wurde misstrauisch und er lies ihn kurz durch die Menschen schweifen. Als er plötzlich einen Mann packte, runzelte ich irritiert die Stirn. "Marcus. Da bist du ja mein guter alter Freund" "Jooorge. Lange nicht gesehen, wie gehts Kumpel?", lallte der Mann und ich konnte einen genaueren Blick auf ihn werfen. Er trug einen roten Anzug, seine Haare schienen aschblond und fettig, seine Augen waren blau und umrandet von dunkler Schminke. Ich konnte seine offensichtliche Fahne bis hierher riechen. "Gut gut. Hör mal, ich bin nicht hier, um Nettigkeiten auszutauschen. Sag mir wo sie sich verstecken!", knurrte Jorge und ich war verwirrt von seinem plötzlichen Stimmungsumschwung. "Geht Brenda und Thomas suchen. Die sind drinnen, er hat sie bestimmt verarscht", wies er uns an und als hätte sie nur darauf gewartet, rannte Teresa durch den bunten Perlenvorhang. Rasch folgte ich ihr und schnappte nach Luft. Drinnen herrschte ein Gestank aus Schweiß, verschiedenen Parfüms, Rauch, Alkohol und Zigaretten. Bunte Lichter huschten durch den dämmrig dunklen Raum, erhellten ab und zu ein fremdes Gesicht. Langsame, laute Musik spielte im Hintergrund, die Körper vieler Menschen wippten wie in Slow Motion im Takt mit. Fest schlang sich Newts Hand um meinen Unterarm, Minho bahnte sich vor uns einen Weg durch die tanzenden Leute. Mit Überraschung musste ich feststellen, das es beinahe nur Jugendliche waren. "BRENDA. THOMAS", schrieen wir durcheinander und ernteten ein paar genervte Blicke, trotzdem tauchten unsere Freunde nicht auf. Langsam zog ich Newt hinter mir her, auf eine Ecke tanzender Teenager zu. Sie wichen vor etwas zurück, mieden etwas am Boden. "HIER" Ich zeigte auf eine liegende Silhouette. Ungeduldig wartete ich darauf, das die Lichter in unsere Richtung schienen. Als sie es taten, erfassten sie die zarten Gesichtszüge Brendas, die entspannt vor sich hin starrte. "BRENDA, KANNST DU MICH HÖREN?", brüllte ich durch die Musik und ging vor ihr auf die Knie. Kurz blickte zu mir herauf und ich zog die Augenbrauen hoch: ihre Pupillen waren so sehr geweitet, das ich nicht einmal mehr ihre Augenfarbe erkennen konnte. Kurz lächelte das hübsche Mädchen, bevor ihre Augen zufielen und der Kopf auf den dreckigen Boden sank. "BRENDA? BRENDA!" Ich blickte hinauf zu Newt. "TRAG SIE HIER RAUS!" Der Junge nickte und bückte sich, um Brenda aufzuheben. "LASS UNS HIER VERSCHWINDEN" Ich folgte ihm durch die Tanzenden, als ich plötzlich einen Griff um meinen Arm spürte. "Hallo meine Hübsche", raunte eine tiefe Stimme in mein Ohr, doch in der Dunkelheit konnte ich nichts erkennen. Als ich den Blick wieder nach vorne richtete, war Newt verschwunden. "Komm tanz mit mir" Zwei Hände legten sich an meine Hüften und drückten mich gegen einen warmen Körper.

Zu warm.

Der Junge schwitzte regelrecht in Wasserfällen. Ich wollte nicht wissen, welche Drogen er genommen hatte, um diesen Zustand zu erreichen. "LASS MICH GEHEN!" Ohne auf meine Worte zu achten, wurde ich nun im Takt der Musik gewogen. Als ich versuchte, die Hände von mir zu schieben, spürte ich plötzlich etwas Metallenes um mein rechtes Handgelenk.

Handschellen.

Verloren im Feuer Where stories live. Discover now