4: Sonja

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Es zischte leise, als die Tür ins Schloss fiel und wie bei der im Badezimmer war auch hier keine Klinke oder ein Knauf. Schon wieder gefangen. Ohne Newt. Langsam drehte ich mich herum und sah im Zimmer umher. Fünf oder Sechs Stockbetten standen an drei der Wände, rechts neben mir befand sich ein Waschbecken mit großem Spiegel und das Schlimmste von allem: nicht ein einziges Fenster war zu finden. Keine Fluchtmöglichkeit, keine Ausgänge, keine Freunde, kein Newt - nur dieser triste Raum. Schon spürte ich, wie die Panik in mir hoch kroch, die Wände schienen näher zu rücken und die Luft wurde dünner. Verzweifelt versuchte ich, Ruhe zu bewahren, keuchend stützte ich mich auf den Waschbeckenrand und kniff die Augen zu. 'Denk an was anderes, denk an was anderes', hallte es ununterbrochen in meinem Kopf und ich spürte meine Augenlider zittern, als ich an die Hütte dachte. Newts Hütte auf der Lichtung. Die vielen Regale, die Bücher, die zwei Betten. Die vielen Stimmen der Lichter, die durch die dünnen Fensterscheiben drangen, das Gemecker der Schafe und Ziegen, der Geruch nach rauem Leder und Harz. Die gemeinsamen Essen, morgens, mittags und Abends mit meinen verstorbenen Freunden: Nick, Jasper, Paul und Chuck. Noch während ihre vertrauten Gesichter vor meinem inneren Auge auftauchten, beruhigte sich mein Atem und ich hielt weiterhin die Augen geschlossen, um in bittersüßen Erinnerungen an mein vergangenes Zuhause zu schwelgen. Die wunderschönen Sonnenuntergänge und die Unwetter, durch die soviel geschehen war. Wie magisch die Gräser nach einer frostigen Nacht aussahen, während der Tau in den ersten Strahlen der Sonne glitzerte. Wie die grauen Mauern- "Gehts dir gut?" Erschrocken zuckte ich zusammen, riss die Augen auf und suchte irritiert nach der hellen Stimme. "Hier oben" Ich hob den Kopf und blickte in das freundliche Gesicht eines jungen Mädchens auf einem der Stockbetten. Sie schien etwas jünger als ich, vermutlich 14 oder 15. Blonde Locken umrundeten ihr kleines Gesicht und hübsche, haselnussbraune Augen leuchteten zu mir herab. Sie kamen mir schmerzlich vertraut vor- selbst ihre Form. Es schien, als kannte ich sie und doch nichtsahnend, woher. Selbst ihre Lippen erweckten den Anschein, als hätte ich sie bereits hunderte von Malen gesehen. Das Mädchen hatte kleine Grübchen, während es lächelte und eine silberne Kette mit einem kleinen Anhänger in Form eines S hing um seinen Hals. "Mir gehts gut danke der Nachfrage-...?", antwortete ich langsam und überlegte, welcher Name mit einem S beginnen könnte. "Sonja. Mein Name ist Sonja" Ich hatte gehofft, dass er ein Schlüssel sein würde zu den Erinnerungen an sie vor dem Labyrinth - doch nichts passierte. Eine Weile starrten wir uns an und ich versuchte verzweifelt , sie zu identifizieren. "Und du heiiißt..?", fragte sie leicht ungeduldig und verschränkte die Arme. "Oh! Y/n", antwortete ich rasch und wollte bereits wieder den Mund öffnen. Plötzlich erklangen Schritte von draußen und es klackte, als die Tür hinter mir aufschwang. "Und Janson meinte dann, dass- oh! Wen haben wir denn hier?" Ich schluckte, als ich die drei Gesichter identifizierte. Es waren meine drei Peinigerinnen. Das Grinsen der Vordersten wurde breit und ich versuchte, schnell meinen Fuß in die noch offen stehende Tür zu stellen, um flüchten zu können doch - zu spät. Sie fiel zu und ich war eingesperrt. "Hör mal ich will echt keinen Ärger-", begann ich, als die Dunkelhaarige mich am Kragen zu ihr zog. "Endlich haben wir ein wenig Ruhe" "Harriet lass sie", erklang überraschend Sonjas Stimme und mein Kragen wurde nach kurzem Zögern losgelassen. "Sonja sie- du verstehst nicht-", begann Harriet doch unterbrach sich selbst, als sie keinen Grund für ihren Hass gegen mich fand. "Wehe du fasst hier irgendwas an was dir nicht gehört", zischte das dunkelhaarige Mädchen im Vorbeigehen, warf ihre Haare zurück und verzog sich mit den anderen zwei Mädchen ans Ende des Raumes. "Hör mal Sonja - gibt es hier irgendeinen Weg nach draußen?", fragte ich und blickte zurück zum blonden Mädchen, welches jetzt nickte. "Mhm. Die Lüftungsschächte"

Je weiter ich durch die engen, metallischen Tunnel robbte, desto höher stieg meine Panik, nicht mehr zurückzufinden. Am Anfang hatte ich mir noch die Links-, Rechts- und Geradeaus-Kombinationen versucht einzuprägen, doch ich verbrachte nun gefühlte Stunden in dem dämmrigen Licht der Gänge und meine ganze Orientierung war verloren. Noch immer hatte ich das Zimmer der Lichter nicht gefunden, stattdessen jedoch zahlreiche andere Räume mit fremden Jugendlichen. Es machte mich krank, zu wissen, dass sie ebenfalls in einem eigenen Labyrinth waren. Wieviel WCKD getan hatte, nur um das Heilmittel zu finden. Langsam schob ich mich durch einen Spalt in einen ziemlich breiten Tunnel und streckte erleichtert meine Glieder, die von den rauen Böden völlig aufgescheuert waren. "Leute diese Zimmer sind saumodern" Überrascht riss ich den Kopf zur Seite und hielt den Atem an. "Hier gibts sogar ein Waschbecken mit Zahnbürsten und Schränke voller frischer Sachen-" "Ich weiß, ist mir egal. Die sollen hier lieber verdammte Türgriffe anbauen", hörte ich Newts vertraute Stimme und freudig krabbelte ich auf das Gitter neben mir zu. "Soviel zu 'Wir stehen auf einer Seite'. Anscheinend haben sie was zu verbergen und-", meinte Thomas doch verstummte urplötzlich, als ich an dem Gitter rüttelte. Entweder hatte ich zu wenig Geduld oder es klappte wirklich nicht. Kraftvoll stieß ich meinen Fuß dagegen und es flog direkt vor die paar Füße am Boden, die nun überrascht zurückwichen. "Newt!", rief ich, wand mich aus dem Gang und schob mich unter dem Bett heraus. "Y/n?" Sofort schlang Newt seine Arme um mich und endlich roch er beinahe wieder genauso vertraut wie auf der Lichtung. Lächelnd erwiderte ich die Umarmung und schmiegte meinen Kopf an sein Shirt. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sich Pfanne und Thomas einen erleichterten Blick über mein Erscheinen zuwarfen. "Wo kommst du denn jetzt her?", wollte Minho höchst interessiert wissen und ich lugte an Newts Arm vorbei zum ehemaligen Hüter der Läufer. "Lüftungsschächte" "Und wo warst du?", fragte Newt über mir und hielt mich etwas von sich, um mich genau betrachten zu können. "Eingesperrt mit den Mädchen aus der Cafeteria. Sonja hat mir geholfen", antwortete ich und bemerkte, dass keiner der Lichter Sonja kannte. "So ein blondes Mädchen mit braunen Augen und Grübchen und- und- und..." Ich unterbrach mich selbst und starrte in Newts Augen. Die Beschreibung Sonjas passte so perfekt zu ihm. Und nun sah ich auch, wie identisch ihre Augen waren. Die große wunderschöne Form, die langen Wimpern, das sanfte Braun und der Blick - so intensiv und gleichzeitig lieb und besorgt. Eine leise Vorahnung beschlich mich und unfähig, sie abzuschütteln, überlegte ich. Eigentlich war es doch unmöglich. Und doch ließen die Merkmale beinahe keinen Zweifel: sie könnten Geschwister sein.

Verloren im Feuer Where stories live. Discover now