25: Niemals sicher

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Newt starrte Daniel gehässig an und ich runzelte die Stirn. "Sei doch nicht so gemein!" "Bin ich doch gar nicht" "Doch bist du" "Lügnerin" "Selber!", fauchte ich und wusste nicht, warum der zweite Anführer plötzlich so reizbar war. "Er kommt nicht mit, weist du?", begann er nun erneut und ein Blick auf Daniel lies mein Herz erweichen. Er blickte voll Kummer auf den Boden zu seinen Füßen und seine Körperhaltung war geknickt. "Du kannst ihn nicht daran hindern" "Warum willst du überhaupt, das er mitkommt?" Newt änderte so blitzschnell die Taktik, das ich kurz verwirrt blinzelte. "Wie kommst du darauf?" "Weil dir offensichtlich was an ihm liegt. Magst du ihn? Stehst du auf ihn? Willst du dich am liebsten gleich auf seinen Schoß setzten?!", fragte Newt erhitzt und mir klappte der Mund auf. "Was stimmt denn nur nicht mit dir?" "Nein nein nein was stimmt den nicht mit dir? Bin ich dir nicht genug? Ist er das, was du willst?!", provozierte Newt weiter und mittlerweile waren alle um uns herum sensationslüstern verstummt. "Ich liebe dich aber manchmal bist du echt dämlich!" Wütend fuhr ich auf, sprang über die Bank und stampfte in die Dunkelheit. "Y/n komm zurück! Er hat's nicht so gemeint! Also Newt ehrlich", hörte ich noch Minhos tadelnde Stimme, bevor ich hinter einer Gruppe aus Menschen verschwand. Warum hatte er so stark auf mich reagiert? Warum war er so eifersüchtig? Warum konnte er nicht akzeptieren, das es noch andere Jungs in meinem Leben gab? Wütend schob ich mich durch das Gedrängel und blieb am Rande des Lagers stehen. Ein freudiger Ausdruck trat auf mein Gesicht, als ich Teresas vertraute Silhouette erkannte. Ich hob den Arm und wollte bereits ihren Namen rufen, als ich ihre Körperhaltung bemerkte. Sie war gebückt, immer wieder sah sie über die Schulter, ein gehetzter Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. Ich zuckte zusammen, als unsere Augen sich trafen. Sie schienen panisch, und plötzlich kam mir ein Gedanke. Sie verhielt sich, als hätte sie etwas angestellt, etwas getan was sie nicht hätte tun sollen. Wie ein Schatten verschmolz das hübsche Mädchen mit der Dämmerung und ich lauschte ihren verklingenden Schritte in der Ferne, bis wieder Stille herrschte. Langsam drehte ich mich herum und blickte kurz zurück. Ein paar Gruppen aus Teenagern versperrten mir die Sicht zum Lagerfeuer, an dem meine Freunde gemütlich im Warmen saßen und aßen. Trotzdem: Ich wollte nicht zurück zu Newt. Noch nicht. Langsam lief ich in die Richtung, in die Teresa verschwunden war und Dunkelheit umhüllte mich, während die Steine unter meinen Schuhen knirschten. Ich genoss die Stille, die hier oben herrschte. Man hörte nur den Wind in den Gipfeln heulen, das vereinzelte Gras rauschen und die ersten Sterne funkelten bereits am Firmament. "Du hast dich wohl verirrt?", erklang plötzlich eine leise Stimme hinter mir und erschrocken schrie ich auf. "Ganz ruhig ich bin's nur" Erleichtert legte ich mir die Hand aufs Herz, als ich Thomas' näher kommendes Gesicht erkannte. "Du Idiot!", rief ich und boxte ihm kameradschaftlich in die Schulter. "Zu Newt gehts da lang", meine der Frischling, grinsend über seinen geglückten Überfall, und zeigte hinter sich. In etwas Entfernung schimmerten die Lichter vom Lager des rechten Arms und erleuchteten die Dämmerung. "Ich will jetzt nicht zu Newt", meinte ich kopfschüttelnd und Thomas legte überrascht den Kopf schief. "Nicht?" "Nein" Kurz herrschte Stille, in der der Frischling mich weiterhin fragend anstarrte, doch als ich nichts sagte, lief er vorsichtig an mir vorbei. "Wohin willst du eigentlich?", fragte ich laut und zwang den Jungen dazu, sich kurz umzudrehen. Wortlos zeigte er auf etwas hinter sich und mein Blick folgte seinem Finger. Eine Silhouette, gerade noch so erkennbar in der Ferne, stand auf einem riesigen Felsvorsprung. Ich erkannte sie sofort. Was tat Teresa allein so weit draußen? Langsam lief Thomas weiter und schon ein paar Minuten später erschien ein zweiter menschlicher Umriss auf den Felsen. Kurz musste ich grinsen. Vielleicht gestanden sie sich hier und jetzt ihre Liebe? Ich fühlte mich unpassend und wanderte etwas nach rechts, wo ich auf einer kleinen Anhöhe zum Stehen kam. Von hier aus hatte ich den perfekten Blick auf das Lager. Ich erkannte die Umrisse meiner Freunde in der Mitte der Zelte, sie lachten und ihre Stimmen hallten etwas entfernt zwischen den Gipfeln. Kurz fühlte ich einen Stich der Eifersucht in meinem Herzen, als mein Blick Sonja und Harriet erfassten. Die beiden hübschen Mädchen saßen zwischen Minho und Pfanne, Sonjas Arm lag kurz auf der Schulter des Läufers. Warum suchten die Jungs nicht nach mir? Wo blieb ihre Sorge um mich, der ich alltäglich im Labyrinth begegnet war?

Wir sind jetzt sicher. Im Lager des rechten Arms, sie bringen uns in den sicheren Hafen. WCKD und der Brand sind Geschichte. Du bist ihnen nicht mehr so wichtig wie damals

Die Stimmen schwirrte mir durch den Kopf. Seufzend lies ich mich in der Hocke nieder und pustete warme Luft zwischen meine Hände. Die Kälte außerhalb des Lagers hatte meine Finger ganz steif werden lassen und zitternd zog ich die Jacke enger. Ich spürte, wie sich der Gedankenwirbel in meinem Kopf legte, während nichts als der heulende Wind durch die Berggipfel streifte. Entspannter lies ich kurz die Augen zufallen und genoss die Einsamkeit. In den letzten Wochen und Monaten war ich konstant entweder von den Lichtern oder Daniel umgeben gewesen - ich konnte mich nicht daran erinnern, das letzte Mal allein Zeit verbracht zu haben. Warum wollte Newt Daniel nicht mit in den sicheren Hafen lassen? Der fremde Junge hatte dem zweiten Anführer nichts getan - zumindest nichts, was ich mitbekommen hätte. Und ich war immer bei Beiden in der Nähe geblieben, seit wir uns in Marcus' Club begegnet waren. Entweder war es tatsächlich Newts beinahe krankhafte Eifersucht - oder er hatte einen anderen Grund für das Misstrauen dem rothaarigen Jungen gegenüber. Ich erinnerte mich genau an die feindselige Stimmung in Marcus' Club, als wir uns dort im ersten Stock niedergelassen hatten. Die Lichter waren Daniel mit Unwohlsein und Ausgrenzung begegnet - ich hatte ihn ebenfalls nicht gemocht. Doch nun? Er war nun einmal da und mit uns im rechten Arm angekommen. Er war womöglich ebenfalls ein immuner Teenager und deshalb die exakte Zielgruppe WCKD's. Wenn wir nicht rechtzeitig aufgetaucht wären, hätte Janson ihn mitgenommen und in ein Labyrinth gesteckt. Ich merkte, wie mich allein bei dem Gedanken an den grauhaarigen Mann bereits die Wut durchströmte. Seufzend schlug ich die Augen wieder auf und blickte kurz ins Tal hinab, um mich abzulenken. Mittlerweile herrschte durchgehende Finsternis, nichts außer den Lichtern aus den Zelten erhellte die Nacht. Es würde bestimmt ein Problem für mich darstellen, wieder zurück zu finden. Der Weg hinab war steil und viel Geröll türmte sich in Haufen auf. Ein Gedanke nagte an mir und ich beschloss, mich den Überlegungen hinzugeben - ob sie mir gefielen, oder nicht. Newt hatte noch immer nicht nach mir gesucht, es schien, als würde ich nicht einmal fehlen. Meine Freunde saßen unverändert an ihren Plätzen. Ich hatte mich bereits mit Newt auf der Lichtung gestritten, aber dort hatte es keinen Ausweg gegeben und er sorgte sich um mich. War diese Zeit nun vorbei? Melancholisch starrte ich in den Nachthimmel und hielt kurz den Atem an: tausende Sterne schimmerten in unbekannten Bildern durch die Finsternis herab. Ihr Licht war schwach und reichte kaum, um die Umgebung zu beleuchten. Irritiert drehte ich den Kopf, als Motorengeräusche in der Ferne erklangen. Kamen noch mehr Mitglieder des rechten Armes? Überrascht erhoben sich meine Augenbrauen, als weißliches Licht im Nachthimmel aufstrahlte und sich schnell nähere. Was zur Hölle war das? Plötzlich erklangen kehlige Schreie wie die eines verletzten Tieres. Ich sprang auf und starrte in die Dunkelheit, als Thomas an gestolpert kam.  Er schien mich kaum wahrzunehmen und wedelte wild mit den Armen in Richtung der Lichter. Komplett verwirrt starrte ich nach oben und erkannte plötzlich, was sich da so schnell näherte. "HEY- HEY STOP!", brüllte Thomas, als WCKD's Flugzeuge auf das Lager zu rasten. Ich schrak zusammen, als ein ohrenzerfetzend lauter Knall ertönte. Die Erde erzitterte unter meinen Füßen, mein Herz vibrierte. Die Nacht vor mir wurde von feurig rotem Licht erhellt, als eine Explosion direkt zwischen die Zelte einschlug und das Lager in Rauch hüllte. Kurz darauf folgten zwei weitere Bomben. Panische Schreie und Schüsse hallten von den Bergwänden wieder.


"NEIN"

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