Kapitel 43

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Lova starrte nun schon seit Stunden in den Horizont, während die Umrisse der Drachenklippe näher und näher kamen, denn der Wind schien es gut mit ihnen zu meinen. Sie würden die Insel noch vor Einbruch der Nacht erreichen, sodass die letzten Sonnenstrahlen ihren Weg erhellen würden, wenn die Wikingerin sich inmitten des feindlichen Lagers begab. Es blieb nur zu hoffen, dass man Finn nicht bemerken würde und er sich ungesehen auf die Weiterfahrt begeben konnte. Doch bisher gab es keinen Grund, etwas anderes zu vermuten, denn keine Drachen kreisten als Wachposten über den Himmel, in keinem der Wachtürme brannte eine Fackel. Wie es schien, verließ Krogan sich voll und ganz auf ein Spiel auf Zeit – und der Moment für einen Rückschlag durch die Drachenreiter schien noch nicht gekommen zu sein.

„Hast du schon eine Ahnung, wo man deinen Drachen untergebracht haben könnte?", fragte Finn hinter ihr. Er stand am Steuerrad, hatte die Hemdsärmel hochgekrempelt und sah genau wie sie mit angespannter Miene ihrem Ziel entgegen. „Weißt du, wo sich die Ställe befinden?" Lova stieß ein Seufzen aus und wandte sich von der Insel ab, die Arme vor der Brust verschränkt. Eine Gänsehaut breitete sich auf ihrer Haut aus, doch ob diese der abendlichen Kühle oder ihrer Furcht vor dem Kommenden geschuldet war, wusste sie selbst nicht. „Ich weiß es nicht", gab sie zu. „Ich habe vor, einen der Jäger zu überwältigen und ihn zur Kooperation zu zwingen."

„Einfach, aber wirkungsvoll", erwiderte Finn und schüttelte grinsend den Kopf. „Schnell rein, schnell raus und auf direktem Wege wieder so weit weg wie möglich, nicht?"

„In etwa", bestätigte Lova und zuckte die Schultern. „Ich weiß zwar nicht, ob ich Erfolg haben werde, aber für einen improvisierten Plan B ist immer Zeit. Ich habe jedenfalls nicht vor, mich erwischen zu lassen."

„Du hast jetzt alle Chancen, es unter Beweis zu stellen", sagte Finn und deutete auf die Küste, die nun nur noch etwa einen halben Kilometer von ihnen entfernt war. „Ich werde nicht näher herankommen, ohne doch noch entdeckt zu werden. Unsere Wege werden sich jetzt trennen müssen, Miss Louvisa." Sie folgte seinem Blick, schätzte die Entfernung zwischen Strand und Schiff ab, ehe sie nickte und mit einem schiefen Lächeln zu ihm hochsah. „Dann war's das jetzt?", fragte Lova mit gedämpfter Stimme und hielt Finn die Hand zu einem letzten Händedruck entgegen. „Götter, ich hasse Abschiede..."

Statt ihre Hand zu nehmen, zog Finn die Wikingerin in seine Arme und klopfte ihr ermutigend auf den Rücken. „Vielleicht führen uns die Winde ja noch einmal zusammen. Du darfst nicht so kurz vor deinem Ziel die Hoffnung verlieren", sagte er entschieden und hielt sie eine Armlänge von sich weg, um ihr in die Augen zu sehen. „Es war mir eine Ehre, dich bis hierher zu begleiten." Lova nickte, obwohl sie ihre Tränen ein weiteres Mal nur mühsam zurückhalten konnte. „Und ich danke dir, dass du mich nicht im Stich gelassen hast", entgegnete sie. „Ich hätte mir keinen besseren Begleiter vorstellen können."

„Jetzt geh schon, Louvisa", meinte Finn sanft und die Wikingerin meinte, auch in seinen Augen Tränen schimmern zu sehen. Sie fragte sich, ob auch er wusste, dass dies ihr letztes Treffen sein würde. Dieser Moment hatte eine grausame Endgültigkeit, sodass aus dem geplanten „Auf Wiedersehen" ein hoffnungsloses „Lebewohl" wurde.

„Danke", murmelte Lova. „Für alles." Sie schaffte es, ein Lächeln auf ihre Lippen zu zwingen, als sie hinzufügte: „Grüß Nehemia, wenn du sie wiedersiehst. Richte Adaja meinen Dank aus. Sag deinem Sohn von mir, dass er sich glücklich schätzen kann, einen Vater wie dich zu haben. Und vergiss mich nicht, ja?"

„Wie könnte ich?", fragte der ehemalige Jäger, ehe er seine Hände von ihren Schultern nahm und somit alles kappte, was sie noch auf dieser Insel gehalten hatte. „Gib auf dich Acht und denk an unser Versprechen." Sie nickte, ehe sie tief Luft holte, Anlauf nahm und in die Fluten sprang. Das Meer nahm ihre Tränen mit sich, als sie den Mann verließ, der für sie zum einem zweiten Vater geworden war.

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