Trentuno

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„Die Scheidung ist jetzt ein paar Monate her", sagte Milo und drehte nervös die Espressotasse vor sich

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„Die Scheidung ist jetzt ein paar Monate her", sagte Milo und drehte nervös die Espressotasse vor sich. Etienne blieb das nicht verborgen und wechselte deshalb das Thema.

„Fährst du nochmal hin?" „Wohin?" „Zum Campingplatz, bevor er schließt." „Ich weiß nicht. Du? Vielleicht können wir zusammen?", fragte Milo. „Ich weiß nicht. Eine Wiederholung? Wäre das nicht, wie aufgewärmte Suppe?"

„Nein, ich meine, als du Summer von Vivaldi geübt hast und das bestimmt 200 Mal, da fand ich ein Stück schöner als das andere."

„Du weißt noch, was ich gespielt habe?" „Natürlich, ich habe nichts vergessen." Auch Etienne erinnerte sich an alles und Milo hatte recht, auch Wiederholungen konnten wunderschön sein, denn das Gespräch zwischen ihnen fühlte sich für Etienne so vertraut an.

Aber es waren inzwischen 20 Jahre vergangen und manchmal konnte einem die Zeit weiter auseinander bringen als die Distanz.

„Ob es die Hütte im Wald wohl noch gibt?", überlegte Etienne laut. „Nein, sie haben sie abgerissen. Ich war ein paar Jahre später auf der Durchreise nochmal dort. Sie haben den Campingplatz vergrößert und der Erweiterung ist sie wohl zum Opfer gefallen."

„Ich bin nicht böse drum. Für mich war sie immer ein Abbild dessen, für wie falsch die Gesellschaft das hielt, was wir miteinander hatten."

Milo nickte, aber Etienne erkannte, dass er sich bis dato wohl noch nie Gedanken darüber gemacht hatte.

Nach und nach trafen nun auch die anderen Musiker, Freunde und Familie ein und ihr Gespräch wurde immer wieder unterbrochen. „Ich glaube, ich mache mich mal auf den Weg", sagte Milo. „Wie lange bist du in der Stadt?" „Ich habe nur eine Übernachtung gebucht."

Etienne legte eine Hand an Milos Arm. „Ich würde dir ja anbieten mit zu mir zu kommen, aber ich will nicht, dass etwas, was dann vielleicht passiert, die Erinnerung an unseren Sommer kaputt macht."

„Das verstehe ich." „Aber wir bleiben in Kontakt? Kann ich deine Nummer haben?" Milo diktierte Etienne seine Nummer und dieser schrieb sie in das kleine Notizheft. Dann verabschiedeten sie sich mit einer Umarmung und Etienne sah Milo noch einen Moment lang hinterher, bis er wieder von jemanden in Beschlag genommen wurde.

Aber er war bei keinem der Gespräche, die er an jenen Abend führte, wirklich anwesend. Er fragte sich, ob er über all die Jahre unnahbar geworden war. Dabei hatte er sich doch all die Jahre nach dem gesehnt, was er mit Milo gehabt hatte und jetzt, da sich die Möglichkeit geboten hatte, hatte er ihn einfach von sich weggestoßen.

Etienne verabschiedete sich viel zu früh von dem Empfang, denn er brauchte Ruhe und frische Luft, um seine Gedanken zu ordnen. Zwanzig Minuten war er durch die Straßen Roms gelaufen, als er sein Notizheft und sein Handy aus der Tasche nahm und Milos Nummer wählte.

Die Melodie des SommersWhere stories live. Discover now