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"Vor einiger Zeit, als nach der zweiten Trennung noch viele Sidhe Ageia bevölkerten, lebte in einem kleinen Dorf ein Mann namens Ilyon. Ilyon war ein stattlicher junger Mann. Obwohl er ein hohes Ansehen genoss, fand er jedoch keine Frau, die ihm gefiel.

Als er eines Tages zur Jagd auszog, hörte er ein Kichern. Ilyon hatte Gerüchte gehört, dass es im Wald Nymphen geben sollte und da diese nicht gefährlich sind, wenn man sie nicht beachtet, tat er, als höre er nichts und ritt weiter.

Da stellte sich ihm plötzlich eine junge Frau in den Weg. Ihm war bewusst, dass es sich um eine Nymphe handeln musste, doch war sie so schön, dass er sie nicht ignorieren konnte.

„Wie ist dein Name?", fragte sie ihn mit einer Stimme, die so hell und klangvoll war, wie Ilyon es sich nie hätte träumen lassen.

„Ilyon. Mein Name ist Ilyon", antwortete er der Nymphe.

„Ich bin Ea. Ich habe lange auf dich gewartet, aber jetzt bist du hier." Mit ihren großen Augen sah sie ihn lachend an und er war ihr augenblicklich verfallen.

Stundenlang unterhielten sie sich miteinander, bis es dämmerte und Ilyon schweren Herzens davonritt. Die nächsten Wochen trafen sie sich jeden Tag im Wald und kamen sich immer näher.

Ilyon war so bezaubert von Ea, dass er sie bat, mit ihm zu leben. Ea auf der anderen Seite hatte Jahre darauf gewartet, Ilyon, den Mann der ihr von der Nymphenmutter Adda prophezeit worden war, zu treffen.

„Ich kann meinen Wald nicht verlassen. Ich bin an ihn gebunden. Aber du könntest mit mir in meinem Baumhaus leben."

Da Ilyon in seinem Dorf nichts hatte, was ihn dort hielt, willigte er ein und sie lebten eine ganze Weile lang glücklich miteinander.

Doch es kam ein Tag, an dem ein Junge aus dem Dorf zu Ilyon lief und ihm berichtete, es sei ein Krieg ausgebrochen. Auch wenn er keine Verpflichtungen gegenüber seinem Dorf hatte, so wollte er den Männern, mit denen er aufgewachsen war, doch beistehen.

Deshalb verabschiedete er sich von Ea und zog in die Schlacht. Schon nach wenigen Tagen kehrte der Junge, der Ilyon von dem Krieg berichtet hatte, zurück und erzählte Ea, dass die Schlacht vorüber sei und das Dorf dank Ilyon den Sieg davongetragen habe. Er habe sich dem Anführer des feindlichen Heers todesmutig entgegengestellt und ihn besiegt.

"Wo ist er denn? Warum ist er nicht hier?", fragte Ea den Jungen und befürchtete das Schlimmste.
"Er ist gefallen. Er sagte mir, ich solle euch die Nachricht überbringen und euch sagen, dass es ihm leidtut, euch allein zu lassen und dass er euch mehr geliebt hat als alles andere auf der Welt."

Für Ea brach eine Welt zusammen. Sie wollte es nicht wahrhaben und verfiel in eine Art Starre. Tagelang bewegte sie sich kaum, nahm nichts wahr, und wäre wahrscheinlich gestorben, wenn sich die anderen Nymphen nicht um sie gekümmert hätten.

Am achten Tag kam Adda zu ihr und sagte: "Mein Kind. Ich verstehe dein Leid und es bricht mir das Herz, dich so voller Schmerzen zu sehen. Es kommt nicht oft vor, dass eine Nymphe einem Menschen versprochen wird. Doch eure Verbindung stand unter einem besonderen Stern und deshalb sehe ich eine Möglichkeit, wie du ihn vielleicht zurückholen könntest."

Ea versicherte Adda, dass sie alles täte, nur um Ilyon wieder bei sich zu haben.

"Verlasse den Wald und gehe bis ans Ende der uns bekannten Welt zum See Niris"

"Zu Ava?", fragte Ea die Nymphenmutter ehrfürchtig.

"Ja, zu Ava. Setze dich ans Ufer, schildere ihr dein Leid und harre dort aus. Wenn sich nach drei Tagen nichts getan hat, hat sie dich nicht erhört."

"Aber wie soll sie mir helfen?"

"Alte Legenden erzählen davon, dass viele Welten existieren. Wenn reine Wesen sterben, durchwandern sie die Welt der Sidhe und gehen von dort in andere uns unbekannte Gefilde. Manche Seelen jedoch wollen sich nicht lösen. Sie klammern sich an ihre hiesige Existenz und landen in einer Art Zwischenwelt. Und manchmal lässt sich Ava erweichen und sie hilft denen, die ihre Hilfe erbitten. Es ist unwahrscheinlich, aber eine Möglichkeit."

"Aber, wenn ich den Wald verlasse..."

"Dann darfst du niemals zurückkehren. Ja, das ist der Preis, den du zahlen musst, Ea. Und du musst dich beeilen. Vom Tode der Person bis zur Rückkehr darf nicht zu viel Zeit vergehen, da die Seele sonst vergisst, was sie hält und nie wieder zurückkehren kann."

"Dann reite ich sofort. Ich habe schon viele Tage verloren."

Und so verabschiedete sich Ea von ihrem Wald und ritt auf dem schnellsten Pferd, dass es gab. Es war eine entbehrungsreiche Reise, doch sie war Eas einzige Hoffnung und darum hielt sie durch. Nach drei Tagen erreichte sie den See und begann, ihr Leid zu schildern. Und sie harrte drei Tage aus. In der dritten Nacht wollte sie schon aufgeben vor Verzweiflung, als sich die Wasseroberfläche des Niris zu kräuseln begann und die Feenkönigin aus der Mitte des Sees emporstieg.

"Wir haben dich gehört, Ea. Deine Liebe ist rein und wir nehmen uns deiner Bitte an. Doch überlege gut, ob du es wirklich willst, dass wir dir Ilyon zurückbringen. Der Tod verändert einen Menschen und es kann sein, dass er nicht mehr der ist, den du kanntest, wenn ich ihn dir wiedergebe."

"Ich nehme alles in Kauf."

Die Feenkönigin nahm Ea beim Wort und brachte ihr Ilyon zurück.

Doch Ilyon erkannte Ea nicht mehr, wollte nichts von ihr wissen und ließ sie allein am Seeufer stehen. Ea fühlte sich, als hätte sie Ilyon ein zweites Mal verloren. Und da sie nun nichts mehr hatte, denn in den Wald konnte sie auch nicht zurückkehren, bat sie die Feenkönigin, sie zu erlösen. Ava nickte und verwandelte Ea in eine Trauerweide. Den bis heute einzigen Baum, der am Ufer des Sees Niris wächst."

Heart of Ageia 1 - FluchtOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz