Heart of Ageia 1 - Flucht

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"Ich hatte doch gewusst, dass du mir bekannt vorkommst, Emily", sagte Ned zu ihr, als er ihr eine Tasse mit heißem Kräutertee reichte.

"Wenn Vivian deine Mutter ist und Lian dein Vater, erklärt das natürlich Einiges."

Sie hatten es geschafft, unbemerkt auf einigen Umwegen Neds Haus zu erreichen. Levin hatte die ganze Zeit über nichts gesagt, und auch Ned nur angeschwiegen, sodass Emily die Begebenheiten erzählt hatte. Der Alte war ein guter Zuhörer, selbst wenn ihn kaum etwas aus ihrer Erzählung zu überraschen schien.

"Also kennst du meine Mutter?" Emily war verblüfft. Die Vivian, die sie kannte, passte ganz und gar nicht in diese Welt, aber wenn Ned sie kannte, würde er ihr einige Fragen beantworten können.

"Nun ja, als ich deine Mutter das letzte Mal gesehen habe, war sie noch ein kleines Kind, zwei Jahre alt, wenn ich mich recht erinnere. Deine Großmutter kam noch einmal zu mir, bevor sie mit ihr verschwand."

"Meine Großmutter? Du kennst auch meine Großmutter?" Tausende Fragen explodierten auf einmal in Emilys Kopf.

"Nele war eine ... gute Freundin von mir." Das Zögern in dieser Äußerung machte Emily zwar stutzig, doch dass Ned seine Bekanntschaft zu ihrer Großmutter Freundschaft beschrieb, machte sie zu neugierig, um an dieser Stelle nachzuhaken. Eigentlich hatte sie schlafen wollen – schließlich war es mittlerweile Vormittag und sie war auf den Beinen, seit sie nachts aufgewacht war - doch plötzlich war sie wieder hellwach.

"Erzähl mir bitte etwas über sie, ich habe sie nie kennengelernt", bat Emily Ned deshalb, doch der haderte offenbar mit sich.

"Erzähl du mir doch erst einmal, was du über sie weißt. Es ist nicht an mir, dir ihre Geschichte zu erzählen, weißt du. Aber wenn du mir sagst, was du weißt, dann weiß ich, was ich dir erzählen kann. Ich habe sie auch nicht mehr gesehen, seit sie sich damals verabschiedet hat und deswegen keine Informationen über das, was zwischenzeitlich geschah." Erwartungsvoll sah der alte Mann sie an und obwohl es Emily missfiel - es kam ihr vor, als würde er ihr nicht trauen - begann sie zu erzählen.

"Wie gesagt, ich habe meine Großmutter nie kennengelernt. Alles, was ich weiß, ist, dass sie und meine Mama sich zerstritten haben, kurz nachdem meine Eltern zueinander gefunden hatten. Meine Mutter hat mir erzählt, dass meine Großmutter die Beziehung meiner Eltern nicht billigte. Sie sagte, mein Vater wäre ein schlechter Einfluss, doch davon wollte Mama nichts hören. Es ging so weit, dass sie den Kontakt abgebrochen hat. Ich glaube, Mama hat das sehr wehgetan, aber sie ist eine sehr stolze und sture Frau und wenn sie das von ihrer Mutter hat, kann ich mir gut vorstellen, warum meine Großmutter sich ebenfalls nie wieder gemeldet hat." Emily hatte oft darüber nachgedacht, wie schlimm sich die beiden gestritten haben mussten, damit es dazu kam, denn egal, wie sehr Emily und Vivian sich zofften, Emily würde nie den Kontakt zu ihr abbrechen. Doch so langsam begann sich alles zu einem Bild zusammenzufügen. Gespannt sah sie nun Ned an, der einen nachdenklichen Blick aufgesetzt hatte.

"Und?" Emily war ungeduldig. "Was ist nun?" Ned schreckte hoch.

"Oh ja, genau. Entschuldige. Nun ... Wo fange ich denn am besten an? Ach ja: Deine Großmutter Nele war damals mit Deon verheiratet. Sie waren sehr glücklich miteinander, bis Deon begann, immer fanatischer zu werden. Er hatte es immer unfair gefunden, dass die Sidhe so große magische Kräfte haben und diese nur in sehr geringem Maß mit den Menschen teilen. Alles hat bei ihnen einen Preis, musst du wissen. Jedenfalls, als deine Großmutter schwanger war, verbrachte sie mehr Zeit zu Hause, sie wohnte mit Deon in der Akademie und bekam immer mehr davon mit, wie sehr sich ihr Mann in seine Ideen hineinsteigerte. Seine Wut auf die Sidhe wurde zu blankem Hass und kurz nach der Geburt hielt sie es kaum noch mit ihm aus. Er kümmerte sich wenig um sie und verschloss sich immer häufiger in seinen Laboren. Wie du selbst richtig erraten hast, ist deine Großmutter eine sehr stolze Frau, weshalb sie sich diese Behandlung irgendwann nicht mehr gefallen ließ."