Kapitel 49

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"Ich weiß immer noch nicht, wie du sie dazu gebracht hast, auf den Freefall-Tower zu gehen.", sagte Zayn, als wir zu ihnen zurückkamen.

Aidan zuckte mit den Schultern. "Das habt ihr alles meinem Charme zu verdanken."

Das brachte mich mal wieder zum Augenrollen. Mein Freund war manchmal echt unmöglich. Und hatte mal wieder seine zehn Tonnen zu viel Selbstbewusstsein. Und irgendwie liebte ich auch genau das an ihm. Ich liebte alles an diesem Verrückten.

"Kein Grund so bescheiden zu sein, du Charmebolzen", erwiderte ich und stahl Zoe ein kleines Stück ihrer Zuckerwatte, was sie mit einem Lächeln abtat.

Lydia drückte Zayn einen Kuss auf die Wange. "Gehen wir jetzt auf den Freefall-Tower?"

Er nickte und drückte mir seinen Rucksack in die Arme. "Wartet hier, wir sind gleich zurück."

Seit der Party war zwischen den beiden alles anders. Genau wie zwischen Aidan und mir. Zayn war zu Lydia gefahren, um sich um sie zu kümmern, als ihr schlecht geworden war - und es war ein wenig mehr passiert, so wie beide es mir erzählt hatten. Jetzt waren diese Idioten von Turteltäubchen auch endlich zusammen. Und sie waren beide so glücklich darüber, dass auch ich ein Dauergrinsen in ihrer Nähe bekam. Zayn war am nächsten Morgen nicht nach Hause gekommen, was ich erst gemerkt hatte, als Mum beim Frühstück nach ihm gefragt hatte. (Ich war zu sehr damit beschäftigt gewesen, die verlorene Zeit mit Aidan wieder aufzuholen.) Stattdessen war mein Bruder bei Lydia geblieben - über Nacht - und hatte sie die ganze Zeit im Arm gehalten, was sie mir am nächsten Tag direkt in einer zehnminütigen Sprachnachricht mitgeteilt hatte.

"Endlich", hatte Aidan gesagt, der neben mir gesessen hatte, als die Sprachnachricht meiner besten Freundin gelaufen war. "Ich dachte, er kriegt es nie auf die Reihe."

Zoe zog mich auf die Bank und wir setzten uns. Eingequetscht in der Mitte zwischen Aidan und Zoe sah ich zu dem großen Fahrgeschäft hinauf, das Lydia und Zayn gleich fahren würden. Und da oben war ich drauf gewesen? Jetzt schien es unmöglich, weil ich nicht selten ein ziemlicher Angsthase war.

"Den Mund kannst du nie halten.", sagte Aidan in diesem Moment neben mir. "Immer diskutierst du. Wahrscheinlich bist du der vorlauteste und sturste Mensch den ich kenne." Er lachte, als ich nur die Augenbrauen hochzog. "Aber vor diesem Turm hast du Angst?"

Ich warf ihm Zayns Rucksack ins Gesicht, den er jedoch leider geschickt aus der Luft fischte. Schade. Gerne hätte ich gesehen, wie das Ding seinen Kopf getroffen hätte.

"Und?", fragte Zoe, die immer noch nicht mit der Zuckerwatte fertig war, die ich ihr vor einer halben Stunde gekauft hatte. "Eli darf das. Sie sagt halt immer, was sie denkt. Ich dachte, das magst du so an ihr?"

Mit der Röte, die sich nun auf seine Wangen schlich, hatte ich nicht gerechnet. Jetzt stahl sich ein Grinsen auf mein Gesicht.

"So ist das also?", fragte ich, während ich den Arm um seine kleine Schwester legte.

Sie grinste nur diebisch, als wäre es ihr gelungen, uns zu verkuppeln. Vielleicht war es ja auch so.
Zoe versuchte immer zu lächeln. Selbst wenn sie unglücklich war. Dann versuchte sie in erster Linie, andere zum Lächeln zu bringen. Und dass auch, wenn es ihr schlecht ging. Ich wusste, wie sehr sie um ihre Mutter trauerte. Ich wusste, wie sehr sie darüber trauerte, dass Aidan seinem Vater keine Chance gab. Doch das zeigte sie nicht. Nicht ihm, den das alles sowieso fast vollends zerstört hatte. Auch mir hatte sie zuerst nichts gesagt - und einmal hatte sie mich weinend angerufen und mir alles erzählt, was ihr auf dem Herzen gelegen hatte. Zoe war eine unglaubliche Person. Einzigartig. Genau wie ihr großer, sturer und manchmal etwas zu selbstbewusster Bruder.

"Scheint so" Sein Gesicht war nicht mehr rot. Er sah mich bloß an und lehnte dann seinen Kopf an meine Schulter und hauchte zwei federleichte Küsse auf meinen Hals und dann einen auf meinen Unterkiefer.

Wir waren auf unterschiedlichen Fahrgeschäften, waren am Ende sogar zwei Mal Kart gefahren und mit Zoe war ich auf jeder Achterbahn, die für ihr Alter geeignet war. Gegen Abend stieß Caleb mit einer lahmen Entschuldigung wieder zu uns und meine Füße taten so abgrundtief weh von diesem Tag. Caleb hatte den ganzen Tag mit Serafina verbracht - und er schien glücklich zu sein. Niemals hätte ich gedacht, dass es gerade sie war, mit der einer meiner besten Freunde zusammenkommen würde. Aber wenn er glücklich damit war, dann hoffte ich nur für sie, dass sie ihn nicht verletzte. Denn würde sie das tun, hätte sie nicht nur mich am Hals. Sondern auch Aidan, der ursprünglich eifersüchtig auf Caleb gewesen war, Zayn und Lydia, die sich wegen mir auch mit dem Blonden angefreundet hatte.
Auf dem Weg zum Parkplatz wollte ich Zoes Hand nehmen, rutschte jedoch auf etwas Glattem aus - und flog volle Kanne auf den Asphalt. Gerade so hatte ich mich mit den Händen abstützen können, sodass mein Gesicht heil geblieben war.
Aidan blickte sich bei dem 'Rums', das ich verursacht hatte, besorgt nach mir um. Als er sah, dass ich einfach mit den vier Broschüren und den Fotos, die wir hatten ausdrucken lassen, die jetzt überall verteilt waren, hingeflogen war und mich nicht verletzt hatte, lachte er.

"Wieso liegst du auf dem Boden?"

Ich versuchte, nicht mit den Augen zu rollen. Ja, wieso wohl?

"Ich habe etwas verloren", antwortete ich.

"Was denn?" Er sah amüsiert aus, hielt mir jedoch seine Hand hin, die ich annahm.

Lydia sammelte die Broschüren ein und alles, was ich sonst noch verloren hatte. Sie wusste ganz genau, dass mir sowas andauernd passierte. Und Zayn wusste das auch - kicherte aber trotzdem hinter hervorgehaltener Hand.

"Mein verdammtes Gleichgewicht, du Idiot!", murrte ich und strich den Dreck von meiner Hose.

Caleb lächelte mich an. "Alles gut?"

Ich nickte - und lächelte zurück. "Alles bestens, danke."

"Ich muss auf die Toilette, Eli!", meldete sich Zoe zu Wort.

Aidan lachte. "Sie muss auf die Toilette, Eli."

*

Ich war nicht oft bei ihm zu Hause. Die meiste Zeit war sein Vater da und dann wollte er sich nicht dort aufhalten. Heute war eine Ausnahme. Sein Vater war nicht zu Hause - ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, wo er war - und wir saßen Arm in Arm auf der Couch.
Zoe war nach diesem Freizeitpark bereits im Auto eingeschlafen und Aidan hatte sie in ihr Bett getragen. Und nun saßen wir hier. Aidan suchte nach einem guten Film, den wir schauen konnten, und ich legte den Kopf in seinen Schoß und sah zu ihm hinauf. Er war wunderschön. So verdammt gutaussehend (und heiß).
Da fiel mir etwas ein. Ich fuhr hoch.

"Was ist los?"

"Dein Geschenk!"

Er hob eine Augenbraue. "Ich dachte, das ist bei dir zu Hause."

Ich schüttelte den Kopf. "Ich hab's den ganzen Tag dabei... Man muss immer auf alles vorbereitet sein." Ich stämmte die Hände in die Hüften. "Siehst du?"

Mit den Worten ging ich in den Flur zu meiner Tasche, die ich schon den ganzen Tag mit mir mitschleppte - und kam mit einem kleinen Päckchen zu ihm zurück.
Aidan legte die Fernbedienung weg und nahm es entgegen. Neugierig schüttelte er es, dann begann er damit, die Schleife zu lösen und öffnete schließlich die nicht allzu große Schachtel.

"Deine Sternschnuppe", las er vor.

Ich nickte. "Das ist ein kleines Stück einer Sternschnuppe. Eine Art Glücksbringer. Ich habe lange überlegt, was ich dir schenken soll..." Ich strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. "Und dann bin ich durch Zufall darauf gestoßen. Irgendwie musste ich bei der Sternschnuppe an dich denken."

Er legte das Päckchen auf den Kaffeetisch und zog mich auf seinen Schoß.

"Du bist mein Glücksbringer, meine Sternschnuppe", raunte er mir ins Ohr. "Und jetzt habe ich noch eine." Ich sah ihn grinsen. "Danke schön, amor."

Und dann küsste er mich. Unsere Lippen fanden schneller zueinander als die ersten Male, als wir uns beinahe unbeholfen geküsst hatten. Jetzt kannte ich jede Kuhle seiner Haut, jede Macke, jede Unebenheit. Ich kannte seine Lippen besser als meine eigenen, in seine Augen hatte ich öfter gesehen als in jedes andere Paar Augen.
Dieser Moment schien perfekt. Er schien für die Ewigkeit gemacht zu sein. Und das wollte ich auch so. Die Ewigkeit. Mit ihm.

Zerschmettert Where stories live. Discover now