Kapitel 23

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In völliger Stille warteten Negro und ich vor der Schule auf Caleb, den ich gefragt hatte, ob er uns abholen könne, nachdem ich festgestellt hatte, dass der Bus erst in einer Stunde kommen würde. Die Atmosphäre war wieder... irgendwie still. Unangenehm still. Als wüsste niemand von uns, ob er nun eine Konversation starten sollte, oder besser nicht. Und vorallem: worüber.

Im Innern der Schule brannte noch Licht im Direktorat und in einem der Klassenzimmer. Es war zwar spät - aber immer noch nicht Nacht. Und außerdem lebte unser Schulleiter quasi in der Schule. Im Sommer hatte er sich von seiner Frau scheiden lassen und nun versuchte er sich wahrscheinlich mit Bergen von Arbeit abzulenken. Ob das funktionierte, war eine ganz andere Frage.
Jedenfalls war es überall in der Schule bereits dunkel, sodass man nur das Äußere sehen konnte. Die alte, bröckelnde Fassade in dem Blassblau, die schmutzigen Fenster, die durch das Licht der Straßenlaternen nur noch dreckverkrusteter wirkten, die alten und verrosteten Fahrradständer.

"Nächstes Mal... sollten wir einen anderen Ort als die Bibliothek wählen."

Na bitte. Ich war wieder diejenige, die das Gespräch begann. Meistens endete das damit, dass ich es vergeblich versucht hatte - und mein Gegenüber nicht einmal daran interessiert war, Smalltalk mit mir zu führen. Na ja.
Sein Blick lag auf mir, doch ich blickte nur stur auf die nasse Straße, auf der bis auf ein paar ausgetretene Zigaretten absolut nichts zu sehen war.

"Welchen Ort schlägst du vor? Den Parkplatz?"

Ich zog die Augenbrauen hoch. "Du machst also jetzt Witze"

Aidan lachte leise - und mir wurde bewusst, dass ich ihn noch nie so oft hatte lachen sehen. "Genau. Ich mache jetzt Witze."

Nun schaute ich doch zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. "Nun... Ich dachte, wir könnten das auch bei mir machen. Dann müssen wir nicht noch einmal fast die Nacht in der Bibliothek verbringen - zusammen - falls es regnet."

"Ich hätte nichts dagegen, die Nacht mit dir zu verbringen."

Er zwinkerte, als er das sagte und bei seiner zweideutigen Wortwahl schoss mir beinahe sofort die Röte in die Wangen und mir wurde heiß. Das hatte er sicher mit Absicht gemacht. Er versuchte, mich zu verunsichern. O nein. Das würde ich ihm nicht durchgehen lassen. Falls er glaubte, mich damit nervös zu machen, hatte er sich aber gewaltig geirrt.
... Oder?

"Tja... Was für ein Pech. Ich hätte nämlich etwas dagegen."

"Du brauchst dich nicht selbst zu belügen, mi amor."

"Mi amor?", lachte ich.

Aidan zuckte nur mit den Schultern. "Den meisten Mädchen gefällt der Kosename."

"Ich bin aber nicht die meisten Mädchen.", erwiderte ich. Dann fiel mir etwas ein, das ich über ihn wusste. "Zayn hat mal erwähnt, dass deine Familie aus Spanien stammt."

"Mein Vater, ja. Er kam als Kind hierher... und lernte meine Mutter kennen. Sie ist hier geboren und aufgewachsen."

Irgendwas Verächtliches war in seiner Stimme zu hören, wenn er über seinen Vater sprach. Bei seiner Mutter wurde seine Stimme wieder sanfter.

"Das erklärt den Nachnamen. Negro. Klingt irgendwie schön."

Er pfiff durch die Zähne. "War das gerade ein Kompliment von Elina Parker?"

"Nein. Das war eine Feststellung.", verteidigte ich mich sofort und verfluchte mich gleichzeitig dafür, dass ich wieder einmal etwas total Unüberlegtes gesagt hatte. Wann würde Caleb endlich da sein?!

"Du hast recht. Du bist tatsächlich nicht die meisten Mädchen. Die sind alle nicht so stur und dickköpfig. Und ihre Zunge ist nicht so scharf wie eine Distel."

Zerschmettert Where stories live. Discover now