Kapitel 13

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"Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte."

Atemlos stütze Caleb sich mit einer Hand an der Wand ab und schnappte japsend nach Luft.

Er sah zu mir. "Aber ich stand im Stau.", stieß er schließlich hervor.

"Und dann bist du den ganzen Weg gerannt?", scherzte ich, obwohl mir definitiv nicht zum Scherzen zumute war.

Mum war vor etwa einer halben Stunde ins Krankenhaus gestürzt, nachdem ich sie darüber informiert hatte, dass Zayn hier war, und hatte mich zuerst gar nicht bemerkt, bis ich sie angetippt hatte. Jetzt saßen wir vor dem Zimmer, in dem mein Bruder war, und warteten auf die Ergebnisse. Auf die Ergebnisse, die scheinbar nichts von uns wissen wollten. Oder uns extra lange zappeln lassen wollten. Beziehungsweise wenn, dann wären es wohl die Ärzte... - und nicht die Ergebnisse...

"Wir kriegen das schon irgendwie hin.", hallte die Stimme des Sanitäters in meinem Kopf wider.

Das hoffe ich für euch. Sonst mache ich jedem Einzelnen hier die Hölle heiß!

"Fast. Ich habe irgendwo dort hinten beim Supermarkt geparkt, weil ich mit dem Auto noch länger hierher gebraucht hätte, weil es irgendwo vorne an der Kreuzung einen Unfall gegeben hat. Und den Rest bin ich dann gerannt. Wie geht es ihm?"

"Ich weiß es nicht...", flüsterte ich leise und unterdrückte die Tränen dieses Mal mit vollstem Erfolg. Nicht so wie im Krankenwagen. Oder als ich mit Negro gesprochen hatte - beziehungsweise ihn angeschrien und wie ein Tier angefaucht hatte. Was er im Übrigen verdient hatte. Voll und ganz verdient.

"Es wird alles gut, Eli." erwiderte er, nahm mich in den Arm und umarmte mich ganz fest.

Ich vergrub den Kopf an seiner Schulter und jetzt flossen mir doch leise Tränen über die Wangen und durchnässten seinen grauen - und ausgesprochen weichen - Pullover. Was war das für ein Stoff? Ich brauchte ganz dringend auch so einen Pulli für die faulen Tage, an denen ich den ganzen lieben Tag nur im Bett lag und kitschige Liebesromane oder Fantasy las - oder mit Zayn einen Herr der Ringe Marathon machte.

Caleb löste die Umarmung sanft, dann lächelte er, während er fragend auf meine Mutter deutete, die auf einem dieser blauen Plastikstühle saß und wie hypnotisiert auf den Boden starrte. Ihr Blick war schon die ganze Zeit über so schrecklich leer.
Ich schüttelte den Kopf.
Sie macht sich große Sorgen oder so etwas in der Art wollte ich ihm damit sagen und ich glaube, dass er es tatsächlich verstand. Jedenfalls nickte er verständnisvoll, bevor er sich an mir vorbei drängte und meiner Mutter winkte.

"Hallo Caleb", sagte sie und versuchte sich an einem Lächeln, das sofort scheiterte. Nicht einmal ihre Mundwinkel schienen zu zucken.

Es tut mir so leid, Mum. Es ist alles meine Schuld. Ich hätte niemals zulassen dürfen, dass er auf dieses Rennen geht - und daran teilnimmt. Es tut mir so unendlich leid.

"Wie geht es dir, Irina?", fragte er und ging vor ihr in die Hocke.

Ich lächelte und vergaß für einen klitzekleinen und sehr kurzen Augenblick, was mich zuvor noch beschäftigt hatte. Caleb war so etwas wie unser verlorener und dann wiedergefundener Bruder. Er gehörte quasi zur Familie. Nahezu immer hing er bei uns im Haus rum. Zuerst nur bei Zayn, mittlerweile allerdings auch bei mir. Die Jungs ließen mich nur in Frieden, wenn Lydia bei mir war - aber auch da nie wirklich richtig.

Mum zuckte mit den Schultern und deutete dann auf die verschlossene Tür, vor der wir bereits eine geschlagene Stunde warteten.

Ich trete diese Tür gleich ein, wenn in den nächsten Minuten niemand mit den Ergebnissen zu uns kommt, dachte ich. Ich schwöre es.

Zerschmettert Where stories live. Discover now