Kapitel 22

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Und dann saßen wir wieder schweigend da. Nur dass es dieses Mal kein unangenehmes Schweigen war. Ich kann es nicht erklären, aber es war irgendwie anders. Vorallem die Art, wie mein Körper auf seine Nähe reagierte schien für mich plötzlich nicht mehr allzu lächerlich zu sein, obwohl es das vielleicht hätte sein sollen. Denn er hielt mich immer noch fest, obwohl mir eigentlich gar nicht mehr kalt war. Aber das wollte ich ihm nicht sagen. Wieso auch immer. Ich fühlte mich sicher... und geborgen? Ich weiß nicht so recht, ob das das richtige Wort dafür ist... Seine Hand rieb immer noch über meinen Arm, sein kurzes Haar kitzelte immer noch meine Wange, sein Atem war immer noch warm an meinem Hals. Und das alles - es ließ mein Herz höher schlagen, obwohl ich das niemals erwartet hätte. Nicht bei diesem Typen. Nicht bei Aidan Negro. Ich hatte irgendwann beschlossen, ihm aus dem Weg zu gehen. Und dann hatte ich nach Zayns Unfall beschlossen, ihn zu hassen. Jetzt gerade - in diesem Moment - hielt ich mich an keinen meiner Beschlüsse. Ich handelte völlig gegen meine Prinzipien. Völlig gegen mein eigenes Selbst. Und es war seine Schuld. Irgendwie. Seine Nähe brachte mich dazu. Sein ruhiger Atem an meiner Halsbeuge, das Kribbeln in meinem Körper - ausgelöst durch seine Berührungen. Er sollte zur Hölle fahren. Das wäre das Beste für alle Beteiligten gewesen. Vielleicht.

"Und...", durchbrach ich nach einiger Zeit diese Stille, die sich wie ein dünnes Tuch über uns gelegt hatte, "wieso hast du mir das nicht früher gesagt?"

Er schnippte mit den Fingern gegen meine Stirn. "Dummkopf.", sagte er. "Du hättest mir nicht geglaubt."

Ich lächelte. "Was lässt dich glauben, dass ich es jetzt tue?"

Kurz schien er über meine Antwort überrascht zu sein, dann wirkte er wieder locker und lässig wie immer. "Außerdem hast du mir nicht zugehört, als ich versucht habe, es dir zu erklären." Seine Stimme hörte sich ein wenig spöttisch an, aber nicht wirklich im schlechten Sinne.

"Du hast es mir sehr schwer gemacht, dir zuzuhören."

"Ich wollte ganz normal mit dir darüber sprechen! Und du hast jedes Mal abgeblockt. Und jetzt sag nicht, dass es nicht so war. Denn so war es."

Arschloch, dachte ich. Das hat sich nicht verändert.

"Ich würde gerne mal wissen wie du an meiner Stelle reagieren würdest.", entgegnete ich also, während ich dem Schlag seines Herzens lauschte. Es schlug regelmäßig und beruhigte mich, ließ mich den Sturm, der draußen tobte, ein wenig vergessen, verdrängte ihn.

"Ich?" Aidan lachte und seine Brust hob und senkte sich schnell dabei. Sein tiefes Lachen vibrierte durch seinen Körper. "Ich hätte versucht mit dir zu reden, als wärst du ein normaler Mensch, Elina. Und nicht irgendein Verrückter, den du am liebsten in die Klapse stecken würdest, weil dir nicht gefallen hat, wie er deine Zukunft vorausgesagt hat."

Wo nahm er bloß immer diese merkwürdigen Vergleiche her? Da musste man doch auch mal im Leben darauf kommen... Aber irgendwie auch amüsant.

Ich rollte mit den Augen und legte den Kopf einfach in seinen Schoß. "Ja natürlich"
"Haben Sie sonst noch etwas hinzuzufügen, Señorita Parker?"

"Ja, das habe ich, Señor. Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zelle. Merken Sie sich das gut für Ihren Vortrag, ja?"

Und dann prustete er los - und ich mit ihm. Mir wurde bewusst, dass das wahrscheinlich das erste Mal war, dass ich ihn lachen hörte. Dass ich ihn richtig - befreit und aus vollstem Herzen - lachen hörte. Denn sonst kannte man Aidan - alias Voldemort - in der Schule entweder als emotionsloses Wrack und Herzensbrecher oder aber als Frauenheld und arroganten Trottel, der so viel Selbstbewusstsein hatte, dass die ganze Schule darin baden könnte.

Zerschmettert Where stories live. Discover now