Tipps: Leset und lernet: Herrscherhöfe, Adelstitel, Macht und Politik 1.2/4

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ADEL VERPFLICHTET – auch zur Tradition:
Ich mag Geschichten, wo der Titel und Ränge aus diesen alten Zeiten eine Rolle spielen, weil Könige noch wirkliche Macht hatten oder Leute mit solcher an ihrer Seite. Die alten Verfilmungen von „Sissi" mit Romy Schneider oder „Angelique" mit Michelle Mercier sind wunderschön anzuhören und anzusehen. „Game of Thrones" und „The Tudors" waren zu Beginn auch wirklich interessant, die Kämpfe um Königsgunst und Thron, die Finten und Intrigen, die Kostüme, die Sprache, manchmal sogar der Wortwitz... es waren teilweise krasse Märchen auf Zelluloid. Ja, sie sind nicht immer historisch korrekt – aber es funktioniert, weil es in sich logisch ist. Bedanken wir uns also beim Worldbuilding, das ich im vorherigen Kapitel angerissen habe.

Aber ich bleibe nicht nur in Europa, auch z.B. chinesische Serien wie „Princess Weiyoung" oder „Empresses in the Palace" sind nicht ganz frei von Makeln... aber zumindest sind Adelstitel dort noch etwas „wert" und nicht nur ein Spitzname. Auch wenn Asiaten das mit dem Ansehen einer Familie manchmal übertreiben, Menschen auf deren Abstammung zu reduzieren (und das „Schicksal" nennen) oder wie sie miteinander umgehen, wenn sie erwarten, dass in einem Diener scheinbar "genetisch" veranlagt ist, sein GANZES Leben für seinen Herrn / Herrin zu opfern T.T
(Ja, America Singer, das GANZE Leben bis zum Tod, nicht nur ein paar Jahre Geschwisterhüten und Tischdecken.)

Ich bin keine Expertin für Adel, denn es gibt Leute, die diesen Aspekt der Geschichte richtig studiert – und nicht nur einen Aufsatz darüber geschrieben haben, damit sie sich "Doktor" nennen dürfen. Die wissen, wer mit wem welches Verhältnis hatte, in welcher Verbindung stand, aus welcher Familie kam, wann und ob die mal von geschichtlicher Bedeutung war und wenn ja, was die gemacht haben. Das sind Menschen, die ganze Steckbriefe auswendig können oder herausfinden, dass der Inzest-Stammbaum der Habsburger einen Kreis bildet... das war beim Rosenkrieg (22. Mai 1455 - 16. Juni 1487) in der York-Linie ähnlich. (Der Typ kam glücklicherweise nicht auf den Thron und das verdankt England... einer klugen Frau.)

Aber ich kratze nur an der Oberfläche, denn es gibt schon im sogenannten Hofprotokoll – also der Etikette, WIE man sich WEM gegenüber zu verhalten hat – Unterschiede von Land zu Land und von Zeitalter zu Zeitalter.

Ja, nicht nur im Namen der Adelsränge. Das französische Protokoll war weit verbreitet, weil der Rest von Europa sich viel vom französischen savoir vivre abkuckte; das spanische Protokoll galt als das strengste und das englische nannte Lady Diana Spencer antiquiert. Konfuzius soll mal gesagt haben, das Protokoll gäbe Leuten, die nicht arbeiten müssen, etwas zu tun. Er erhebt es zur „Tradition", denn Traditionen würden JEDEM seinen Platz in der Gesellschaft zuweisen. Das gäbe Menschen Sicherheit, weil jeder wüsste, was er zu tun hat, was er darf und was nicht...

Es wird kompliziert, nicht wahr? Adelige wachsen nicht nur mit sowas auf, sie wachsen HINEIN. Das beeinflusst das gesamte Verhalten dieser Personen, ihr Denken und all ihre Ansichten. Die Möglichkeiten also, die dieser Charakter zum Handeln hat. Aber auch, wie Nebenfiguren und Love Interests über diese Figuren denken.

Deswegen bin ich auch nicht unbedingt dafür, einen langen Namen wie... Isabella Rosamunde Lilianna von Meinegütebinichtoll... (genannt „Rose", „Lilly", „Bella" oder wie auch immer) abzukürzen, denn für mich klingt das oft, als würde man seinen Hund rufen. Schon eine hochwohlgeborene „Ich bin wer" falsch, unangemessen, unaufgefordert oder vertraulich anzusprechen macht Probleme, denn dort gilt es zuallererst mal als grobe Respektlosigkeit. Und das kann nicht nur bei „Alice im Wunderland" den Kopf kosten. (Übrigens kein Kinderbuch, sondern knallharte Satire.) Oder den eurer gesamten Familie, wenn der Herrscher es wünscht.
Ja, man erschafft damit Nähe, eine freundschaftliche Verbindung zwischen Figur und Leser... aber das geht auch anders, als im Erzähltext immer wieder zu betonen, wie kindlich Prinzessin Everleigh „Evie" doch noch ist. (Der Name dieser Figur ist das Schönste und Beste an der gesamten Buchreihe.)

Aber nicht nur Adelshöfe haben Traditionen und Protokolle, man findet sie auch im „bürgerlichen Milieu", wie es so schön heißt. Zu diesem gehört ihr und ich, liebe Leser. Sei es nun, dass man:
- zur Einweihungsparty der neuen Wohnung Brot und Salz mitbringt,
- zum Geburtstag etwas schenkt,
- die Braut zur Hochzeit etwas bestimmtes trägt,
- die Reihenfolge der Vertraulichkeiten beim Daten oder
- wenn Omi sagt, die Frau macht den Haushalt, und der Mann verdient das Geld,
- dass man dem Chef im Büro die Tür nicht vor der Nase zuschlägt...

Traditionen und Protokoll sind überall und ihr werdet IMMER Leute um euch haben, die euch deswegen im Auge haben werden. Egal, was ihr davon haltet. Die euch beobachten, bewerten und beurteilen, ob ihr gemäß dieser Traditionen und Protokolle lebt. Schon mal von Eltern, Verwandten, Nachbarn, Lehrern, Kollegen und Chefs gehört? Oder von Fans?

Bei Adeligen nennt man diese Beobachter „Volk" und „Hofstaat". Das ist übrigens nicht nur eine Armee an anderen Adeligen, auch Diener, Diplomaten und Minister gehören dazu. JEDER, der "am Hof" oder "bei Hofe" lebte, gehört zu Hofstaat. Und für den gelten Regeln.

Schlefix... Nicht noch so ein blödes Failbuch!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt