138. Zurückkämpfen!

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Noch immer saß unser Feind auf seinem Baumstamm und starrte in das Buch, welches er in den Händen hielt. Noch immer gab er sich regungslos, als wir bereits auf ihn zugingen.

Meine Hände schwitzten. Auch wenn sich dieser Affenarsch so ruhig gab, konnte ich an seiner Körperspannung sehen, dass er bereit war. Bereit dafür zu reagieren, uns vielleicht anzugreifen oder einen Fluchtversuch zu starten. Ich wusste es nicht, doch auch wenn er in dieser Situation eigentlich keinen Ausweg finden könnte, stellte er noch immer eine Gefahr dar.

„Genießt du die Lektüre?" ,fragte Levi, als wir vor ihm standen. Sieg sah kurz auf. Er musterte uns und zischte dann:
„Und wie? Dafür das ich es schon siebenmal gelesen habe. Das Gespräch mit deiner Geliebten war beim Lesen übrigens kaum auszuhalten..."

Sein Blick wanderte zu mir. Wie von selbst verschränkte ich die Arme, so als wollte ich mich verstecken. Warum war mir das Ganze plötzlich so unangenehm?

„Und hast du dir beim Lauschen einen runtergeholt?" ,zischte Levi. Die Luft knisterte schon jetzt um ihn herum. Sein Hass quillte aus ihm heraus – aus seinen Augen, von seinen Lippen und auch durch seine Hände, die er zu Fäusten ballte. Ich starrte zu ihm herüber, sah wie sein ganzer Körper darauf wartete, sein Gegenüber in Stücke reißen zu dürfen. Ihn endlich zu zerstören, so wie er es sich die ganze Zeit schon vorgenommen hatte. Und so wie sein Versprechen gegenüber seinem alten Kommandanten lautete. Dieses eine Versprechen, was er unbedingt erfüllen musste.

„-dN-, wir sollten noch einiges vorbereiten!" ,meinte Levi nun zu mir. Ich nickte.
„Beweg dich nicht weg, Affenarsch!" ,verabschiedete ich mich von unserem Gefangenen, um Levi zu folgen und ihn dabei zu fragen: „Was gibt es denn noch?"
Auch mir konnte ein Ende dieses Titanenwandlers nicht schnell genug kommen. Sein Tod war eine Lösung, die uns Zeit verschaffen und uns einer dieser vielen Gefahren vom Hals abschaffen konnte. Mehr zählte für mich nicht.

Doch es sollte nicht so kommen, wie ich es mir wünschte. Ein lauter Schrei unterbrach Levi und mich. Ein Schrei, der die Erde, die Luft und die Bäume zum Beben brachte. Ich starrte zu Levi und er sah zu mir. Seine Augen weit aufgerissen, stellten sie mir die Frage, die mir selbst gerade durch den Kopf rannte.

Was passierte hier?

Doch es war keine Erklärung mehr nötig, denn das Schicksal zeigte uns bereits die Grausamkeit, die nun nach uns griff. All unsere Kameraden begannen zu leuchten. Es war ein Feuerwerk aus Fleisch und Blut, welches um uns herum begann. Ein Schauspiel des Lichts, aus dem Titanen in all ihren Formen und Eigenarten hervorgingen. Es regnete Monster auf uns herab. Monster, die einmal Soldaten des Aufklärungstrupps waren. Monster, die vielleicht sogar unsere Freunde geworden wären, doch in diesem Moment war alles anders. Sie wurden unsere Feinde – gewissenlose Wesen, die nach unserem Leben trachten würden.

Mein ganzer Körper zuckte.
„-dN-, auf die Bäume!" ,schrie Levi mir zu. Er katapultierte sich empor, wich bereits einem ersten Titanen aus und gewann immer mehr an Höhe. Doch sie folgten ihm, sprangen selbst auf die Äste, so als wären sie noch kraftvoller oder agiler als jene Titanen, die wir sonst bekämpft hatten. Ich schluckte schwerfällig, als ich an meiner Rechten das erste Monster mit weit geöffnetem Mund entdeckte. Es sprang mir auf allen Vieren entgegen, ließ mich seinen Mundgeruch erahnen und offenbarte mir seinen Schlund.

„Das war Siegs Werk..." ,seufzte ich, als ich meinen Dolch und ein Schwert zog. Ich schoss meinen Haken an einen der vielen Äste und schwang mich hinauf – ausweichend drehte ich mich, um auf den Titan hinunterzublicken. Sein Nacken zeigte sich in seiner vollen Pracht. Weder von Haar noch von Hautfalten bedeckt lud er förmlich dazu ein, diese Schwachstelle anzugreifen.

Und ich tat es.

Mein zweiter Haken setzte sich in seinen Kopf fest. Ich landete auf ihm und stach zu. Zweimal schwang ich mit meiner Rechten das Schwert, um die gewohnten Risse zu platzieren. Zweimal zischte es, bis der Körper dieses Wesens erschlaffte. Dieser Leib, der irgendwie noch einem unserer Kameraden gehörte, in welchem sein Geist vielleicht irgendwo versteckt war und nur darauf wartete befreit zu werden. Doch er war doch schon längst verloren.

Es blieb mir keine Zeit. Keine Zeit drüber nachzudenken, es zu bereuen oder gar zu trauern. Um mich herum war das reine Chaos. Immer mehr Titanen wurden auf mich aufmerksam, nachdem sie Levi aus den Augen verloren hatten. So sehr es auch schmerzte, er würde dort oben ebenfalls mit dem Abschlachten beginnen – sich schnell und wendig auf seine Gegner niederlassen und einem nach dem anderen ein Ende bereiten, so als sei es die Erlösung.

Ich schoss meinen Haken in die Bäume hinauf und flog empor. Hände griffen nach mir – große Pranken, die mich zerquetschen wollten. Ein Schauer lief über meinen Rücken, als ich bereits einen Finger vor mir entdeckte und ihn zerteilte. Das warme Blut spritzte in mein Gesicht. Ich kniff die Augen zu – nur ganz kurz – und dennoch war er plötzlich da. Dieser große Mund, der sich vor mir auftürmte. Wie schnell war dieser Titan gewesen?

Meine Augen rissen auf. Die Umgebung abtastend, suchten sie nach einem Ausweg. Doch da war keiner. Kein Baum, kein Ast, noch nicht mal der Boden war für mich erreichbar. Ich war umzingelt von diesen Riesen, die mich fressen wollten. Mich wahrscheinlich in ihrer Gier nach Fleisch feierlich zerreißen würden, sodass ein jeder einen Teil von mir genießen könnte.

Meine Lippen pressten sich zusammen. Ich sah es schon vor mir – dieses Ende, was sich nun ankündigte. Vollkommen umsonst würde ich hier sterben. Noch nicht einmal heroisch sondern einfach nur als Opfer von Siegs Plan. Ich biss die Zähne zusammen, während ich plötzlich sie vor mich sah: Kuchel. Was würdest du darüber denken, wenn dein Vater dir sagen würde, dass deine Mutter von einem Titan gefressen wurde? Würdest du mich als die Frau in Erinnerung halten, die ich einmal gewesen war? Oder würdest du mich als Opfer sehen - als schwaches Geschöpf in einer Welt voller Grausamkeiten? Was würde das mit dir machen?

Ich wollte das nicht. Alles, aber nicht das.
„So sterbe ich nicht!" ,schrie ich meine plötzliche Wut heraus. Ich blickte auf diese Zähne, die mich zu zermalmen versuchten, sprang in diesen Mund, der mich lutschen wollte, beschleunigte sogar, nur um meinen Dolch bereits vor mir zu platzieren. Mit all der Kraft, die ich hatte. Mit all dem Können, was ich besaß, schwang ich ihn von unten nach oben, riss damit den unteren Hinterkopf des Titanes auf und schoss hindurch.

Nass vom Blut und der Spucke des Monsters klatschte ich gegen den Baum – mein eigentliches Ziel – und hinterließ einen Abdruck. Doch ich klammerte mich fest und sah zurück. Der Titan war nicht besiegt. Er drehte sich um, starrte mich kurz an, um dann einen weiteren Angriff zu beginnen.
„Verdammt..." ,flüsterte ich mir selbst zu, als ich auch noch links von mir ein weiteres Monster entdeckte. Es waren einfach zu viele. Ein Ausweichen war kaum mehr möglich und dennoch – die Hoffnung war nicht verloren, denn ich spürte die Luft vibrieren. Levi war bereits in der Nähe – bereits zu mir durchgedrungen. Wie viele hatte er wohl hinter sich gelassen, um sich bis hierher durchzukämpfen?

Ich wusste es nicht. Doch als ich ihn an den angreifenden Titanen vorbeifliegen sah, als sein Schatten dem Monster sein Ende brachte, erinnerte ich mich daran, wie ich ihn das erste Mal gesehen hatte. Wie er auch damals plötzlich aufgetaucht war, die Schwerter bereits in den Händen, sein Haar verspielt ins Gesicht fallend, so als sei es ihm ein Leichtes diese Wesen zur Strecke zu bringen.

Ich hatte ihn damals erblickt - selbst mitten im Kampf um Leben und Tod vertieft. Ihn vielleicht sogar angestarrt, hatten mich seine Körperbeherrschung und seine Kampftechnik doch sofort berührt. Ich konnte noch nicht einmal jetzt – nach über vier Jahren – genau sagen, warum es so gewesen war. Doch es war in diesem Augenblick nicht anders. Es berührte auch jetzt mein Herz und meinen Leib, gab mir Zuversicht und vielleicht auch das Gefühl, irgendwie mithalten zu können, wenn ich nur wollte. Es ließ meinen Puls ansteigen, meine Muskeln spannen, als würde ich plötzlich aus einem Halbschlaf erwachen, nur um mich in die nächste Gefahr zu locken.

Ich drehte mich nach links, sah dem nächsten Maul entgegen, während ich mich vom Baumstamm abdrückte. Der Titan schoss an mir vorbei. Reaktionslahm wie er war, präsentierte er mir nun seinen Nacken. Ein weiterer Haken, ein weiteres Schwingen meines Schwertes und auch er ging zu Boden. Sein Dampfen ließ diesen typischen Nebel um mich herum aufsteigen. Der Wald wurde langsam von ihm erfüllt. Immer dichter und stickiger wurde es – immer dunkler und unübersichtlicher. Ich hielt mir den Arm vors Gesicht, nachdem ich mich auf einen Ast geschwungen hatte und spürte die Beben. Ein jedes zeigte mir, dass ein weiterer Gegner zu Boden ging.

„Wie viele sind noch übrig?" ,schrie ich zu Levi, der nun an mir vorbeiflog und sich ebenfalls umsah.
„Es müsste noch einer sein..." ,zischte er, um daraufhin bei mir zu landen. Seine Augen wirkten leer. Voller Hass und doch konnte ich kaum mehr erahnen, ob überhaupt noch irgendwelche Gefühle in ihm sein konnten. Ich musterte sein Gesicht, welches wie meines blutverschmiert war und seufzte:
„Los, hol dir Sieg! Den schaffe ich schon allein..." ,meinte ich, als ich ein leichtes Zittern des Astes spürte. Dieser Gegner – ein recht kleiner Titan – versuchte bereits seine Mahlzeit vom Baum zu holen. Er ersparte mir das Suchen. Wie nett von ihm.

Levi nickte. Seine Hand griff kurz nach meinem Kopf, wuschelte mir durchs Haar, so als wollte er sich verabschieden. Doch dann sprang er los. Er wartete keinen einzigen Moment mehr, denn in seinem Kopf verlangte wahrscheinlich alles nach diesem Opfer: Sieg – er war immerhin der gewesen, der uns Erwin genommen hatte. Der Titan, der ihm seinen Kommandanten entrissen hatte – einen guten Freund und ein Weggefährte, den Levi immer in seinem Herzen tragen würde. Immerhin war dieser Mann irgendwie sein Schicksal gewesen. Auch wenn ich es selbst nie nachvollziehen konnte, ich hatte es ihm immer angesehen.

Ich ließ mich vom Ast fallen. Die Zeit war gekommen, auch diesen letzten Titan auszulöschen. Wie zu erwarten, sprang er mir unbedacht entgegen. Wie von mir geplant, konnte ich durch einen klug gesetzten Haken meinen Fall abändern, um ihm direkt am Nacken vorbeizufliegen. Ich schwang mein Schwert und nutzte meinen Dolch, um seinen Nacken aufzureißen. In meiner linken Hand schmerzte es. Mein kleiner Finger knickte fast vollkommen um. Schmerzverzehrt biss ich meine Zähne zusammen und landete wie der schlaffe Körper meines Opfers auf den Boden.

„Ah..." ,stöhnte ich leise, während ich meine Waffen zurücksteckte, um meinen verletzten Finger abzutasten. „Diese Scheiße..."
Er war wahrscheinlich verzerrt. Nichts Schlimmes, doch es zeigte mir einmal wieder, dass ich mich nur noch auf meine rechte Hand verlassen konnte. Mit zwei Klingen zu kämpfen, war mir kaum mehr möglich. Eine Tatsache, die ich nicht akzeptieren wollte, jedoch irgendwann musste. Irgendwann, wenn auch dieser Finger komplett zertrümmert wäre.

Eilig griff ich nach meiner Zigarillopackung, wobei ich in den Wald hineinlauschte. Eine Art Schockwelle brachte die Umgebung zum Schwingen. Levi musste bereits auf Sieg getroffen sein, doch ich zündete mir in Ruhe meine letzte Stange an. Er würde ihn besiegen – ohne Probleme. Das wusste ich. Er würde ihn in Stücke reißen, ihn zerstören und all seine Wut freilassen. Dieser Moment gehörte ihm allein. Dieser Augenblick war seine Rache. Er würde mich dabei weder brauchen noch gehörte ich dorthin. Also wollte ich warten, bis er zu mir zurückkehrte. Bis er sich beruhigt hatte und ich ihn nochmals in meine Arme schließen konnte. Das war alles, was ich gerade wollte. Das und diese letzte Zigarillo, die mich langsam mit ihrem Duft einhüllte. Sie machte den Nebel um mich herum ertragbar.

Doch die Ruhe, die ich nun genoss, während ich den Titanen beim Dahinschwinden zusah, dauerte nicht lange an. Ich vernahm ein lautes Wiehern – eher ein Schreien oder Stöhnen, welches aus einer Richtung kam, die mir bekannt war.
„Oh nein..." ,seufzte ich, während ich dem Laut folgte. Und ich musste sie entdecken: Wolke – sie lag mit ihren Beinen unter einem Titan begraben, stöhnte panisch und versuchte sich energisch aufzuraffen. Doch es ging nicht. Das Vieh war zu schwer und ihr Körper wahrscheinlich zu schwach. Mehr noch – so wie sie dort lag. So wie ihre Beine unter dem Wesen geklemmt lagen, waren sie sicherlich gebrochen, wenn nicht sogar zertrümmert.

Ich ging auf sie zu und strich ihr durch ihre Mähne. Es dauerte etwas, doch sie schien sich ein wenig zu entspannen, auch wenn ihre Augen immer noch voller Angst waren.

„Ach Wolke..."

Meine Finger ertasteten ihre Nüstern, fuhren ihr über die Augen und an den Ohren entlang, nur um noch einen Moment mit ihr verbringen zu können, so egoistisch es auch von mir war. Doch mein Pferd war verloren. Diese Wunden, die sie nun ersucht hatten, würden nicht mehr heilen können. Meine Stute würde hier qualvoll verenden, würde immer wieder versuchen aufzustehen, um daran kläglich zu scheitern und es selbst nicht verstehen. Doch ich konnte dem Tod zuvorkommen. Ich konnte sie erlösen und ihr damit den Frieden schenken. Endlich, denn auch sie hatte ihn sich verdient.

Ich zog ein letztes Mal an meiner Zigarillo, um sie im trockenen Sandboden auszudrücken. Fast schon entspannt und ein wenig vernebelt, holte ich meine Maschinenpistole hervor und lag sie an Wolkes Stirn an. Sie schaute vertraut in meine Augen, so als wusste sie, dass ich ihr helfen würde. So als dachte sie, ich würde sie heilen können, doch die schnell aufeinanderfolgenden Knalle, die durch den Wald schallten, brachten ihr nur eines: Das Ende. Ihr Körper zuckte kurz. Das Licht ihrer Augen entglitt ihr. Es wurde still um uns herum. Ein Schwall aus Blut und einer wässrigen Flüssigkeit färbte ihre weiße Mähne rosarot. Fast schon verträumt beobachtete ich es, während ich tief durchatmete.

Auch sie war nun nicht mehr. Meine treue Stute, die mich über Jahre begleitet hatte. Dieses wundervolle Pferd, welches mir so manchen schweren Weg erleichtert hatte. Sie war für mich wie eine Kameradin gewesen, stand wie eine Freundin immer an meiner Seite und hörte mir sogar zu, auch wenn es vielleicht für die ein oder andere Möhre war, die ich dabei in sie hineingestopft hatte. Doch unsere Zeit war nun vorbei. Ein letztes Mal strich ich durch die nun verklebte Mähne. Ich schloss ihre Augen, so wie ich es für einen Menschen tun würde und ließ sie fortgehen, in der Hoffnung, dass auch sie das Recht hatte, nun zu einem besseren Ort zu kommen.
„Leb wohl, Wolke" ,flüsterte ich und stand auf.

Meine Augen musterte die Umgebung. Das Lager war fast vollkommen zerstört. Eilig begann ich noch heile Dinge zusammenzusuchen: Ein paar Vorräte wie Wasser und ein wenig Brot gehörte genauso dazu wie einige heile Klingen. Auch einen intakten Karren konnte ich ausfindig machen, welchen ich mit den Überbleibseln belud. Ich wusste nicht, wann Levi zurückkehren würde, aber für mich stand fest, dass wir so schnell wie möglich zu Hanji zurückkehren müssten. Wir mussten Bericht erstatten, unsere großen Verluste melden und irgendwie einen neuen Plan aushecken oder auf die Ideen Pixies zurückgreifen – alles war besser als in diesem Wald auf Eren zu warten.

„Die Bartfratze stinkt wie ein Stück Scheiße..." ,hörte ich Levi plötzlich sagen. Ich sah mich um, während ich einen kleinen Sack Nahrung auf den Karren warf.
Levi kam mit langsamen Schritten auf mich zu. Er zog die Überreste unseres Gegners hinter sich her, die ihren Weg durch eine Blutspur markierten. Interessiert musterte ich die Beiden. Im Gegensatz zu meinem Gefährten wirkte Sieg vollkommen zermürbt. Er hatte Beine sowie Arme verloren, wirkte nur noch wie ein Haufen Fleisch und stöhnte leise vor sich hin. Wie ich erahnt hatte, musste der Kampf nicht lange gedauert haben.

„Haben wir noch irgendwelche Pferde?" fragte Levi, als er vor mir stehen blieb. Seine Augen wirkten müde und dennoch zielstrebig. Er hatte bereits irgendeinen Plan vorzugehen, doch statt zu fragen, nickte ich nur.
„Zwei sind noch über... Die anderen sind alle fortgerannt oder zertrampelt..." ,berichtete ich, wobei ich in Wolkes Richtung sah, als wollte ich ein weiteres Mal prüfen, ob ihr Verlust wirklich der Wahrheit entsprach.

„Deine Stute ist auch gestorben?"
Er folgte meinem Blick, nachdem er Sieg ebenfalls auf den Karen verfrachtet hatte. In diesem Zustand wäre er zunächst keine Gefahr, konnte er sich doch weder bewegen noch verwandeln.
Ich nickte, als mich bereits seine Hände packten und an sich heranzog. Der Duft von Sandelholz und Blut klebte an ihm, doch mehr noch als dieser Geruch fiel mir seine Wärme auf. Sein Körper war unglaublich erhitzt, wirkte dabei fast schon fiebrig, als würde es in ihm lodern.
„Du bist so warm..." ,beschwerte ich mich, wobei ich seine Lippen suchte, um ihn zu schmecken. Auch sie brannten auf meinen. Auch seine Zunge wärmte mich auf, bis er sein Gesicht angeekelt wegdrehte.
„Hast du wieder geraucht?" ,zischte er.
„Es war eh die Letzte... Auch wenn ich es echt vermissen werde..." ,gab ich zu. In letzter Zeit hatte es mir einige schwere Momente versüßt. Mich hin und wieder beruhigt, wenn ich es selbst nicht konnte. Ich wusste, dass dies nicht gerade gut für mich war, doch irgendwann war es mir fast schon egal gewesen.

„Du solltest damit aufhören..." ,flüsterte Levi nur. Er musterte mein Gesicht, suchte nach meiner Reaktion zu dieser Forderung, bis er mit seinen Fingern an meinen Wangen entlangstrich. Wieder war da dieser Blick, so als wolle er mich etwas fragen. Wieder schwieg er und wartete nur ab. Diese Unsicherheit mit gegenüber – sie würde nicht sofort erloschen. Genauso wie ich musste er sich in dieser Beziehung neuorientieren, um einen gemeinsamen Weg zu finden. Genauso wie ich wusste er, dass nicht alles wie sofort wie früher sein könnte, denn ein Zurück gab es nicht. Es gab nur ein Voran.

„Würdest du mich trotzdem noch einmal küssen?" ,fragte ich, obwohl ich es lieber als Bitte formuliert hätte, vielleicht auch als Aufforderung, denn ich wollte es unbedingt. Er zögerte kurz, doch auch er konnte dieses Verlangen nicht unterdrücken, so unangenehm ich wahrscheinlich auch schmeckte, die Lust war schon viel zu groß. Auch wenn es nur Küsse waren, die wir am Karren gelehnt teilten. Auch wenn unsere Zungen nur den Mund des anderen erkunden konnten. Der lange Verzicht auf den anderen und der Druck in uns, ließ uns in Flammen aufgehen. Wir vergaßen das, was um uns herum war. Stöhnten ineinander, so als würden wir den Verstand verlieren, nur um nach immer mehr zu verlangen. Seine Hand an meinem Schoss und mein Bein, welches immer wilder an ihm entlangrieb, waren nur ein Teil davon. Es war die Sehnsucht, sich vereinen zu wollen, der wir nicht nachgaben und dennoch etwas entgegenkamen, bis ich aufstöhnend seufzte, während ich meinen Kopf an seinen Hals legte.

Ich biss mir auf die Lippe, griff bereits nach seiner Hose, aber er hielt mich auf.
„Im Gegensatz zu dir, kann ich warten, -dN-„ ,meinte er, um daraufhin kurz zu lächeln. Nur für einen Augenblick, doch es ließ mein Herz kribbeln.
„Du bist gemein..." ,seufzte ich, als er bereits auf den Karen stieg und sich umsah. Er sah zu mir herunter, beruhigt und doch wieder zurück in der Situation, in der wir uns befanden und die ich am liebsten noch länger verdrängt hätte, auch wenn ich wusste, dass sie uns einholen würde.

„Kannst du die Pferde holen? Ich bereite unsere Bratfratze vor" ,sagte Levi mit einem genervten Unterton.
„Was hast du vor?" ,stellte ich die Gegenfrage. Levi sah mich verwundert an. Er dachte wohl, dass ich ihm blind vertrauen würde, doch ich wollte wenigstens wissen, was genau unser Plan war, bevor ich mitanpackte. Immerhin waren wir die beiden Einzigen, die übrig waren. Wir mussten auf dem gleichen Wissensstand sein.

„Ich werde an ihm einen Donnerpfeil anbringen. Der Arsch braucht nur eine falsche Bewegung zu machen, um sein Ende einzuleiten. Das wird uns eine ruhige Fahrt verschaffen."
Ich schluckte schwerfällig. Die Begründung war verständlich, aber das mit dem Donnerpfeil gefiel mir gar nicht. Irgendwie hatte ich das Gefühl, es wäre nicht nur eine Gefahr für Sieg, denn die Explosionen der Dinger waren stark und auch der Karren damit hinüber.
„Meinst du wirklich, dass es eine gute Idee ist, Levi? Ich meine, wir können ihn abwechselnd bewachen..." ,schlug ich vor. Levi schüttelte den Kopf.

„Wenn du dich sehen könntest, wüsstest du, dass du eine Pause brauchst, -dN-. Du solltest auf der Fahrt schlafen. Wer weiß, was uns in Stohess erwartet..."
„Du brauchst keine Rücksicht auf mich zu nehmen..." ,warf ich ein, doch Levi sprang vom Wagen herunter und legte seine Hand auf meinen Kopf.
„Ich will nur, dass wir beide überleben..." ,seufzte er und ließ mich damit verstummen.

Grenzen vergessen Levi x ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt