24. Erfüllt und dennoch verloren

666 32 0
                                    

Ich nahm Anlauf und erhob mich in die Lüfte, um auf einer Baumspitze zu landen und das Schlachtfeld zu beurteilen. Es war grauenhaft. Die vorher noch grüne Ebene war von Leichen übersäht. Blut tränkte den Boden. Einige niedergestreckte Titanen qualmten, bis sie mit dem Wind fortwehen würden. Überall sah mir der Tod entgegen. Weit im Osten entdeckte ich Mikasa und Eren. Sie knieten am Boden und schienen aufgegeben zu haben. Keiner meiner Leute war bei ihnen. War das Offensivtrupp bereits ausgelöscht? Ich ließ den Kopf kurz hängen. Wieder hatte ich versagt und gleichzeitig meine Kameraden in den Tod geschickt. Ein Seufzen verließ meinen Körper. Solange ich noch lebte, musste ich weiter machen. Das war ich denjenigen schuldig, die sich geopfert hatten. Ich sprang hinunter, setzte meinen verbliebenen Haken ans Ende der Baumreihe und katapultierte mich so weit wie möglich in Richtung Erens. Doch dann sah ich Auruo. Er lebte, war jedoch am Bein verletzt und stand einem 6-Meter-Titan gegenüber. Mit dieser Einschränkung hatte er keine Chance, den Kampf zu überstehen. Ich kniff meine Augen zusammen. Wie sich Erwin entscheiden würde, wusste ich und auch was Levi aus seiner Loyalität heraus tun würde. Aber ich war anders - eine selbstsüchtige Soldatin, die nur nach ihrem Gefühl handelte. Mein Herz klopfte und ich drehte mich in der Luft, um meinen Haken dem 6-Meter-Riesen in die Stirn zu schießen. Mit hoher Geschwindigkeit zog ich mich an ihn heran und blickte in die riesigen Augen, die mich starr anblickten. "Ja, du bist mein nächstes Opfer...." dachte ich und schwang mich an ihm vorbei. Meine Klingen schnitten durch sein Fleisch und öffneten das Genick. Er fiel zu Seite und mit ihm fiel auch ich und landete vor Auruos Füßen.
"-dN-, wir haben....."
"Sag nichts, Auruo." unterbrach ich ihn und fügte hinzu: "Wo ist dein Pferd?" Er musste das Schlachtfeld verlassen. Ansonsten standen seine Chancen schlecht und das konnte und wollte ich nicht verantworten. Plötzlich spürten wir ein Beben. Die Titanen rannten auf Eren und Mikasa zu, ohne einen anderen Menschen zu beachten. Doch sie fielen nicht über die Jugendlichen her, sondern über das Monster, welches vor den Beiden stand und rissen dieses förmlich auseinander. Der Titanenwandler und seine Freundin standen daneben und sahen dieser Orgie wie der Rest unserer Truppe geschockt zu. "Was passiert da?" sagte ich leise. Eren schrie auf. Er hob seine Faust und richtete sie symbolisch gegen den gepanzerten Titan. Es geschah ein weiteres Mal. Die Titanen bewegten sich, wie gesteuert, auf ihr neues Ziel zu.
"Rückzug!" schrie wie aus heiterem Himmel ein Soldat, "das ist unsere Chance." Ich nickte Auruo zu und er rief sein Pferd, auf welches wir aufstiegen. Prüfend blickte ich zu Mikasa und Eren. Auch sie wurden von Reitern eingesammelt und machten sich wie wir auf den Weg zurück. Die Mission war erfüllt. Der Titanenwandler war gerettet und dennoch empfand ich keine Erleichterung. Dafür hatten wir einfach zu viele Kameraden verloren.
"Ihr da! Hinter der Baumgruppe liegt Smith verletzt. Sammelt ihn ein! Er müsste bei Bewusstsein sein." befahl ich zwei mir fremden Soldaten.
"Jawohl." riefen diese aus und ritten in die von mir vorgeschriebenen Richtung.
"Wo sind Jens und Basti?" fragte ich daraufhin Auruo. Dieser erklärte:
"Jens wurde stark verletzt. Bastian hat daraufhin ihn eingesammelt und sich zurückgezogen." Ich sah erschrocken auf.
"Das hätte er nicht tun dürfen..." Auruo senkte den Kopf. Als Anführerin des Offensivtrupps musste ich dieses Handeln rügen oder sogar eine Bestrafung aussprechen. "Auruo, sprich mit keinem mehr über diesen Vorfall! Ich werde ein Gespräch mit Bastian führen. Bevor ich die Gründe nicht kenne, will ich das kein anderer hiervon erfährt! Hast du mich verstanden?" meinte ich ernst. Auruo nickte und sah starr nach vorn. Am Horizont war der Schatten der Mauer erkennbar. Wir hatten es geschafft.

"Sind das etwas alle?" fragte ein Soldat, als wir vom Aufzug auf die Mauer hinübertraten. Ich nickte nur und sah mich um. Wir mussten die Hälfte unserer Soldaten in dieser Schlacht verloren haben und hatten dazu noch einen verletzten Kommandanten zu beklagen.
"Wir sollten uns alle nach Stohess begeben! Die Verletzten sollen dort versorgt werden!" rief ich. Hanji trat zu mir.
"Ich reite nach Ehrmich und sammel Levi und Pastor Nick ein. Wir treffen uns im Krankenhaus in Stohess. Du hast solange das Kommando, -dN-."
"Jawohl." meinte ich und legte meine Hand auf ihre Schulter. "Geht nicht verloren, Hanji." Die Braunhaarige nickte. Wir sahen uns in die Augen. Es war die Erkenntnis eine Verantwortung zu teilen, die keiner von uns ertragen konnte. Das Wissen, sich auf den Anderen verlassen zu können, ohne Angst empfinden zu müssen. Dieses Vertrauen hatte ich vor langer Zeit mit Lina geteilt, bis ich es hier in Paradies verlor. Doch nun schien ich es in Hanji wiedergefunden zu haben. Sie war eine wahre Kameradin. Hanji verließ unseren Trupp allein und ritt Richtung Westen, während sich die gesamte Gruppe nach Norden aufmachte. Ich ritt an der Spitze des Trupps gemeinsam mit Auruo und führte uns in die Stadt unserer Wahl.



Grenzen vergessen Levi x ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt