26. Folter

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Es vergingen drei Tage, in denen ich immer wieder Jens besuchte und mit Bastian sprach. Es stellte sich heraus, dass die beiden schon lange befreundet waren und zusammen den Untergang ihres Dorfes erlebt hatten. Sie waren durch dick und dünn gegangen, wurden Seite an Seite zu Männern und waren einander unglaublich loyal - eben wahre Kameraden. In dem entscheidenden Moment hatte Bastian nicht ertragen, dass sein Freund geopfert wird. Er konnte es nicht mit ansehen und entschied sich, ihn zu retten. Eine Entscheidung gegen Erwins Befehl und auch gegen mich. Aber eine Entscheidung aus dem Herzen heraus. Ich stand mit gesenktem Kopf an einer Wand gelehnt, als mir Bastian die Situation erklärte. Er sprach so viel wie in den letzten Wochen nicht und ich hörte geduldig zu. Nicht umsonst lautet der Ruf des Aufklärungstrupps "Opfert eure Herzen". Es ist nicht nur der Ausruf für die Opferung des eigenen Lebens. Es bedeutet zugleich, seine eigenen Gefühle hinter sich zu lassen und die Verluste der Freunde und Geliebten zu ertragen. Sich nicht den Gefühlen hinzugeben, sondern seine Pflicht zu erfüllen - das war das Ziel. Weder Basti noch ich waren demnach die richtigen Soldaten für diesen Trupp.
"Es wird unter uns bleiben, Bastian. Ich werde es nicht melden und auch nicht bestrafen. Das Einzige, was ich verlange, ist, dass du versuchst, dich mir gegenüber loyal zu verhalten. In Ordnung?" sagte ich verständnisvoll. Bastian nickte dankbar. Er war erleichtert. Auch wenn er sich für dieses Handeln entschieden hatte, erkannte ich, dass ihn die Situation belastete. Im Endeffekt hatte er sich aus vollster Überzeugung dem Aufklärungstrupp angeschlossen und wollte alles geben. Auch Jens entschuldigte sich bei einem Besuch von mir. Er hatte glücklicherweise nur einen Stoß gegen den Kopf bekommen und war daraufhin bewusstlos geworden. Wirklich fehlen tat ihm jedoch nichts, sodass er bereits das Krankenhaus nach fünf Tagen verlassen konnte. Der Offensivtrupp war somit wieder vollständig und die nächste Mission konnte beginnen.

Ich erledigte einige Besorgungen, bevor sich mein Team dem Elitetrupp in den Wäldern anschließen sollte. Darunter war Nahrung für mein Team, aber auch Kleidung und Hygieneartikel, welche ich für mich kaufte. Ich benötigte einfach frische Sachen und wollte nicht die ganze Zeit in meiner Uniform herumsitzen.
"-dN-, da bist du ja!" rief Hanji und lief zu mir. Sie sah mich mit einem geschockten Blick an. Irgendwas schien nicht zu stimmen. "Pastor Nick, er ist umgebracht worden. Levi und ich haben zwei Verdächtige festgenommen. Sie sind von der Militärpolizei. Wir halten sie versteckt gefangen." erklärte die Braunhaarige. Ich starrte sie stumm an und folgte ihren aufgeregten Schritten.
"Was habt ihr vor?" fragte ich, nachdem ich meine Gedanken kurz geordnet hatte. Sie zuckte mit den Schultern und bog mit mir in eine Seitengasse.
"Komm, vielleicht kannst du bei ihnen etwas herausfinden." sagte sie und betrat mit mir ein heruntergekommenes Fachwerkhaus.
"Was machst du noch hier?" begrüßte ich Levi, der am Tisch eine Tasse Tee trank. Es duftete nach Pfefferminze. Er schien diesen Tee besonders oft zu trinken.
"Die Grünschnäbel sind bereits in der Unterkunft und trainieren. Ich bin hierher zurückgekommen, nachdem ich von Pastor Nicks Tod erfuhr." erklärte er und legte seine Lippen am Rand der Tasse ab. Ich sah ihm dabei zu, wie er einen Schluck nahm und dachte an die Küsse, die mich so lüstern gemacht hatten. Genervt fasste ich mir an die Stirn.
"Zeigt mir, wo sie sind. Ich kümmere mich darum. Was wollte ihr von ihnen wissen?" meinte ich und sah zu Hanji. Levis Blick nun standzuhalten, vermochte ich wahrscheinlich nicht. Ich war bereits zu durcheinander. Die Braunhaarige lächelte.
"So einfach? Wir sagen dir nur, was wir wissen müssen?" Ich nickte.
"Ja, wenn ich eins gelernt habe, dann Menschen zum Reden zu bringen." erklärte ich.
"Gut, dann komm mit!" brachte sich nun Levi ein. Er stand auf und führte uns in den Keller, in dem einige Zellen waren. Zwei Soldaten saßen jeweils in einer von ihnen. Sie waren bereits leicht verletzt, sahen aber im Endeffekt noch sehr gesund aus. Es lag also ganz an ihnen, ob sie die nächsten Minuten heile überstehen würden. Ich betrat eine Zelle gemeinsam mit Levi und Hanji. Die Entscheidung war auf Djel Sanes gefallen. Laut Hanji war er der, der Pastor Nick auf dem Gewissen hatte. Ein unterschriebenes Geständnis und weitere Informationen waren unser Ziel. Es war also keine Zurückhaltung nötig.
"Djel Sanes. Schön euch kennenzulernen. Ich bin -dN- -dNN- und werde euch heute zu eurem Geständnis verhelfen." sagte ich und zog meinen Dolch. Ich legte meinen Zeigerfinger an die Klinge und glitt vorsichtig mit diesem daran entlang. Levi und Hanji beobachteten mich und auch Sanes ließ seinen Blick nicht von mir abweichen.
"Was.....was habt ihr?" Ein Schwung - ein einziger leichter Schwung und das Ohr des Militärpolizisten fiel herab. Ein sauberer Schnitt entlang seines Kopfes. Sein Gesicht hatte nicht einen Kratzer abbekommen, doch das Blut floss über seine Schulter und färbte sein Hemd rot. Er schrie auf - es war ein schmerzerfüllter Schrei. Levi sah mich angewidert an.
"Willst du nicht wenigstens Handschuhe anziehen?" fragte er und hielt mir große Lederhandschuhe hin. Ich schüttelte den Kopf. In meiner Ausbildung hatte ich einiges ertragen müssen. Auch wenn Kampfgeschick und Spionage wichtige Bestandteile dieser waren, war es für unser Land umso wichtiger gewesen, dass wir aushalten, verharren und schweigen konnten. Es waren Jahre voller Eckel, Leid und Folter gewesen - eine regelrechte Abhärtung. Nur die, die es aushielten, konnten am Ende unserem Land dienen, denn eines war sicher: Diese Menschen knickten nicht ein. Sie würden immer weiter machen und das ertragen, was sie ertragen mussten. Ich war damals stolz gewesen, eine von ihnen gewesen zu sein. Doch heute verabscheute ich diesen Stolz. Ich hatte ihn zu oft in den Augen grauenhafter, teilweiser böser Menschen gesehen. Die Angst eine von ihnen zu werden, war seit dieser Erkenntnis ein stetiger Schatten meiner selbst gewesen. Ich drückte meine Handfläche gegen die Stirn meines Opfers, um seinen Kopf auf die Stuhlkante hinunterzudrängen. Der Mann stöhnte auf und sah mich mit großen Augen an.
"Es ist wirklich großes Pech, dass die Beiden mich geholt haben..... Sanes. Das wird dir nicht gut tun, aber du kannst es noch stoppen und dein zweites Ohr retten. Du musst nur ein Geständnis unterschreiben und uns einige kleine Fragen beantworten!"
"Naaa....ich kann nicht...." stöhnte der Polizist. Ich drehte seinen Kopf nach rechts. Er schrie, als er spürte, wie sein Blut in den Gehörgang floss.
"Erst wird es warm in deinem Ohr, dann grauenhaft hart. Aber keine Sorge - ich kenne kleine, krabbelige Wesen, die dein Ohr liebend gern leerfressen werden. Aber das Geräusch.... glaub mir..... Das wird dir alle Nerven kosten, Sanes." Seine Augen wurden immer größer. Der Blick immer starrer. Ich kniete mit meinem Knie auf die Beine des Gefesselten und legte meinen linken Oberarm auf seinen Kopf, sodass ich diesen entspannt fixieren konnte. "Hanji, kannst du Wanzen besorgen? Zwei, drei reichen. Andere fleischfressende Käfer würden auch gehen." wandte ich mich an meine Kameradin, die immer noch an der Tür der Zelle stand. Sie sah mich leicht erschrocken an, nickte jedoch dann und verließ den Keller.
"Ist das dein Ernst?" fragte Levi und stellte sich neben mich. Er hatte sich in der Zwischenzeit eine Schürze umgemacht und hielt noch immer die Handschuhe in den Händen. "Ich habe sowas wohl noch nie gemacht, aber das scheint mir schon recht grausam, -dN-." fügte er hinzu und sah zu meinem Opfer. Dieser jammerte vor sich hin. Wahrscheinlich kamen die ersten Zweifel, ob er das Angekündigte erleben wollte. Zweifel - sie waren in dieser Situation meine Freunde - quasi meine Verbündeten. So mehr überhand sie gewannen, desto schneller würde dieser Mann hier einknicken. Dass er reden würde, war bereits sicher. Ich konnte es von Anfang an in seinen Augen sehen. Er war nicht so wie Erwin, Levi, Hanji oder ich. Er war schwach.
"Glaub mir, das wird schneller vorbei sein, als du denkst." sagte ich und blickte den Gefreiten an, "Du kannst ja schonmal das Ohr einsammeln!" Ich lächelte.
"Das ist echt widerlich....." gab Levi von sich und blickte auf den Boden, wo das besagte Stück lag. Ich lachte. So sehr ich von seinem Putzen anfangs genervt war, so sehr empfand ich diese empfindliche Art als niedlich, fast schon liebenswert. Ich seufzte. Es waren sicherlich zwei Worte, die ich ihm gegenüber niemals äußern konnte. Hanji kam zurück. Sie hatte einen kleinen Stoffbeutel in der Hand.
"Ich hoffe, die reichen dir." sagte sie und übergab mir das Beutelchen. Ich sah hinein und grinste.
"Das ist perfekt. Wir haben Glück, Sanes. Erstklassige Wanzen gibt es wohl auch bei euch." Ich packte eines der Viehcher zwischen Zeigefinger und Daumen und hielt es ihm vor die Augen. Sein Jammern wurde lauter. Levi ging einige Schritte zurück. Anscheint war auch er nicht unbedingt von den Wanzen angetan. Ich beugte mich leicht über die Stelle, an der einmal das Ohr meines Opfers gewesen war. Die Wanze führte ich langsam heran. Er musste das Zappeln des Tieres bereits hören, denn durch den Blutgeruch war sie aufgeregt und zirpte glücklich. "Mmmh, sie scheint ja richtig hungrig zu sein....." flüsterte ich.
"Aaaaaaah..." Er schrie. "Nein, nein, ich mache alles, aber bitte nicht...." jammerte er und heulte. Da war er also bereits: Der Moment des Ergebens.

Grenzen vergessen Levi x ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt