43. In der roten Perle

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Wir ließen Trommler gefesselt zurück. In seinem Zustand würde er vielleicht stundenlang in dieser Position verharren und auf Hilfe warten müssen. Doch wir hatten keine Wahl - seine Freilassung wäre zu riskant gewesen.
"Die rote Perle also..... Hätte nicht gedacht, dass es den Schuppen immer noch gibt." sagte Levi und griff in seine Hosentasche.
"Ist es das, was ich denke?" fragte ich und beobachtete ihn dabei, wie er seine Hände mit dem Tuch reinigte. Er reichte es mir. Ich nahm es an mich und entfernte die Spucke auf meinem Pullover. Er nickte.
"Ein Bordell....." Ich seufzte. Es würde die ganze Angelegenheit nicht unbedingt unterstützen.
"Was machen wir jetzt?"
"Wir gehen hin." Ich fasste mir an den Kopf. Das war mir bereits klar gewesen. Doch ich machte mir Gedanken über unser Vorgehen. Immerhin war ich eine Frau und damit nicht grade der häufigste Gast in einem Freudenhaus.
"Gut, dann musst du denen am Eingang sagen, dass du mich aufgegabelt hast und eine für nen Dreier buchen willst." Levi sah mich verwundert an. "Die lassen mich da sonst nicht rein." erklärte ich und gab ihm sein Tuch zurück. Schweigend nahm er es an sich und ging vor.

Wir liefen durch einige Seitengassen in einen abgelegenen Stadtteil der Unterwelt. Hier waren nur wenige Laternen angebracht, sodass viele Straßen in die Dunkelheit führten. Es war wahrscheinlich einer dieser Ecken, in die man sich nicht allein wagen sollte. Vor einem stark heruntergekommen Gebäude bleib Levi stehen. Rote Laternen standen in den Fenstern und verrieten, um was es sich handelte. Der Gefreite blickte es genervt an.
"Wir machen es so, wie du es gesagt hast!" wandte sich Levi nun an mich. Hintereinander gingen wir durch die alte Holztür und kamen in ein Vorzimmer, welches mit einigen alten, roten Polstermöbeln ausgestattet war. An einer Art Tresen stand ein Mann mit Schnauzer. Er rauchte eine Zigarre, dessen Qualm sich mit dem stechend süßlichen Duft im Gebäude mischte. Ich hustete.
"Zu wem willst du?" fragte er Levi und sah dann an ihm vorbei zu mir. "Hey Perle, was willst du hier?" schimpfte er.
"Keine Sorge, die nehme ich mit." sagte Levi. Er blickte zu den Schildchen, die an der Wand hingen. Sie zeigten anscheint, welche der Frauen verfügbar waren. "Wer ist denn besetzt?" fragte Levi nun.
"Mmmh." Der Mann griff sich ans Kinn. "Dann zahlst du aber für zwei Mädchen." sagte er und ignorierte die Frage. Levis Gesichtausdruck wurde finster. Genervt lag er die geforderten Münzen auf den Tisch.
"In Ordnung, sag mir einfach, wer frei ist und wer nicht."
"Also , unsere süße Lola hat grade als Einzige einen Kunden. Der sah aber nicht sehr ausdauernd aus." lachte der Mann. Ich und Levi starrten ihn unverständlich an. Wahrscheinlich guckten wir wie vollkommene Idioten. Doch dann kam mir ein Einfall.
"Mmmh, vielleicht hat der Typ ja Bock auf einen Vierer!" rief ich aus und schwang mich auf den Tresen. Erschrocken wich mir der Zuhälter aus. Levi sah mich angeeckelt an.
"Was?" fargte er, doch ich redete einfach weiter.
"Das stört Lola doch nicht, oder? Ich wollte schon immer mal mit zwei Typen vögeln." Das Gesicht des Mannes wurde rot und er lachte lauthals auf.
"Was für ein Flittchen. Okay. Zimmer 5. Wenn es nicht gewünscht ist, geht ihr aber zu Ramona in Zimmer 6. Aber ich denke, bei so einer süßen Perle, wird der Kunde schon nichts dagegen haben, wenn ihr dazustoßt." Er zwinkerte mir zu. Ich lächelte.
"Vielen Dank!" rief ich aus und zog Levi hinter mir an.
"Das war widerlich......" flüsterte der, als wir die Treppe hinaufgegangen waren und den Gang entlang gingen. Ich nickte.
"Ich weiß......"

Zimmer 5 entpuppte sich als ein Raum am Ende des Flures. Wir standen vor der Tür und lauschten. Weder ein Stöhnen noch irgendein anderes Geräusch war wahrzunehmen. Unsicher sah ich Levi an. Einen Überfall in einem Bordell zu starten, war nicht unbedingt das Angenehmste, was ich mir vorstellen konnte. Levi packte mich mit seiner Hand an der Schulter und zog mich heran.
"Du packst die Frau und bringst sie erstmal in Sicherheit!" flüsterte er mir zu und gab mir ein Zeichen, dass er nun die Tür öffnen würde. Ich nickte und atmete tief durch.
"Bitte nicht in Flaganti....." dachte ich und fühlte die Hitze auf meinen Wangen. Levi stieß die Tür auf und wir sprangen hinein. Nun musste alles schnell gehen. Ich entdeckte Kenny auf dem Bett sitzend. Die rothaarige Frau kniete vor ihm. Ihre nackten Brüste hielt sie in ihren Händen. Ich nahm an Geschwindigkeit auf, sah noch wie Kenny uns erschrocken anstarrte und packte die Frau an Bauch und Brust, um sie zur Seite zu ziehen. Meine rechte Hand verschwand in ihrem weichen Ausschnitt. Was waren das für riesige Brüste?
"Aaaah" sie kreischte angsterfüllt. Panisch zappelte sie in meinem Arm. Mit Schwung drückte ich sie gegen die Wand, um sie zu fixieren. Die weiblichen Kurven gaben an der kalten Steinwand nach. Sie stöhnte ängstlich auf und blickte vorsichtig hinter sich.
"Was für eine schöne Frau." dachte ich als ich ihre eisblauen Augen und die feinen Lippen entdeckte. Einen dumpfen Aufprall schallte durch den Raum. Levi trat Kenny mit seinem Knie ins Gesicht und schleuderte ihn vom Bett herunter. Der Überraschungsmoment hatte funktioniert. Wir hatten ihn überwältigt. Ich ließ die Prostituierte hinter mir. Kenny durfte keine Überhand gewinnen. Levi trat auf seinen Onkel ein. Er versuchte ihn am Boden zu halten, doch dieser drehte sich und fing den zweiten Tritt auf, um das Bein seines Gegners zu packen. Ich zog mein Gewehr und sprang den Beiden entgegen. Gekonnt positionierte den Lauf der Waffe an der Stirn meines Gegners.
"Lass ihn los, Kenny!" zischte ich. Genervt sah mich der Mann an und erfüllt meine Forderung. Er schien immernoch an seinem Leben zu hängen. Levi drehte seinen Onkel auf den Bauch und kniete auf dem Rücken unseres Gegners. Energisch packte ich ihn an seinen Schultern und drückte ihn mit aller Kraft auf den Boden.
"Die Kette!" sagte der Gefreite und hielt mir die Hand hin.
"Hier." Ich reichte sie ihm. Nervös knebelte er Kennys Hände. Ich konnte es sehen - dieser Gegner war für ihn nicht nur krafttechnisch eine Belastung. Ganz tief in ihm musste ein Feuerwerk von Emotionen stattfinden.
"Ihr macht es euch ganz schön kompliziert..." scherzte Kenny.
"Ähm, was ist denn jetzt?" fragte Lola und stand verdutzt vor uns. Sie hatte sich eine dünne Decke genommen und hielt diese nun vor ihren Körper. Unsicher beobachtete sie uns, griff jedoch nicht ein. Ich sah sie an.
"Oh, Entschuldigung. Wir sind auch gleich wieder weg. Hier für die Unannehmlichkeiten." Ich griff in meinen Münzenbeutel und gab ihr eine Handvoll Gold. "Wollt ihr dafür nicht wenigstens Spaß haben?" fragte sie und blickte erst zu mir und dann zu Levi.
"Ach Lola, ich hätte wirklich gern noch Spaß mit dir gehabt." sagte Kenny nun und lachte.
"Du bist abartig." zischte Levi und zog den Mann langsam an den Handgelenken hoch.
"Ein Bastard wie du sollte lieber die Fresse halten, Levi" Levis Augen weiteten sich. Diese Aussage schmerzte ihn. Es war kein Wunder. Egal, was für einen Selbstschutz der Gefreite sich über die Jahre aufgebaut hatte, Kenny war für ihn die einzige noch lebende Bezugsperson seiner Kindheit. Ein wichtiges Puzzleteil seines Lebens. Der Eine, der ihm seine Zukunft eröffnet hatte. Keine innerliche Mauer konnte ihn vor dem Einfluss dieses Mannes beschützen.
"Halt die Klappe, Kenny!" schimpfte ich. Es wunderte mich. Wo war dieses Bedauern, was ich in ihm gesehen hatte? Warum zeigte er es nicht gegenüber Levi? Ich war enttäuscht und wütend zugleich. Ich wollte eine Klärung zwischen ihnen und keinen Streit. Ich wollte, dass Levi mit sich ins Reine kam.

Grenzen vergessen Levi x ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt