126. Schatten

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„Du hättest dir bequemere Schuhe anziehen oder weniger trinken müssen..." ,schimpfte Levi auf dem Nachhauseweg. Er trug mich Huckepack, während ich meine Schuhe in den Händen hielt und jammerte.
„Es liegt an dem wilden Tanzen..." ,seufzte ich. Meine Füße brannten wie Feuer. Trotz der Ankündigung, den Foxtrott nicht zu beherrschen, hatte Levi den Dreh ziemlich schnell rausgehabt, sodass wir viel länger getanzt hatten, als vorher mein Plan gewesen war. Als ich dann zum Tisch zurückgekehrt, die Schuhe ausgezogen hatte, war alles vorbei. Meine Füße passten einfach nicht mehr hinein.

„Du hast unglaublich getanzt." ,schwärmte ich nun. Meine Hand glitt über seine Schulter.
„Wenn man das tanzen nennen kann..."
Er sah zu mir zurück und lächelte, während ich ganz leicht mit meinen Beinen baumelte. Dass der Abend schon vorbei war, machte mich wehmütig – vielleicht sogar traurig. Ich hatte sie genossen: Diese Dinge, die mal als normales Paar ebenso macht, wenn man keine militärischen Pflichten oder sonst irgendetwas im Nacken liegen hat. Solche Abende waren für uns eine Seltenheit. Doch ich - ich wollte mehr davon.

„Wir müssen das unbedingt wiederholen!" ,rief ich nun aus. Levi zuckte zusammen.
„Wenn du so weiter brüllst, lasse ich dich auf einer Bank sitzen!" ,drohte er, doch er lachte.
„Das würdest du nicht tun!" , flüsterte ich ihm ins Ohr, wobei ich mich an ihn drückte.
„Nein, würde ich nicht..."

Die elektrischen Laternen der Stadt flackerten hin und wieder. Unsere Schatten tanzten um uns herum, verschwand vor uns, um hinter uns wieder aufzutauchen, so als wollten sie mit uns Verstecken spielen. Es machte mich ein wenig schwindelig, vielleicht lag es auch am Wein, doch ich seufzte zufrieden, während ich meine Stirn an Levis Kopf lehnte. Die Stille, die am späten Abend selbst an solch lebendigen Orten herrschte, war wundervoll. Sie gab mir das Gefühl, dass nicht nur die Menschen, sondern auch die Maschinen sich zur Ruhe gelegt hatten, nur um der Natur ihren rechtmäßigen Raum für einen kurzen Moment zurückzugeben.

Levi blieb vor dem Haus, in dem wir nun seit einigen Wochen lebten, stehen. Er blickte kurz herauf, um daraufhin zu fragen:
„Muss ich die Dame auch noch die Treppen hochschleppen?" Ich kicherte.
„Würdest du?" ,stellte ich nur die Gegenfrage. Doch dann schrak ich auf. Die Haustür wurde plötzlich aufgeschlagen, wobei Mikasa und Sasha herausgestürmt kamen und dabei zu diskutieren schienen, bis sie uns entdeckten.

Dann verstummten sie.

„Ähm..." ,hörte ich Sasha faseln. Ich blickte sie verdutzt an, sah sogar kurz an meinem Kleid entlang, ob vielleicht meine Beine zu frei lagen und ich es nicht bemerkt hatte, doch daran konnte ich den Grund für ein solches Starren nicht erkennen.
„Ihr solltet wenigstens grüßen!", schimpfte Levi nun.
Die beiden jungen Frauen wurden rot.

„Jawohl...", meinten sie nun, wobei Mikasa mit ernster Miene hinzufügte: „Guten Abend Hauptgefreiter und Teamführerin..."

„Guten Abend", sagte ich, wohingegen Levi nur mit einem genervten Zischen antwortete. Er ging langsam an den beiden vorbei, um mich hereinzutragen. Die Augen seiner Teammitglieder folgten uns. Ich schluckte schwerfällig. Wurde mir doch gerade in diesem Moment bewusst, dass sie uns so als Paar noch nie gesehen hatten. Wahrscheinlich war es ihnen einfach unangenehm gewesen, was sicherlich auch mit ihrem Alter zu tun hatte. Sie waren eben noch unglaublich jung und sicherlich unerfahren in allem, was mit Liebe oder körperliche Nähe zu tun hatte. Ich grinste ein wenig. Irgendwie hatte es etwas Niedliches an sich.

„Hier muss ich dich runterlassen...", seufzte Levi vor unserer Zimmertür. Er ließ mich vorsichtig von seinem Rücken rutschen, sodass ich sanft auf meinen Füßen landete. Ein leichter Schmerz zog sich durch ihnen, doch der Gedanke an mein Bett, was nur einige Meter von mir entfernt war, tröstete mich darüber hinweg. Levi öffnete die Tür, um mir Einlass zu gewähren. Ich humpelte hinein, entdeckte Kuchel schlafend in ihrem Bett und ließ mich dann selbst auf das meine fallen. Nach so einem Tag gab es nichts Besseres als eine weiche Decke.

„Bist du schon müde?" ,fragte er mich. Er zog sein Jackett aus, um daraufhin sein Hemd zu öffnen. Auch ich riss mir das Kleid vom Leib, welches ich einfach auf dem Boden gleiten ließ, nur um dann unter die Decke zu schlüpfen.
„Ach...", stöhnte ich. Der Wein entfaltete so im Liegen seine volle Wirkung. Meine Umgebung drehte sich leicht um mich herum, doch glücklicherweise setzte die erwartete Übelkeit nicht ein. Es war eher eine starke Müdigkeit, die mich zu packen schienen. Etwas, mit dem ich leben konnte.

Entspannt streckte ich meine Hand als Einladung Levi entgegen. Er nahm sie an, nachdem er sich von seinen Schuhen und seiner Hose befreit hatte. Langsam legte er sich zu mir – es hatte beinah schon etwas Vorsichtiges – und zog die Decke dabei zurecht. Auch er wirkte ein wenig erschöpft, was sicherlich nicht nur an diesem Abend, sondern an der gesamten letzten Woche lag. Das verrieten mir seine Augenringe, die er mal wieder seit Tagen mit sich herumschleppte.

Seine Hand streifte durch mein Haar, wobei er leise seufzte. Er sah plötzlich so verträumt aus – fast schon ein wenig abwesend. Die Wärme, die unsere Körper erfüllte - ich genoss sie und diese ruhige Berührung, auch wenn sich mein Geist nach mehr sehnte. Für meinen Körper war es genau das, was er brauchte, denn nichts hatte er nötiger als etwas Erholung.

„Ich..."
Levi sprach nicht weiter. Er blickte mir einfach nur in die Augen, glitt wie ich mit seinen Gedanken hinfort und küsste mich. Ich schmeckte sie förmlich – die Worte, die er nicht sagen konnte. Ich leckte sie von seinen Lippen, verschluckte sie und grub sie tief in mich ein. Für die Tage, an denen ich ihn nicht mehr bei mir haben würde – egal aus welchem Grund. Und wenn ich leise seinem Seufzen lauschte. Wenn ich ihn zu verstehen versuchte, dann wusste ich, dass er es genauso tat wie ich. In der Hoffnung diese tröstenden Erinnerungen niemals zu vergessen und doch nie zu benötigen. 

Grenzen vergessen Levi x ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt