2. Kapitel

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Das Casino war überfüllt. Gläserklirren und Gelächter vermischten sich mit angeregten Gesprächen von allen Seiten. Maribel versuchte vergeblich sich durch die Menschenmassen zu quetschen und dabei möglichst viel Körperkontakt zu vermeiden.

Als sie ihren Blick über die Menge schweifen ließ, erkannte sie Corey an einem Pokertisch. Maribel machte einen Versuch, zwischen den Menschen unterzutauchen, doch Corey hatte sie schon entdeckt und winkte ihr zu. Mit zusammengekniffenen Lippen bahnte sie sich weiter einen Weg durch die Massen auf den Pokertisch zu.

Darum hatten sich fünf Personen versammelt. Ein Mann in Uniform legte gerade Karten in die Mittendes Tisches und las diese laut vor.
„Acht Karo, König Karo, Acht Kreuz."

Links neben ihm saß einen älterer Mann, der sich nun über den Tisch beugte, um die Karten zu inspizieren. Dann grummelte er etwas vor sich hin und deckte seine Karten auf.

„Guten Abend Ma'am." Der Typ der anscheinend so etwas wie ein Spielführer war, begrüßte Maribel höflich und widmete sich unmittelbar wieder dem Spiel.
"Zwei Paare", gab er bekannt.

„Guten Abend", gab Maribel mit einem breiten Lächeln zurück. Auch Corey nickte ihr zu. „Das hier ist Miss..." Er hielt in seiner Vorstellung inne und sah sich fragend zu ihr um. Maribel blinzelte einmal überrumpelt und beeilte sich dann, du antworten.
„Ähm, Miss... Faumont. Genau, Beau de Faumont."

Corey runzelte die Stirn, sagte jedoch nichts und beobachtete die Karten der Frau neben ihm. "Sind Sie auf Urlaub?", erkundigte er sich dann und Maribel war froh, dass er das Gespräch anfing. Sie musste einen kühleren Kopf bewahren.

„Ich bin geschäftlich hier", sagte sie knapp. Dass sie ihrer Arbeit in genau jenem Moment nachkam, verschwieg sie. Dann lächelte sie breit und fragte zurück: „Und wie steht es mit Ihnen?"
Die anderen am Pokertisch sahen auf ihre Karten, doch Maribel war sich sicher, dass sie jedes Wort genau mithörten. Äußerst unpraktisch.
„Ich befinde mich ebenfalls auf Geschäftsreise." Coreys Augen huschen einmal nach links, kaum merkbar, doch Maribel entging es nicht. „Ich nehme an, Sie arbeiten in der Marketingbranche...?" Eine wahllose Annahme. Aber wer sonst würde freiwillig sein Geld im Casino aus dem Fenster werfen?

„Da liegen Sie richtig", bestätigte Corey jedoch ihren Rateversuch und deckte seine Karten auf. Den Blicken der anderen zu urteilen mussten es ganz gute Karten sein. Er erzählte jedoch nichts weiteres von seinem Job und redete stattdessen leise mit dem Mann rechts von ihm. Maribel war sein Desinteresse nicht entgangen, genau so wie seine Unsicherheit.

Er war ein Arschloch, das war ihr von Anfang an klar gewesen.
Deswegen war er auch der perfekte Kandidat.

"Vierling."

Maribel versuchte wieder einmal, ihre Fassung zu behalten. Corey hatte anscheinend gewonnen, alle Marken wurden widerwillig zu ihm geschoben. Dann verabschiedeten sich seine Mitspieler von ihm und er ließ die gewonnenen Marken mit einem breiten Grinsen durch seine Finger gleiten. Nur mit Mühe konnte sich Maribel zurückhalten, nicht in den Blumentopf zu kotzen. Im Kopf ging sie wieder und wieder ihr Mantra durch:

Bald ist er tot.
Bald ist er tot.
Bald ist er tot.

Es beruhigte sie, um nicht zu sagen, es machte sie glücklich. C'est la vie.

"Haben sie Lust auf einen Drink, Sir?", erkundigte sich Maribel, wobei es sie nicht die Bohne juckte, Hauptsache sie würde dieses Gespräch möglichst schnell hinter sich bringen. Und angetrunken würde der Junge vielleicht auch ein paar ordentliche Sätze zusammenkriegen.

Also hakte Maribel sich bei ihm unter und führte ihn, ohne auf eine Antwort zu warten, zur Bar.
"Zwei Black Russian", bestellte sie und strahlte Corey an. Bald war er tot. Enfin bref.

Corey war relativ zurückhaltend, er nippte nur ab und an an seinem Getränk. "Sie scheinen ein erfolgreicher Spieler zu sein", griff Maribel das Gespräch von eben wieder auf. "Wie viel Geld haben Sie sich denn mit der Partie erspielt?"
Corey schien sich geschmeichelt zu fühlen, er lehnte sich auf der Bank zurück und antwortete: "Zwanzigtausend."

Fast verschluckte sich Maribel an ihrem Getränk, sie hustete und wischte sich dann über den Mund. "Entschuldigen Sie", murmelte sie. "Das ist ganz schön viel Geld. Und was haben Sie damit vor?" Überrascht sah Corey sie an, er schien mit der Frage nicht gerechnet zu haben. "Noch nichts Spezifisches", erklärte er. Ich hab genug Geld, sollte das vermutlich heißen.

"Na dann wünsche ich Ihnen noch viel Glück", sagte Maribel plötzlich abrupt und stand auf. Sie hatte genug gehört und gesehen. Der Mann gehörte umgebracht. "Vielen Dank, es war ein sehr netter Abend." Sie hing sich ihre Handtasche über den Arm, zupfte ihr Barrett zurecht und nickte ihm zu. "Miss Edmond", seufzte er jedoch lächelnd, "Sie können an ihrem Abend im Casino doch nicht herausgehen, ohne einmal selbst Ihr Glück zu versuchen."

Ihre Augen aufgerissen legte Maribel den Kopf schief. "Natürlich nicht", lachte sie dann auf und tätschelte etwas mitleidig seinen Arm."Was schlagen Sie vor?"

Corey zog sie mit sich zu einem Automaten. "Der einarmige Bandit."
Maribel betrachtete das Ding mit zusammengekniffenen Augen.

"Tais-toi. Tu ne peux pas être sérieux. C'est du gaspillage d'argent."

Verwirrt sah Corey auf.
"Hm?"

"Ich sagte, toll, ich wollte schon immer mal den einarmigen Banditen kennenlernen", lächelte Maribel breit und drückte den Hebel herunter, nachdem Corey eine Marke eingeworfen hatte. "Tu ne sais rien, branleur", murmelte sie leise, während die Felder sich drehten und schließlich zum Stehen kamen. Corey ließ die Arme hängen. "Immerhin haben Sie Ihr Glück versucht, Miss."
Maribel lächelte. "Immerhin haben Sie das Glück auf Ihrer Seite."
Dann wendete sie sich um, verdrehte ihre Augen und lief mit schnellen Schritten durch das Casino. Sie beschleunigte ihr Tempo und quetschte sich durch die Massen, als hätte sie Angst, er würde sie verfolgen. Einen Abgang hatte er ruiniert, doch vom zweiten würde sie sich nicht abhalten lassen. Als sie fast am Ende angekommen war, drehte sich sich noch einmal um. "Machen Sie sich keine Gedanken über meine Niederlage", rief sie über die Menschen hinweg zu Corey, als ob sie annehmen würde, er könne an nichts anderes mehr denken, als an die eine enttäuschende Runde von ihr.

"Auf Glück setzt nur, wer sich keine Macht leisten kann."
Mit einem breiten Lächeln winkte sie ihm noch einmal zu, bevor sie das Casino so schnell wie möglich verließ und im Gehen eine Würggeste machte.

Connard naïve.

SIGNEDWhere stories live. Discover now