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Mir war unglaublich übel, als ich zusammen mit meiner Schwester das Haus betreten hatte und schon meine Mutter in der Küche hörte, die kochte. Ich wusste nicht aus welchem Grund, aber irgendwie war sie immer ziemlich laut dabei und oftmals konnte ich sogar heraushören, wie ihre aktuelle Laune war. Gerade schien sie gut gelaunt zu sein. Wenn sie wüsste, dass sie gleich einen Grund hatte Schlechte zu bekommen, würde ich mich schon dabei sehen, wie ich vor ihr flüchtete. Nicht, dass sie Gift ins Essen mischte. - Nicht, dass ich ihr sowas unterstellen würde, denn dann hätte sie dies bereits schon längst getan. - Aber ich wusste, dass ich der Auslöser für den Gefühlsumschwung unserer Familie sein würde. Wieder einmal.

„Verhalte dich einfach unauffällig und sehe zu, dass du in meiner Nähe bleibst." Natürlich waren die Worte nur nett gemeint gewesen, aber irgendwie kam ich mich ziemlich klein und dümmlich vor. Wieder einmal würde ich mich verstecken müssen hinter meiner Schwester, weil Ärger vorprogrammiert war. Aber ich war mir auch sicher, dass sie die ganze Sache auf sich nehmen würde. Schließlich war ich angeblich bei ihr und wenn ich mich selbst rechtfertigen würde, dann könnte ich mich am Ende auch noch in wesentlich größere Schwierigkeiten bringen, als es mir lieb war.

Ich hatte meine Sachen ziemlich schnell in mein Zimmer gebracht und blieb stillschweigend an der Seite von Rachel, die meine Hand nahm und mich mit sich zog. Je näher wir der Küche kamen, umso unwohler wurde mir. Mir wurde schwindlig und ich wusste nicht einmal, ob ich diese Anspannung aushalten konnte. Innerlich machte ich mich schon auf das Schlimmste gefasst. Verletzende Worte, ein Streit, Vorwürfe an allen Ecken und Enden.

„Da seid ihr ja", trällerte unsere Mutter glücklich und drehte sich dann zu uns um, als sie sich sicher war, dass wir in der Küche waren. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen, welches jedoch verblasste, als sie mich im Fokus hatte oder besser gesagt meine Haare. Ich wusste von Anfang an, dass es ihr missfallen würde und ihre Reaktion bestätigte meine Bedenken noch einmal ordentlich. Dass meine Angst nicht unbegründet war.

Bisher bereute ich es keinesfalls. Hyunjin, Seungmin, Chan und Rachel hatten mir mehrfach gesagt, dass mir die Farbe stand und es keinesfalls ein Fehler war. Mein bester Freund hatte sogar mehrfach gesagt, wie stolz er auf mich war und dass er wirklich überrascht war, dass ich diesen Schritt tatsächlich wagte; etwas, was ich mich vor einem Jahr schließlich nicht getraut hätte.

„Das ist ein schlechter Scherz, oder?" Ihre Stimme war rauer geworden, als würde sie mir damit unter die Nase reiben, wie wenig sie für diese Veränderung übrighatte. Als wüsste ich es nicht besser mir helfen zu können, versteckte ich mich doch ein bisschen mehr hinter meiner Schwester, obwohl es vollkommender Schwachsinn war. Sie war einige Zentimeter kleiner als ich und es sah dementsprechend auch etwas absurd aus. Es war absurd, wie ich mich verhielt, dass ich eine Heidenangst vor meinen Eltern, besonders vor meiner Mutter hatte. Ihre Worte konnten aber manchmal verletzender sein, als es mir recht war und weil ich ihre doofe, sensible Art hatte, verletzte es mich noch einmal umso mehr.

„Felix, du weißt, Jungs sollten sich nicht die Haare färben. Nicht, dass deine Mitschüler auf dich losgehen und du-"
„Ich h-heiße Lix...", berichtigte ich sie. Das erste Mal, dass ich es wirklich getan hatte. Manchmal kam mir immer der Gedanke, dass ich meine Eltern berichtigte, aber ich fand den Mut nicht dies zu tun. Eine Blockade, die fest in meinem Kopf war und die ich nicht einfach so lösen konnte. Aber nun war es das erste Mal, dass ich es von selbst sagte. Nicht meine Schwester hatte es gesagt, sondern ich selbst und es fühlte sich unglaublich befreiend an.

„Nein, du heißt Felix. Dein Spitzname mag Lix sein, aber im Moment werde ich dich alles andere als Lix nennen. Was denkst du dir dabei, dir deine Haare zu färben? Denkst du wirklich, dass dir die Kommentare deiner Mitmenschen egal sind?", schoss sie weiter gegen mich und ich fragte mich wirklich, warum sie es nicht einfach akzeptieren konnte, dass ich lieber Lix genannt werden möchte. Ich hasste den Namen Felix. Ständig wurde ich so genannt, obwohl ich allem Anschein nach nicht so genannt werden wollte.

„Mama, du solltest die Entscheidung von Lix akzeptieren. Seine Haare sind nicht mehr dunkelbraun und auch wenn er bürgerlich Felix heißt, solltest du dem Wunsch deines Kindes nachkommen und ihn Lix nennen.", klinkte sich nun auch Rachel ein. Ich fühlte mich wirklich ein Stück aufgeschmissen, weil ich mich stets so klein fühlte, wenn es eine Diskussion wie jetzt gab. Und irgendwie fühlte ich mich auch etwas verloren, dass meine Schwester von er sprach, wenn sie mich meinte. Aber es würde viel zu auffällig sein, wenn mehr geändert wurde, als nur mein Name. „Es hat mit Respekt zu tun und gerade du solltest dein Kind am meisten respektieren... Wenn du es nicht tust, wirst du niemals an Lix herankommen."

Mit diesen Worten war endgültig Ruhe. Keiner von uns redete. Unsere Mutter schien sogar so aus, als würde sie überlegen. Als würde es vielleicht sogar ein Umdenken von ihr geben. Aber ich war mir sicher, dass es mit diesen einfachen Worten auch nicht getan war. Es würde für einige Tage anhalten, ehe wieder alles beim alten sein würde. Vielleicht würde es sogar wieder schlimmer werden. Meine Hoffnungen hielten sich dementsprechend ziemlich gering.

„Wenn es nur diese zwei Sachen sind, kann es nicht allzu schlimm sein."

Am liebsten hätte ich deswegen gelacht. Es wäre schön gewesen, wenn es nur mein Name und meine Haare gewesen wären, mit denen ich ein Problem hatte. Allerdings waren sie mit Auslöser gewesen, dass ich mich verschloss und schon längst nicht mehr mit meinen Eltern redete. Aber wenn ihre Akzeptanz langsam mir gegenüber wachsen würde, anstatt mich ständig klein zu reden, würde ich vielleicht endlich den nötigen Mut haben, ehrlich zu sein und sie darüber aufzuklären.

𝗦𝗲𝗺𝗶𝗰𝗼𝗹𝗼𝗻 ✧ CHANLIXWhere stories live. Discover now