6. Kapitel

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Feyas Sicht:
Staunend betrachtete ich das große Haus, das vor mir aufragte. Dieses Anwesen war einfach atemberaubend. Auch die Umgebung war wundervoll. Dazu müsste man wohl sagen, dass ich Stadthäuser hasste. Doch dieses Haus stand vollkommen abgeschieden im Wald. Die Abzweigung von der Hauptstraße war kaum sichtbar, zwischen mehreren hohen Bäumen. „Wow. Hier wohnt ihr also?!", brachte ich hervor. „Ja es ist ganz schön hier. Zumindest keine Nachbarn, die sich über den Lärm beschweren.", erwiderte Lilian, welche neben mich getreten war. „Lärm?", fragte ich verwirrt und lauschte angestrengt. Bloß das Zwitschern der Vögel war zu hören. Nun meldete Evan sich zu Wort: „Um diese Uhrzeit sind die Meisten eher ruhig. Aber du solltest sie mal abends erleben." „Wen?", hakte ich nach. „Unsere Mitbewohner. Unter anderem auch Aiden. Aber es sind noch viel mehr." „Und es stört sie nicht, dass ich hier bin?", fragte ich vorsichtig. Evan lachte. „Natürlich nicht." Zögerlich nickte ich und ließ mich von Lilian Richtung Tür ziehen. Flink schloss sie die Tür auf und öffnete diese. Dann ließ sie mich eintreten. Die Einrichtung bestand hauptsächlich aus dunklem Holz und war im rustikalen Stil gehalten. Von einer Treppe her erklang ein Poltern und kurz darauf kam ein rothaariges Mädchen zum Vorschein. Ich schätzte sie auf ein bisschen jünger als ich. Sie durchquerte schnell den Flur und warf sich Evan in die Arme. Dieser fing sie locker auf und umarmte sie. Angestrengt versuchte ich den Stich in meinem Herzen zu ignorieren, doch ich musste mir eingestehen, dass ich ein klein wenig eifersüchtig auf dieses Mädchen, seine Freundin, war. Nach kurzer Zeit ließ Evan sie wieder los und sagte: „Annie, das ist Feya. Sie ist mit Lilian befreundet. Feya, das ist Annabelle, die kleine Schwester von Lilian und mir." Seine kleine Schwester? Ups. „Freut mich dich kennenzulernen, Annabelle." Mit großen Augen sah sie zwischen mir und Evan hin und her. Dann erwiderte sie: „Freut mich ebenfalls, aber bitte nenn mich nicht Annabelle. So nennt mich nur meine Mutter wenn ich, ihrer Meinung nach, mal wieder was ausgefressen habe. Du kannst mich Annie nennen." Ich lächelte sie an. Dieses Mädchen war mir auf Anhieb sympathisch. „Warum trägst du eigentlich Evans Jacke?", fragte sie jetzt neugierig. Kaum hatten die Worte ihre Lippen verlassen, schrumpfte sie unter den mörderischen Blicken von Lilian zusammen. Ich war rot wie eine Tomate geworden und mein Gesicht glühte. Hastig stotterte ich: „Mir war kalt. D-Da hat E-Evan mir seine Jacke gegeben." Schnell streifte ich mir das Kleidungsstück ab und hielt es Evan hin. Er nahm die Jacke an und hängte sie an einen Jackenhaken an der Garderobe. „Was hältst du davon, wenn Lilian dir das Haus zeigt?", fragte er mich. Bevor ich antworten konnte, hatte Lilian mich bereits am Arm gepackt und zog mich hinter sich her den Flur entlang.

Evans Sicht:
Als ich sicher war, dass Feya ausser Hörweite war, drehte ich mich zu Annabelle um. Sie ahnte wahrscheinlich was ihr blühte, denn sie wich langsam in Richtung Treppe zurück. „Stopp!", knurrte ich und sie hielt in der Bewegung inne. Ängstlich sah sie zu mir auf. Sie hat unsere Mate geärgert! Du musst sie bestrafen! Sie hat sie doch bloß ein bisschen geneckt. „Annabelle! Was sollte das? Musstest du sie unbedingt darauf ansprechen? Ich habe doch erzählt, dass sie mich eigentlich nicht mag." „Es tut mir leid, Alpha. Das hatte ich nicht beabsichtigt." „Mach dich nützlich und geh die anderen suchen! Informiere sie über die Umstände." Sie nickte und flitzte dann hinaus. Wie schon gesagt, du bist zu nachgiebig! Du hättest sie bestrafen sollen und was machst du? Du schickst sie bloß weg! Sie ist meine kleine Schwester. Außerdem hat sie es doch nicht so gemeint. Musst du wissen. Aus dem Wohnzimmer hörte ich die Stimmen von Feya und Lilian. Gerade wollte ich zu ihnen gehen, als das Telefon klingelte. Seufzend hob ich ab:
„Hallo Vater. Was gibt's?", fragte ich, nachdem ich die Nummer gesehen hatte. „Deine Mutter und ich werden schon heute ankommen. Ich hoffe das bereitet dir und deinem Rudel keine Umstände?", erklang am anderen Ende seine Stimme. Hastig erwiderte ich: „Nein natürlich macht das keine Umstände. Wann kommt ihr so ungefähr?" „In einer Stunde." Und dann rief er jetzt an? „Okay. Tschüss." Mit diesen Worten legte ich auf. „Lilian!", rief ich. Sofort kam sie um die Ecke. „Was gibt es, großer Bruder?" „Das war Vater. Sie werden in einer Stunde hier sein. Bring sie hier weg." „Warum? Dann könnte er gleich deine Mate kennenlernen." „Sie ist ein Mensch. Du weißt wie sehr Vater die Menschen hasst." Langsam nickte sie und sagte dann: „Bring du sie weg. Ich sorge währenddessen dafür, dass hier alles picobello ist." Ich nickte und schon war sie los gelaufen um Feya zu holen. Als sie kam, reichte ich ihr ihre Jacke und schob Feya dann bereits zur Tür hinaus. Mit schnellen Schritten ging ich zum Auto und Feya hastete mir hinterher. Scheinbar hatte Lilian sie über den Ernst der Lage in Kenntnis gesetzt, denn sie folgte mir ohne zu fragen, warum sie unbedingt mit mir fahren musste.

Feyas Sicht:
Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch folgte ich dem gehetzt wirkenden Evan zu seinem Auto. Was war bloß passiert, dass er und Lilian so gehetzt umher liefen? Ich würde es wahrscheinlich niemals herausfinden. Evan hatte den Blick starr auf die Straße gerichtet und seine Hände umfassten fest das Lenkrad, als wollten sie es am liebsten zerdrücken. „Was ist los, Evan?", fragte ich leise. Er sah zu mir und spannte sich noch mehr an. Dann erwiderte er: „Wir haben die Nachricht bekommen, dass gleich wichtiger Besuch bei uns eintreffen wird. Ich hätte dich gerne da behalten, aber ich will kein Risiko eingehen." „Risiko?", hakte ich nach. Er überlegte kurz. „Ein Mann in meinem Alter wird dabei sein. Er hat ein Faible für schöne Mädchen. Da wollte ich dich raushalten." Hatte er mich gerade indirekt 'schön' genannt?

Des Rudels Luna Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt