Tarun und der Fluch der Nagas

By Nathalie_Hawthorne

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Eine uralte Prophezeiung lastet seit vielen Generationen auf König Deveshs Reich. Ein böser Fluch werde sich... More

Infotafel 1
PROLOG
[01] Der Plan
Infotafel 2 "Der Königstiger"
[02] Ein sonderbarer Traum
[03] Taruns List
Infotafel 3 "Der Indische Elefant"
[04] Der Geist in der Höhle
[05] Die Sorgen einer Mutter
Infotafel 4 "Die Wanderbaumelster"
[06] Entscheidungen
[07] Nachrichten
Infotafel 5 "Der Brahminenweih"
[08] Jagderfolge und Rätsel
[09] Geheimnisvolle Fremde
[10] Herzlich Willkommen, Narami!
Infotafel 6 "Der indische Mungo"
[11] Der Kronprinz
[12] Der Fluch der Nagas
Infotafel 7 „Die Nagas"
[13] Das Monster im Wasser
Infotafel 8 "Die Jog-Wasserfälle"
[14] Die bittere Wahrheit
[15] Najuks Verrat
Infotafel 9 "Die indische Kobra"
[16] Der König ist tot. Lang lebe der König
[17] Eine Flucht ohne Wiederkehr
Infotafel 10 "Indische Languren"
[18] Sitzt ein Tiger auf dem Baum
Infotafel 11 "Halsbandsittiche"
[19] Die Schlucht
Infotafel 12 "Panzernashörner"
[20] Der Monsun
[21] Die Höhle
Infotafel 12 "Lippenbären"
[22] Kein Ausweg
[23] Gib niemals auf!
[24] Ein schmerzlicher Abschied
Infotafel 14 "Monsune"
[25] Ein Hinterhalt
[26] Das fremde Königreich
[27] Narami ist verschwunden
Infotafel 15"Asiatische Löwen"

[28] Ein unfairer Kampf

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By Nathalie_Hawthorne

EINGEWICKELT IN RANKEN lag die weiße Tigerin am Fuße eines großen Teakbaumes. Sie war nicht bei Bewusstsein, Tarun konnte aber erkennen, dass sich ihr Brustkorb regelmäßig hob und senkte. Er konnte keine offensichtlichen Verletzungen sehen, sodass Tarun davon ausging, dass man seine Freundin auf dieselbe Weise betäubt hatte, wie ihn. Lediglich einige Schürfwunden prangten dort, wo man Narami vermutlich über den Urwaldboden geschliffen hatte, um sie an diesen abgelegenen Ort zu bringen.

»Hallo, Königsmörder.« Lupeshs Stimme war scharf wie die Reißzähne eines Mungos.

»Lupesh! Was soll das hier werden? Was ist mit Narami passiert? Wieso wird sie nicht wach und ist mit all diesen Ranken gefesselt?« Tarun wich keinen Schritt von seiner Partnerin zurück, signalisierte durch das Sträuben seines Rückenfells jedoch deutlich, dass er genau wusste, dass die jungen Löwen für den Zustand seiner Verlobten verantwortlich waren. Auf Lupeshs provokante Begrüßung reagierte er dabei nicht.

»Ihr fehlt nichts. Sie schläft tief und fest. Fürst Erste.« Vanita, die halbwüchsige Löwin ließ ihren Schwanz mit der dunklen Quaste an dessen Ende in der Luft peitschen. »Wir haben ihr ein bisschen mehr von dem Zeug gegeben, womit wir dich gestern Abend ruhiggestellt haben.« Mit ihrer rechten Vorderpranke rollte die Königstochter ein halbes Dutzend Mohnblumenkapseln in Taruns Richtung.

Der Tiger schnüffelte verhalten an den Pflanzenresten und erinnerte sich daran, wo er so etwas schon einmal gesehen hatte.

»Mit dem Saft der Mohnblüten betäuben wir Tiere, die unter starken Schmerzen leiden oder sich in einem anhaltenden Todeskampf befinden, um ihnen endlose Qual zu ersparen. Je nachdem, wie viel man verwendet, wird man entweder nur ruhig und entspannt oder man schläft für eine lange Zeit tief und fest.«

»Guck an! Da kennt sich einer aber gut aus mit der Wirkung von Mohnsaft«, merkte Lokesh an und zuckte mit den Schultern. »Logisch eigentlich. Wenn man so darüber nachdenkt, wen er damit schon alles aus dem Weg geräumt hat.«

»Ich habe was?« Tarun blickte jeden der Löwen abwechseln in die Augen. Dennoch konnte er nicht mit Sicherheit sagen, was sie mit dieser Aktion beabsichtigten. Erlaubten sie sich einen üblen Scherz mit ihm oder wollten sie ihn auf irgendeine Probe stellen?

»Also wenn das so ein Löwending ist, das ihr hier mit uns abzieht, dann möchte ich euch bitten, mir die Regeln zu erklären, bevor ihr meine Partnerin und mich, ohne zu fragen, schlafen legt.«

»Löwending!« Vanita prustete los und spie Tarun dabei eine Ladung Spucke ins Gesicht. »Wir machen hier kein Löwending. Im Gegenteil. Unser Vater handelt ganz und gar nicht wie ein richtiger Löwe. Lässt einfach Tiger unsere Gäste sein. Ich fürchte, er wird ein wenig wunderlich auf seine alten Tage.«

Lupesh und Lokesh stellten sich links und rechts neben ihre Schwester und ließen ihre Zähne aufblitzen.

»Das käme dir ganz recht, nicht wahr?«, sprach Lupesh Tarun an und verengte die bernsteinfarbenen Augen.

»Wovon redet ihr?« Tarun bemühte sich, weder nervös noch aggressiv zu reagieren. Sein Vater hatte ihm beigebracht, dass ein Mitglied der königlichen Familie stets um Deeskalation bestrebt sein sollte. »Jagannath ist ein guter Herrscher und freundlicher Gastgeber und ich bin überzeugt, dass weder ich, noch irgendeiner meiner Begleiter dies nicht zu schätzen weißt. So bitte ich euch darum, mir zu erklären, warum ihr meine Freundin und mich betäubt und sie hierhin verschleppt habt.«

»Das ist eigentlich ganz einfach«, ergriff Vanita erneut das Wort. »Wir mussten dich ja irgendwie hierher locken und das geht nun mal am besten, wenn wir dir das Wichtigste wegnehmen, das du hast, deine Geheimwaffe: Narami.«

»Waffe?« Während Taruns Herz immer schneller schlug, ging Naramis Atem nach wie vor gleichmäßig ruhig. »Sie ist meine Verlobte, nicht meine Waffe.«

»Verlobte. Verbündete. Verfluchte!« Lokesh bleckte die Zähne und trat an Tarun heran. »Du dachtest wohl, dass du uns alle hinters Licht führen kannst, Prinz Tarun?« Die Art, wie der Löwe seinen Titel betonte, verriet Tarun, dass ihm royale Gepflogenheiten in dieser Unterhaltung nicht weiterbringen würden.

»Ihr habt die Geschichte mit dem Fluch gehört und habt jetzt Angst vor uns, habe ich recht?« Der junge Tiger baute sich zu ganzer Größe vor seinen Widersachern auf. »Ich habe es eurem Vater bereits erklärt. Der Fluch wurde missverstanden und fälschlicherweise mit Narami in Verbindung gebracht. Mein Bruder –«

»Dein Bruder hat ehrenhaft gehandelt«, unterbrach Vanita Taruns Ausführungen. »Als wahrer König ist es deine heilige Pflicht, dein Reich vor jeder Gefahr zu schützen. Dein Vater war zu gutgläubig und hätte jedes Tier ins Verderben gestürzt. Es ist nun an uns, unseren Vater und Herrscher vor einer derart törichten Handlung zu bewahren.« Die Löwin baute sich direkt vor Narami auf. »Wir haben euch durchschaut«, kamen die nächsten Worte gepresst zwischen ihren Zähnen hervor. »Ihr habt euer Königreich verloren und nun wollt ihr unseres erobern und jeden mit diesem Fluch belegen. Dann wollt ihr zuschlagen und uns alle umbringen!«

Tarun sagte zunächst nichts. Die Gedanken wirbelten in seinem Kopf herum. In den Baumwipfeln über ihm flatterten ein paar Vögel hektisch umher. Vermutlich würden sie die Kunde von der Verbreitung eines Fluches bereits in Jagannaths Reich überall verkünden, ihn und seine Freunde ächten, ohne, dass sie jemals etwas gegen sie unternommen hatten. Schließlich blickte Tarun erneut jeden der Löwen ins Gesicht.

»Das soll wohl ein Scherz sein«, nur mühevoll konnte er sich ein Lachen verkneifen, welches weniger amüsiert denn bitter war. »Verzeihung, aber ihr habt offensichtlich nicht die ganze Geschichte über den Fluch und unsere Flucht gehört. Es war nicht Narami, die das Unglück auf unser Reich gebracht hat, es war das Blutvergießen, das mein Bruder angezettelt hat, die uralte Last, die über unserer Familie liegt. Ich habe mein Zuhause verlassen, um –«

»Nach Norden zu wandern und irgendein Karma zu suchen, bla bla bla«, machte sich Lupesh über Tarun lustig und trat ebenfalls einen Schritt näher an diesen heran.

Der Tiger fuhr instinktiv die Krallen aus und entblößte sein Gebiss. Noch immer war ihm etwas mulmig zumute, hin und wieder verschwammen die Bilder von seinem Auge. Doch das Adrenalin wurde unablässig durch seine Adern gepumpt. Es galt nicht nur sich selbst, sondern auch Narami und seine anderen Freunde zu beschützen, koste es, was es wollte.

»Du hast deinen Vater getötet, Tarun. Versuche erst gar nicht, dein Gewissen rein und unsere Gehirne sauber zu waschen.« Lupesh ging kurz in sich und dachte darüber nach, ob es Sinn ergab, was er da gerade von sich gab. Die genervten Gesichter seiner Geschwister deuteten eher darauf hin, dass seine Zunge mal wieder schneller als sein Verstand gewesen ist.

»Also um es mal deutlich zu machen«, übernahm stattdessen Vanita wieder die Rolle der Rädelsführerin ein und streckte ebenfalls eine Kralle ihrer linken Pranke heraus, während ihre Brüder Tarun umkreisten. »Wenn du an deiner Wahrheit festhältst und dein Feinsliebchen hier retten willst, dann wirst du uns beweisen müssen, wie ernst es dir damit ist.«

»Ich muss überhaupt nichts beweisen«, fauchte Tarun zurück.

»Wir schon«, gab Lupesh zu. »Wir müssen unserem Vater demonstrieren, dass wir würdige Thronfolger sind und das Rudel auch nach seinem Tod beschützen können. Er wird stolz auf uns sein, wenn er erfährt, dass wir deine Pläne durchkreuzt haben.«

»Es gibt keine Pläne. Nicht gegen euch.« Taruns Körper war angespannt, sein Schwanz wippte gleichmäßig hin und her, die Krallen kratzten über den sandigen Boden.

»Ich denke, dass Vater uns eher glauben wird als dir. Tiger!«, feixte Lokesh.

»Kürzen wir die Sache ab. Dieses Gerede macht mich ganz krank. Dieser Tigerdialekt ist ja nicht zum Aushalten.« Vanita legte ihre Pranke auf die Stirn und schloss einen Moment die Augen. »Ich beiße der Weißen die Kehle durch und rette uns alle vor diesem Fluch!«, brüllte die junge Löwin und schlug ihr geöffnetes Maul gegen den Hals der schlafenden Tigerin.

»Nein!«, schrie Tarun und setzte zum Sprung an, um die Angreiferin seiner Verlobten zu attackieren.

»Pfoten weg von unserer Schwester!«, brüllten Lokesh und Lupesh gleichzeitig und stürzten sich ihrerseits auf Tarun.

Erneut erhoben sich aus den umliegenden Bäumen und Sträuchern zahlreiche Vögel und Kleintiere, die durch den Lärm der kämpfenden Großkatzen aufgeschreckt wurden.

»Brüll hier nicht so laut rum, Tiger«, drohte Vanita. »Oder willst du, dass deine Hübsche wach wird und mit ansehen muss, wie wir dich in Fetzen reißen? Ich hätte sie ja lieber sofort erlöst, würde ihr einiges an Leid ersparen. Ein schneller und schmerzloser Tod.«

»Niemals! Ihr krümmt ihr kein einziges Haar.« Taruns Augen waren vor Wut blutunterlaufen und auf seinem Pelz zeichneten sich erste Kratzspuren ab. Dennoch waren die drei Löwen von der Stärke beeindruckt, die der Tiger aufbrachte.

»Manchmal wäre es klüger, aufzugeben«, knurrte Lokesh. »Wir bieten dir einen Deal an. Wir verschonen deine Schönste und knöpfen uns dafür deine anderen Freunde vor. Du hast die Wahl, Prinzchen.«

»Ein Prinz stellt das Wohl all seiner Freunde und Untertanen auf eine Stufe. Tötet mich, wenn ihr wollt, aber verschont sie. Alle drei.« Tarun atmete schwer und sein Körper bebte.

»Wie edelmütig«, schnurrte Vanita. »Was sagt ihr, Brüder. Wollen wir ihm diesen Gefallen tun?«

»Tarun?« Ein leises Wimmern lenkte die Aufmerksamkeit der Löwen weg von Tarun und zurück zu Narami. An ihrer Kehle war nun ein Kratzer zu erkennen.

»Sieh an. Deine Freundin wird wach. Dann kann sie ihrem Helden ja doch noch zujubeln, während er sich für sie in den Tod stürzt.«

Tarun war durch Naramis Erwachen kurzzeitig abgelenkt und sah Lokeshs Angriff nicht kommen. Der Löwe zielte genau auf seinen Kopf und biss ihm in das linke Ohr. Der Schrei des Tigers hallte durch den Dschungel. Er sollte nicht viel Gelegenheit dazu bekommen, wieder zu Atem zu kommen, da spürte er einen brennenden Schmerz am rechten Auge. Vanitas Pranke hatte ihn direkt ins Gesicht getroffen. Herunterfließendes Blut nahm ihm die Sicht. Nachwirkungen der Mohnblütenmilch ließen seine Hinterbeine einknicken.

»Wartet«, unterbrach Vanita den Kampfrausch ihrer Brüder. »Wir müssen ihm Gelegenheit geben, uns ebenfalls zu verletzen. Sonst glaubt Vater nicht, dass wir uns gegen diesen Bastard verteidigen mussten.«

Tarun hatte den Befehl seiner Gegnerin gehört. Kopfschüttelnd und keuchend setzte er sich hin. »Niemals werde ich euch in die Pfoten spielen. Wenn ihr mich töten wollt, müsst ihr es jetzt tun. Was ihr eurem Vater erzählt, bleibt euer Problem.«

»Tarun, was geht hier vor?«, taumelnd setzte sich Narami auf. Immer wieder kniff sie ihre blassblauen Augen zusammen, um gegen den Schwindel anzukämpfen. »Ich kann mich kaum bewegen. Meine Muskeln sind ganz schwach und hier sind überall Ranken oder Wurzeln. Wie bin ich hierher gekommen?«

»Halt dein Maul, Fluchbringerin!«, brüllte Vanita, ehe sie sich wieder Tarun zuwandte. »Kleiner Märtyrer«, flüsterte sie in sein zerfetztes linkes Ohr. »Hast doch mehr Mumm, als ich dir gestreiftes Elend zugetraut hätte. Nun schau dir deine holde Maid noch ein letztes Mal an, bevor es für immer dunkel wird, Hoheit.« Spott und Hass lag in der Stimme der Löwin. Tarun konnte ihren heißen Atem an seinem Gesicht spüren.

Lokesh und Lupesh traten ebenfalls an ihn heran, um ihre Schwester vor einem möglichen Gegenangriff zu schützen.

»Es tut mir leid, Narami. Ich habe versagt«, keuchte Tarun und zwang sie zu einem Lächeln. »Ich werde dich nicht mehr beschützen können. Das konnte ich nie, wenn wir ehrlich sind. Diese ganze Mission war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Rette dich und finde einen Ort, an dem du leben kannst. Ich wünsche dir Sicherheit und Geborgenheit, Narami, und alles, was du dir wünschst. Ich liebe dich.«

»Herr Gott noch eins! Ist das ekelhaft«, spukte Lokesh aus und schüttelte sich angewidert. »Setz diesem Elend ein Ende, Schwester.«

»Tarun, ich verstehe nicht, was das soll«, jammerte Narami, die ihre klare Sicht allmählich zurückgewann. »Warum wollen sie dich töten?«

»Weil sie sonst dich töten würden. Und jetzt schließ deine Augen, meine Liebste. Wir sehen uns eines Tages wieder.«

Tarun schloss ebenfalls seine Augen und reckte seinen Angreifern die schutzlose Kehle entgegen.

»Ich hoffe, euer Biss ist präzise.«

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