Badass

By stylesti

1.9M 94.8K 31.6K

Dass eine einzige Party das Leben der siebzehnjährigen Rebecca völlig auf den Kopf stellt, hatte sie nicht ko... More

0 | Schuld
1 | Die Party
2 | Der schöne Unbekannte
3 | Der imaginäre Hund
4 | Predigten und Strafen
5 | Babysitten mit Links
6 | Caleb
7 | Geständnisse und andere Katastrophen
8 | Heilige Scheiße
9 | Pizza
10 | Eine Entschuldigung
11 | Daddy
12 | Erste Annäherungsversuche
13 | Gorillas
14 | Wutausbruch
15 | Krankenschwester Beccs
16 | Arschlöcher bleiben Arschlöcher
17 | Hass und Liebe
18 | Ein Tritt in den Schritt
19 | Ein unerwarteter Anruf
20 | Alecs andere Seite
21 | Der Morgen danach
22 | Rote Spitze
23 | Ein Abschiedskuss
24 | Eine teuflische Idee
25 | Rache ist süß
26 | Schnüffeln muss Gelernt sein
27 | Ablenkungsmanöver a la Becca
28 | Lügen
29 | Dr. Moranis
30 | Eifersüchtig?
31 | Erwischt
32 | Nicht wie die anderen
33 | Du bist schön
34 | Das erste Date
35 | Ich liebe ihn
36 | Stolz
37 | Schokoeis heilt alle Wunden
38 | Fehler
40 | Es tut mir leid
41 | Liebe
42 | Fragen über Fragen
43 | Dunkelheit
44 | Ein paar Antworten
45 | Fiese Gedanken
46 | Das fünfte Rad am Wagen
47 | Ich will nur reden
48 | Nur ein einziges Mal
49 | Alles und nichts
50 | Lasagne
51 | Sein wahres Gesicht
52 | Brüder
53 | Der Anfang vom Ende
54 | Danke
55 | Leb wohl
56 | Das Ende der Party
Danksagung
Badass Spin-off
Kickass
Kickass 2.0

39 | Trauer

26.3K 1.5K 316
By stylesti

• Hollywood Undead - This Love, This Hate •

»Rebecca, es-«

Ich drücke auf Löschen.

»Bitte hör-«

Löschen.

»Caleb vermisst dich«, höre ich Alec auf meine Mailbox sprechen. »Ich ver-« Aller guten Dinge sind drei, also Löschen.

Inzwischen habe ich mich schon seit vier Tagen in meinem Zimmer verkapselt. Jedenfalls glaube ich, dass es vier Tage sind. Es könnten auch mehr gewesen sein, vielleicht auch weniger, aber das hoffe ich dann doch nicht. Wenn es nach mir ginge, könnte die Zeit nicht schnell genug herum gehen und die Schule wieder anfangen. Ich möchte lieber mit Hausaufgaben und Klausuren zugemüllt werden, als in meinem Zimmer an einem gebrochenen Herzen zu leiden.

Ich habe keine Ahnung welchen Tag wir haben, geschweige denn, ob es Tag oder Nacht ist. Meine Jalousien sind ununterbrochen unten und ich liege vierundzwanzig Stunden lang in meinem Zimmer herum. Neben mir liegt mein alter Plüschhase, dem inzwischen der Kopf fehlt. Nachdem Aaron mir damals erzählt hat, dass er mit Sara zusammen ist, habe ich ihn so lange mit Mr. Plüschi gehauen, bis sein Kopf abgefallen ist.

Alleine der Gedanke daran, dass Aaron was mit diesem Mädchen anfängt, hat mich in Angst versetzt. Es gab so viele Gerüchte um Sara, das ich nicht wusste, welches ich glauben sollte und welches nicht. Sie nahm Drogen, gab sich mit den falschen Leuten ab und hatte schon mit zwölf Sex und das mit ihrem damaligen Freund, über den ich auch nicht gerade Gutes gehört habe. Nicht, dass ich allen Gerüchten Glauben geschenkt habe, aber zu dem Bild, das ich von ihr hatte und habe, passt es definitiv, auch heute noch. Aber das Schrecklichste an der ganzen Sache war, dass ich wusste, dass es Loreen das Herz zerbrechen würde, sobald sie es erfuhr. Gott sei Dank gehört das alles nun der Vergangenheit an. Wenigstens für die beiden hat sich alles zum Guten gewendet.

Ich nehme den kopflosen Mr. Plüschi in die Arme und drücke ihn fest an meine Brust, während ich an den Streit mit Aaron damals zurückdenke. Lieber erinnere ich mich daran, als an die harten Worte, die Alec zu mir gesagt hat.

Manchmal schaut meine Mutter vorbei, vielleicht um nachzusehen, ob ich noch lebe. Sie versucht mit mir zu reden, aber das Gespräch bleibt jedes Mal einseitig. Drei Mal am Tag bringt sie mir Essen vorbei, das ich meistens kaum anrühre, und ich frage mich, seit wann sie so viel von zu Hause aus arbeitet oder ob sie sich die Tage frei genommen hat, um wenigstens in meiner Nähe zu sein.

Ich rede mit niemandem. Nicht mit meiner Mutter, nicht mit Aaron und auch nicht mit Loreen – und mit Alec erst recht nicht. Für jemanden wie mich, der sonst den ganzen Tag am reden ist, fühlt es sich an, als hätte man mir die Organe herausgerissen, aber ich wüsste auch nicht, worüber ich sprechen sollte. Vermutlich würde ich nur wieder in Tränen ausbrechen, sobald ich versuche den Mund zu öffnen.

Jedes Mal wenn ich mich an Alec erinnere, zieht sich mein Brustkorb zusammen, bis ich kaum noch Luft bekomme und an meinen Tränen zu ersticken drohe. Ich habe nicht gewusst, dass sich Liebeskummer so schrecklich anfühlt. In den ganzen Liebesfilmen und Büchern sieht es immer so einfach aus. Die Hauptfigur geht einfach mit der besten Freundin shoppen, lästert über den Jungen und der ganze Kummer lässt sich mit einem warmen, leckeren Kaffee von Starbucks herunterschlucken, aber ich schaffe es nicht einmal, aus meinem Bett zu steigen, geschweige denn jemandem zu erzählen, was passiert ist.

Die meiste Zeit liege ich einfach nur auf meinem Bett, weine, starre die Decke an, weine, höre Musik, weine, weine und weine. Ich weine so lange, wie ich noch nie in meinem Leben geweint habe. Ich weine so viel, dass ich irgendwann das Gefühl habe, dass mir die Tränen ausgehen, aber ich weine auch dann noch weiter. Mit meinen Tränen könnte man einen Eimer füllen – ach was, wahrscheinlich ein dutzend Eimer.

Jede Nachricht, die Alec mir auf den Anrufbeantworter spricht, lösche ich, ohne sie überhaupt abzuhören. Manchmal fange ich an, sie zu hören, weil ich seine Stimme vermisse, aber sobald ich auch nur das erste Wort aus seinem Mund vernehme, steigt die Wut und Scham in mir wieder auf und ich drücke auf Löschen, bevor er überhaupt den ersten Satz beendet hat.

Am liebsten würde ich mein Handy gegen die Wand pfeffern, da meine Eltern mir aber nie im Leben ein neues kaufen werden, muss ich mich wohl zurückhalten und stattdessen in mein Kissen schreien oder meine Wut an Mr. Plüschi auslassen, der zwar kopflos ist, aber immer noch zwei Arme und Beine hat, die ich jedes Mal, wenn ich mir vorstelle, dass er Alec ist, abreißen möchte.

Ich lösche auch die ganzen Kurznachrichten, die er mir schickt, ohne sie zu lesen. Es kostet mich viel Überwindung, sie nicht alle nacheinander zu lesen und ihm zu antworten, ihm zu schreiben, dass ich ihn vermisse und mir wünsche, dass er vorbeikommt, aber ich schaffe es. Was auch immer er zu sagen oder schreiben hat, ich möchte es nicht wissen, ich sollte es nicht erfahren. Er wird bloß versuchen, Ausreden zu finden, damit er nicht wie das letzte Arschloch dasteht.

Auf der einen Seite hasse ich ihn, doch auf der anderen Seite kann ich ihm nicht wirklich böse sein. Viel mehr bin ich wütend auf mich selbst, auf alles was ich getan und geglaubt habe. Die Person, die am meisten Schuld an allem trägt, bin ich. Alec hat mir nie wirklich das Gefühl gegeben, dass das, was zwischen uns gewesen ist, über einen Flirt hinausgeht. Vielleicht war er ab und zu nett zu mir, hat liebe Dinge gesagt und getan, aber das heißt noch lange nicht, dass er etwas für mich empfindet. Er hat mir nie gesagt, dass er mich liebt und doch habe ich daran geglaubt. Ich habe zu viel in alles hineininterpretiert. Ich bin naiv gewesen. Ich habe gehofft. Und das ist fatal gewesen.

An meiner Mutter, die die Haustür überwacht, kommt Alec ebenfalls nicht vorbei. Auch wenn ich mir sicher bin, dass sie nichts lieber täte, als ihn hereinzulassen und auf mein Zimmer zu schicken, damit wir das unter vier Augen regeln. Sie mag es nicht, wenn man Konfrontationen aus dem Weg geht, aber sie weiß immerhin auch nicht, was zwischen Alec und mir passiert ist.

Wie kann ich ihm jemals wieder unter die Augen treten, ohne mich wie ein Häufchen Elend zu fühlen, das man benutzt und weggeschmissen hat?

Nachdem ich ihn den ganzen Tag nach seiner eiskalten Abfuhr ignoriert und auf keine Nachrichten reagiert habe, ist er vorbeigefahren und wollte unbedingt auf mein Zimmer kommen und mit mir reden, aber ich habe meiner Mutter ausdrücklich gesagt, dass sie ihn auf keinen Fall ins Haus lassen soll. Das sind so gut wie die einzigen Worte, die ich in den letzten Tagen mit meiner Mutter – oder überhaupt irgendeinem Menschen - gewechselt habe.

Ich habe nicht das Bedürfnis, mich mit irgendjemanden zusammenzusetzen und über das, was geschehen ist, zu reden. Am liebsten würde ich für immer hier liegen bleiben, vor mich hin gammeln wie ein faules Stück Obst, und niemanden in mein Zimmer lassen.

Ich möchte nicht über Alecs harte Worte und sein kaltes Verhalten nachdenken, mich nicht daran erinnern, wie er sich den Mund abgewischt hat, als ich ihn geküsst habe und wie wütend er mich angesehen hat, nachdem ich ihn geschlagen habe. Ich möchte all das am liebsten einfach vergessen, aber ich kann nicht und das weiß ich. Immer wieder gehe ich die letzten Tage und Wochen in meinem Kopf durch, suche die Schuld bei mir – vielleicht habe ich etwas falsch gemacht? War es wegen dem Tattoo? Wegen dieser Evelyn, über die er nicht sprechen möchte? War ich ihm zu anhänglich? Zu nervig? Zu kindisch? Diese Ungewissheit macht mich ganz verrückt.

Wenn ich nicht zu stolz wäre, würde ich Alecs Anruf annehmen, einfach nur, um zu wissen, was er zu sagen hat, aber als die sanften Klänge meines Klingeltons ertönen, schaue ich auf das Display und drücke den Anruf bei Alecs Namen schnell weg. Noch bevor ich es mir anders überlegen könnte, schalte ich mein Handy komplett aus und werfe es in die hinterste Ecke meines Zimmers. Und dann weine ich wieder.

-

Beim Abendessen beschließe ich, endlich mal wieder nach unten zu gehen. Es müssten inzwischen fünf Tage herumgegangen sein, seit ich heulend auf mein Zimmer gerannt bin und es nur verlassen habe, um aufs Klo zu gehen oder zu duschen. Es fühlt sich seltsam an, die Treppen herunterzugehen und noch seltsamer, die Küche zu betreten und meine Eltern gemeinsam am Tisch sitzen zu sehen.

Mein Vater ist heute früher von der Arbeit zurück als sonst und meine Mutter hat sich viel Mühe mit dem Essen gegeben. Ich habe sie von meinem Zimmer aus in der Küche hantieren hören und das gefühlte Stunden lang.

Als ich unten ankomme, schauen meine Eltern mich überrascht an, tauschen einen überraschten Blick und stehen dann beide auf, als wäre ich ein wichtiger Gast. Mein Vater lächelt mich an, während er einen Stuhl am Tisch hervorzieht, damit ich mich setzen kann. Meine Mutter rennt in die Küche, um mir einen Teller und Besteck für das Essen zu holen. Ich liebe meine Eltern, aber ich habe sie noch nie so fürsorglich erlebt.

»Ich freue mich, dass du mit uns isst«, sagt Dad und drückt mir einen Kuss auf die Stirn, bevor er sich mit einem breiten Lächeln neben mich setzt. Ich bin ihm dankbar, dass er mich nicht fragt, wie es mir geht.

»Ich freue mich auch«, erwidere ich mit einem halbherzigen Lächeln, während meine Mutter meinen Teller füllt und ihn vor mir abstellt.

Meine Eltern fragen mich nur kurz, wie es mit der Schule und meinen Freunden läuft, aber die meiste Zeit reden sie miteinander, ohne zu versuchen, mich in ein Gespräch einzubinden. Ich weiß nicht, wie ich ihnen dafür danken kann, denn ich weiß, dass es sie viel Überwindung kostet, mich nicht mit Blicken und Fragen durchzulöchern. Während die beiden über Urlaubspläne sprechen, höre ich ihnen einfach nur kauend zu.

Es tut gut, nichts sagen zu müssen, die Situation nicht erklären zu müssen, auch wenn ich weiß, dass ich es ihnen irgendwann sagen muss, wenigstens einen Teil davon muss ich mir von der Seele reden, aber nicht jetzt. Noch bin ich nicht bereit dazu.

Nachdem ich meinen Teller leergegessen habe, schiebe ich ihn von mir. Für eine Sekunde zögere ich, doch dann sage ich:»Dad?«

Er schaut so schnell auf, dass er sich beinahe an seinem Essen verschluckt. »Ja?«

Ich atme tief ein und aus. Es fühlt sich seltsam an zu reden, nachdem man tagelang so gut wie stumm gewesen ist. »Ich...wegen der Schule, du weißt schon...ich habe noch viel für meine Kurse zu lernen. Nach den Winterferien sind die Vorabiklausuren und da wollte ich fragen, ob ich...ob ich den Job bei den Moranis nicht kündigen könnte.« Unsicher beiße ich mir auf die Unterlippe. Ich weiß nämlich noch, wie mein Vater beim letzten Mal reagiert hat, als ich ihn darum gebeten habe, kündigen zu dürfen. »Ich würde den Job echt gerne weiter machen...aber du weißt, wie wichtig es für mich ist, eine gute Abschlussnote zu bekommen.«

Dad sieht mich völlig verdutzt an, doch dann fängt er plötzlich an zu lachen, so dass die kleinen Fältchen an seinen Augen zum Vorschein kommen. »Natürlich«, meint er und klopft mir dabei auf die Schulter. »Ich hätte nicht einmal gedacht, dass du so lange durchhältst.«

Eigentlich sollte ich mich freuen, aber ich tue es nicht.

Nach dem Abendessen gehe ich auf mein Zimmer und wähle die Nummer von Mrs. Moranis. Wahrscheinlich sollte ich bis morgen warten und nicht so spät am Abend anrufen, aber ich befürchte, dass ich das nicht mehr kann. Umso länger ich warte, umso unsicherer werde ich. Einfach so zu kündigen, fühlt sich nicht richtig an, aber ich wüsste nicht, was ich sonst tun könnte. Die Aussicht darauf, im Haus der Moranis auf Alec zu treffen, erfüllt mich nicht gerade mit Endorphinen.

Ich könnte auch bei ihnen zu Hause aufs Festnetz anrufen, aber ich möchte nicht riskieren, dass Alec vielleicht den Hörer abnimmt, weil ich mir dann nicht mehr sicher bin, ob ich einfach so auflegen könnte.

Zu meinem Glück geht Mrs. Moranis schon nach dem zweiten Klingeln an den Hörer. »Rebecca«, ruft sie so freudig, dass es mir beinahe das Herz zerbricht. Es ist lange her, dass ich ihre Stimme gehört habe, aber sie hat sich überhaupt nicht verändert.

Ich möchte diesen Job nicht aufgeben. Ich möchte nicht darauf verzichten, Caleb sehen zu können und dieser netten Frau unter die Arme zu greifen, nur weil ihr älterer Sohn und ich gewisse Probleme miteinander haben, aber noch weniger kann ich Alec jemals wieder unter die Augen treten und egal wie schwer mir die nächsten Worte fallen, ich muss sie endlich aussprechen.

»Mrs. Moranis, ich-«, fange ich an.

»Maja«, unterbricht sie mich.

»Wie bitte?«

»Nenn mich Maja«, sagt sie und lacht. »Das habe ich dir schon einmal gesagt, mein Liebes. Sonst fühle ich mich so alt.«

»Ach so. Natürlich, äh, Maja. Ich muss Ihnen...dir leider sagen, dass ich...ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.« Ich halte kurz inne und denke nach. Auf keinen Fall soll das hier wie eine eiskalte Abfuhr klingen, aber ich möchte auch nicht um den heißen Brei reden. »Ich kann diesen Job nicht länger machen. Ich...es tut mir leid.«

»Oh nein«, sagt sie und wirkt ehrlich traurig. »Das ist aber schade. Wieso denn? Reicht dir der Lohn nicht? Ich kann gerne etwas drauflegen, wenn das das Problem ist.«

»Nein, das ist es nicht. Ich-«

Maja seufzt schwer. »Ist Caleb wieder zu frech? Rebecca, er meint das nicht so. Caleb ist ein netter Junge, nur manchmal-«

»Nein«, unterbreche ich sie. »Caleb ist wunderbar. Er ist ein Goldstück. Wir verstehen uns prima. Das ist es nicht...ich schaffe es nur nicht mit der Schule. Das ist alles.«

»Oh.« Eine kurze Pause entsteht, bevor sie weiterspricht. »Das ist wirklich schade. Ich hatte das Gefühl, dass ihr beide euch wirklich gernhabt.«

Dann tun wir, möchte ich sagen, aber ihr älterer Sohn und ich verstehen uns dafür weniger.

»Hast du dich denn schon von Caleb verabschiedet?«, fragt Maja plötzlich. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich das nicht gemacht habe. Natürlich habe ich das nicht.

»Ich, ähm...« Ich kaufe auf meiner Unterlippe herum und werde rot. »Nein.«

»Okay, warte kurz.« Sie wartet nicht einmal meine Antwort ab. Ich höre, wie sie nach Caleb ruft. Eine Minute lang höre ich die beiden leise miteinander diskutieren, bevor er sich schließlich am Hörer meldet. Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber ich habe das Gefühl, dass seine Stimme am Telefon tiefer klingt, reifer irgendwie. »Becca?«

»Hey Caleb«, rufe ich betont fröhlich in mein Handy, obwohl mir wohl eher zum Heulen zumute ist, als hätte ich die letzten Tage nicht schon genug geweint. Der Gedanke, Caleb nie wieder zu sehen, treibt mir die Tränen in die Augen und ich gebe mir die beste Mühe, mein Schluchzen zu unterdrücken. Ich atme tief ein und aus und kneife die Augen zusammen.

»Warum willst du kündigen, Becca?« Caleb klingt vorwurfsvoll – und genau das gibt mir den Rest. Heiße Tränen fließen über meine Wange. Ich versuche zu atmen, auch wenn es mir schwer fällt. Es ist schrecklich. Ich habe Loreen immer ausgelacht, weil sie wegen jeder Kleinigkeit in Tränen ausbricht und jetzt sitze ich hier und heule wegen einem zwölfjährigen Jungen wie ein Schlosshund. »Es liegt nicht an dir...es liegt an-«

»Alec?«

»Was?« Alleine bei seinem Namen zucke ich schon zusammen, als hätte mir jemand eine Backpfeife verpasst und irgendwie hat Alec das auch. Nicht mit seiner Hand, dafür aber mit Worten. Ich wische mir über das nasse Gesicht, reiße mich zusammen und versuche, mich wieder auf Caleb zu konzentrieren. »Wie kommst du darauf?«

»Ich habe Augen im Kopf.« Caleb seufzt. »Könnt ihr das nicht untereinander klären? Was soll ich denn jetzt machen, wenn du nicht mehr vorbeikommst und mich mit deinen endlosen Monologen nervst? Wen kann ich beim Zocken fertig machen und auslachen?«

»Also hör mal«, rufe ich gespielt empört. Meine Augen brennen immer noch. »Ich weiß, dass du meine Monologe liebst. Und sooo schlecht spiele ich gar nicht. Da ist eine deutliche Verbesserung zu sehen.«

Caleb lacht leise. »Das werde ich vermissen. Und deine schrecklichen Nutella-Brote...und die Tees.«

»Es tut mir leid, Caleb«, sage ich leise und ich meine es auch wirklich so. Es tut mir schrecklich leid...und weh.

»Kannst du trotzdem ab und zu vorbeikommen? Du musst unbedingt deinen Hund vorbeibringen. Alec hat mir erzählt, dass er Pizza heißt. Der Name ist echt schräg. Ich meine, wie kommt man auf so etwas? Du scheinst echt auf Pizza zu stehen. Wenn ich einen Hund hätte, würde ich ihn auch nicht einfach so Döner nennen, weil ich gerne Döner esse.« Er hält inne. »Becca? Weinst du?«

Ich kann Caleb vor mir sehen. Mit seinen großen, dunklen Augen und dem spitzbübischen Grinsen im Gesicht. Alleine das Bild von ihm vor meinen Augen entlockt mir ein Schluchzen. Warum stellst du dich nur immer so an, Rebecca? Am Anfang konntest du diesen kleinen Jungen nicht ausstehen und jetzt weinst du, als wäre er tot.

»Ich bringe Pizza mal vorbei. Versprochen«, lüge ich, ohne auf seine Frage einzugehen, und bevor Caleb weitersprechen kann, lege ich auf. Ich schalte das Handy aus und werfe es auf mein Bett – und mich gleich hinterher. Dann nehme ich Mr. Plüschi und wische mir meine Tränen mit seinem Hintern ab.

Ich verkrieche mich für die nächsten zwei Tage weiter in meinem Zimmer. Lasse mein Handy ausgeschaltet bis die Nacht anbricht und schaue mir dann die Nachrichten an, die Alec mir über den Tag verteilt schickt. Ich lösche die Textnachrichten wieder ohne sie zu lesen und auch die Nachrichten, die er auf meiner Mailbox hinterlässt, werden sofort gelöscht.

Ich will nicht hören, was Alec zu sagen hat. Er soll mir nicht sagen, dass ich wegen ihm nicht kündigen brauche. Ich will nicht hören, dass es Alec leidtut, denn am Ende würde ich ihm vielleicht verzeihen, obwohl ich weiß, das er all das nicht einmal ernst meint.

Am nächsten Tag kommt Loreen vorbei. Sie versucht aus mir herauszuquetschen, was passiert ist und auch wenn sie sich schon denken kann, dass es mit Alec zu tun hat, weiß sie immer noch nicht, was genau passiert ist. Ich bin immer noch nicht in der Stimmung, darüber zu reden und langsam frage ich mich, ob ich jemals bereit dazu bin. Ich möchte kein großes Drama aus allem machen, so wie Alec es ausgedrückt hat, ich möchte einfach nur alleine sein und mit mir selbst ins Reine kommen. Es ist einfach so demütigend, ihr davon zu erzählen. Ich schäme mich für alles, was ich getan habe, dass ich mich all die Zeit so von ihm behandelt lassen habe, dass ich mit ihm geschlafen habe, obwohl ich wusste, dass ich ihm nichts bedeute, dass ich blind vor Liebe über all das hinweg gesehen habe. Das alles wird mir erst jetzt so richtig bewusst.

Nach etwa zwei Stunden gibt Loreen es auf, etwas aus mir heraus zu bekommen.

»Becca«, sagt sie noch einmal an der Tür, aber ich sehe sie nicht einmal an, starre einfach nur einen Fleck an der Wand an. »Du kannst mich jederzeit anrufen, wenn du reden willst...oder wenn du möchtest, dass dich einfach nur jemand in den Arm nimmt.«

Ich schäme mich so sehr, dass ich ihr nicht einmal mehr in die Augen sehen kann, weil ich mir sicher bin, dass Loreen nicht mehr als ein billiges Flittchen in mir sieht, das einem Kerl hinterher läuft, der keinerlei Gefühle für sie übrig hat.

Ich bin Alec so egal, dass er mich nicht einmal hassen kann.

Loreen dreht sich um und möchte gerade gehen, als ich die Augen zusammenkneife und flüstere:»Kannst du mich jetzt einfach nur in den Arm nehmen? Bitte

Continue Reading

You'll Also Like

40.4K 605 15
-Darkromance- -Start:22.2.24- Als Amaya endlich auf die neue Schule kam, dachte sie es wird wie vorher. Mr Martinéz, ihr neuer Lehrer, macht ihr da...
950K 28.9K 149
»Eine gefährliche Leidenschaft.« Als Devin, Cécilia das erste Mal sah, wollte er sie um jeden Preis in seinem Folterkeller sehen. Es war Devins Leid...
390K 19.4K 31
Evelyn Brooks kommt zurück nach Manhattan .. Zu ihren alten Freunden .. Und zu Drew. --- Cover by angekritzeltt Story by me
701K 28K 52
Mila Summer, eine junge attraktive Frau, die definitiv mit beiden Beinen im Leben steht. Zusammen mit ihrer besten Freundin versucht sie den Alltag s...