Badass

By stylesti

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Dass eine einzige Party das Leben der siebzehnjährigen Rebecca völlig auf den Kopf stellt, hatte sie nicht ko... More

0 | Schuld
1 | Die Party
2 | Der schöne Unbekannte
3 | Der imaginäre Hund
4 | Predigten und Strafen
5 | Babysitten mit Links
7 | Geständnisse und andere Katastrophen
8 | Heilige Scheiße
9 | Pizza
10 | Eine Entschuldigung
11 | Daddy
12 | Erste Annäherungsversuche
13 | Gorillas
14 | Wutausbruch
15 | Krankenschwester Beccs
16 | Arschlöcher bleiben Arschlöcher
17 | Hass und Liebe
18 | Ein Tritt in den Schritt
19 | Ein unerwarteter Anruf
20 | Alecs andere Seite
21 | Der Morgen danach
22 | Rote Spitze
23 | Ein Abschiedskuss
24 | Eine teuflische Idee
25 | Rache ist süß
26 | Schnüffeln muss Gelernt sein
27 | Ablenkungsmanöver a la Becca
28 | Lügen
29 | Dr. Moranis
30 | Eifersüchtig?
31 | Erwischt
32 | Nicht wie die anderen
33 | Du bist schön
34 | Das erste Date
35 | Ich liebe ihn
36 | Stolz
37 | Schokoeis heilt alle Wunden
38 | Fehler
39 | Trauer
40 | Es tut mir leid
41 | Liebe
42 | Fragen über Fragen
43 | Dunkelheit
44 | Ein paar Antworten
45 | Fiese Gedanken
46 | Das fünfte Rad am Wagen
47 | Ich will nur reden
48 | Nur ein einziges Mal
49 | Alles und nichts
50 | Lasagne
51 | Sein wahres Gesicht
52 | Brüder
53 | Der Anfang vom Ende
54 | Danke
55 | Leb wohl
56 | Das Ende der Party
Danksagung
Badass Spin-off
Kickass
Kickass 2.0

6 | Caleb

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By stylesti

• Jaymes Young - I'll Be Good •      

Die erste Schulwoche ist gar nicht so schlimm - wir bekommen unsere Stundenpläne, alle Klausurtermine für das kommende Halbjahr und besprechen in den einzelnen Kursen die Themen. Es tut gut, meine besten Freunde wieder regelmäßig zu sehen und nicht mehr zu Hause fest zu sitzen.

Sobald ich zu Hause bin, lege ich mich hin und faulenze, lese und schaue ein paar Serien. So vergehen die Tage und das ist das Gute an der ersten Schulwoche - man hat noch Luft zum Atmen. So geht die Woche ganz schnell herum und der Samstag steht irgendwann vor der Tür. Der Tag, den ich so lange versucht habe, hinauszuzögern.

Am Nachmittag gehen Aaron, Loreen und ich zusammen in die Stadt, um Besorgungen für die Schule zu machen. Klausurhefte, Hefter und andere Dinge.

Wir lassen uns von fast allem ablenken. Loreen macht andauernd Faxen und Aaron kriegt sich kaum noch ein, während ich grinsend daneben stehe. Es tut echt verdammt gut, sich mal wieder richtig mit den beiden zu treffen und Spaß zu haben. Ich weiß nicht, wann wir uns zum letzten Mal einfach so zu dritt getroffen haben, um herum zu albern, auch wenn wir uns eigentlich nur neue Schulsachen kaufen wollten, aber ich bin mir sicher, dass ich das in näherer Zukunft öfter mal brauchen werde.

Nachdem es zu spät ist, um vor meinem Bewerbungsgespräch noch einmal nach Hause zu fahren, entscheide ich mich dafür, mir was in einer Imbissbude zu kaufen, um auch ganz sicher pünktlich zu meinem Termin anzukommen. Ich werfe einen Blick auf die Uhr und stelle fest, dass ich in etwa einer Stunde bei ihnen sein sollte.

Ich kaufe mir einen Burger und stopfe mir das Essen so schnell es geht in den Mund, danach verabschiede ich mich von Aaron und Loreen und springe in den nächsten Bus. Loreen hat noch versucht, mich aufzumuntern, bevor wir uns verabschiedet haben, was aber leider nicht ganz funktioniert hat.

Seufzend lasse ich mich auf einen leeren Platz fallen und krame mein Handy heraus. Ich schaue erneut auf die Uhr. Noch vierzig Minuten. Ich berechne die Fahrtzeit im Kopf. Wenn der Bus pünktlich ist, dann bin ich in einer halben Stunde etwa da. Das sollte zu schaffen sein.

Ich lasse mich zurück in meinen Sitz fallen, stelle meinen Rucksack auf den Platz neben mir ab und schaue aus dem Fenster. Die gesamte Fahrt über beobachte ich die Landschaft, an der wir vorbeifahren, während ich Musik höre. Auch wenn ich mich zu entspannen versuche, spüre ich, wie die Nervosität und Angst die Oberhand gewinnt. Ich kaue die gesamte Fahrt über an meinen Lippen herum, kratze den Lack an meinen Nägeln ab und seufze gefühlt jede Millisekunde.

Zweiunddreißig Minuten später komme ich schließlich an. Ich steige mit zwei älteren Damen aus und warte bis der Bus weiter fährt.

Als ich an der Haltestelle stehen bleibe, schaue ich mich kurz um, bevor ich mein Handy heraus krame, um noch einmal die Adresse zu sehen. Ich tippe sie in Google Maps ein und beginne, der Wegbeschreibung zu folgen. Aus den angeblichen zwei Minuten Fußmarsch werden fünf einhalb, weil ich zu blöd bin, um mich an einer Karte zu orientieren und ich keine Straßenschilder sehe, geschweige denn Menschen, die ich fragen könnte. Selbst die alten Damen von eben sind wie vom Erdboden verschwunden.

Als ich schließlich vor einem schicken, weißen Haus stehe, glaube ich, dass ich richtig bin. Ich gehe durch den kleinen Vorgarten, steige exakt drei Stufen hinauf und bleibe schließlich vor der Haustür stehen. Mein Blick fällt auf die Klingel. Moranis. Das ist es. Ich zögere noch eine Sekunde, bevor ich schließlich klingele. Tief ein und ausatmen. Wenn ich das hier nicht durchziehe, reißt mein Vater mir heute Abend noch den hübschen Kopf ab, nachdem er von der Arbeit kommt und um ehrlich zu sein mag ich meinen Kopf ganz gerne dran haben.

Die Tür geht langsam auf. In der nächsten Sekunde steht ein Junge vor mir. Ein kleiner Junge. Ich senke überrascht den Blick, weil ich zuvor mit jemandem gerechnet habe, der naja...mindestens genauso groß ist wie ich.

Der Junge rückt etwas zurück und versteckt sich ein wenig hinter der Tür, als er mich sieht. Fast so, als wäre ich ein Monster, das droht, ihn bei lebendigem Leibe zu verspeisen. Na super. Ich komme sowieso nicht mit Kindern klar und jetzt öffnet auch noch dieser Zwerg mir die Tür.

Was soll ich tun? Leicht panisch gehe ich alle meine Optionen durch - ich könnte mich entschuldigen, so tun als hätte ich mich an der Tür geirrt und auf dem Absatz kehrt machen, von Zuhause weglaufen und ein Leben unter einer Brücke führen...oder ich stelle mich diesem kleinen Drachen und lasse die Strafe meiner Eltern über mich ergehen.

Ohne groß darüber nachzudenken, entscheide ich mich für die erste Möglichkeit. Vielleicht ist ein Brücken-Leben gar nicht so schlimm. Vielleicht öffnet es mir ungeahnte Türen in neue Welten, vielleicht lerne ich nette Brücken-Nachbarn kennen und führe ein schönes, bescheidenes Leben. Ich könnte mir von meinem Ersparten ein paar Kissen und Decken kaufen, vielleicht ein, zwei Jacken und dann könnte es echt gemütlich werden.

Mit einem leisen »sorry« drehe ich mich schnell wieder um und laufe los, bevor ich noch weiter darüber nachdenken kann. Ich schaffe genau drei Schritte, bevor ich jemanden meinen Namen sagen höre und wie angewurzelt stehen bleibe.

»Rebecca, sind Sie das?«

Mist. Großer, übergalaktischer Hundemist. Ich stehe wieder vor genau zwei Möglichkeiten: einerseits könnte ich meinen großen Traum vom Leben unter der Brücke verwirklichen, indem ich so tue, als würde ich mich nicht angesprochen fühlen, andererseits könnte ich mich umdrehen und den Babysitter Job doch noch in Angriff nehmen. Ich wiege meine Optionen ab und drehe mich am Ende doch um, auch wenn sich alles in mir dagegen sträubt.

Ein dunkelhaariger, großer Mann steht vor mir. Er trägt einen schicken dunklen Anzug und darunter ein weißes Hemd. Sein Lächeln versprüht Wärme und wirkt keinesfalls aufgesetzt oder unangenehm. Er sieht genauso aus, wie ich ihn mir vorgestellt habe und doch ganz anders. Die Wärme, die ich bei unserem Telefonat verspürt habe, sehe ich in seinem Gesicht, aber er sieht viel...attraktiver aus, als ich ihn mir vorgestellt habe. Ich habe ihn mir ein wenig runder, kleiner und irgendwie älter vorgestellt. Er gehört gehört definitiv zu der Sorte Männer, die mit dem Alter wohl attraktiver werden. Wie ein Wein, der mit den Jahren immer besser schmeckt.

Ich zwinge mich zu einem Lächeln, als er mich immer noch freundlich mustert. »Oh. Hey Mr. Moranis.« Ich lache auf und kratze mich am Hinterkopf, während ich mir passende Worte im Kopf zurecht lege. »Was machen Sie denn hier?«

Wie bitte, was? Das waren definitiv die unpassendsten Worte, die ich hätte bringen können. Innerlich schlage ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. So etwas kann auch nur von mir kommen, oder? Wieso kann ich mich nicht einmal wie ein normaler Mensch benehmen?

Vielleicht könnte ich Mr. Moranis erklären, dass ich dringend nach Hause muss und den Job nicht annehmen kann. Die Ausrede mit dem Hund letztens ist gar nicht so schlecht gewesen, vielleicht würde er mir glauben...oder ich sage ihm die Wahrheit - nämlich, dass ich mit Kindern gar nicht klar komme und sie nicht mit mir. Vielleicht ist das aber auch nicht nötig, weil er nämlich bemerkt wie ungeeignet ich für diesen Job bin, sobald er mich richtig kennenlernt. Sein kleiner Sohn scheint mich jedenfalls jetzt schon nicht zu mögen.

Aber er sagt nichts zu meiner lächerlichen Frage, stattdessen lacht er und tritt zur Seite, während er einladend ins Haus zeigt.

Der kleine Junge, der mir eben die Tür geöffnet hat, steht immer noch da, die Hand seines Vaters auf der Schulter. Ich schlucke. Er wirkt ganz anders als sein Vater, der offen und freundlich ist - der Kleine sieht verschlossen und ziemlich misstrauisch aus. Das fängt ja schon richtig gut an.

Ich zwinge mich zu einem Lächeln, nicke und gehe zurück zur Haustür. Bevor ich ins Haus trete, entschuldige ich mich noch ein mal, trete die Schuhe an der Fußmatte ab und gehe hinein.

Mr. Moranis bedeutet mir, vorzugehen und schiebt dann seinen Sohn hinterher. Ich versuche, mich nicht allzu neugierig umher zu schauen, als ich durch den Flur ins Wohnzimmer gehe. Das Haus sieht von innen - jedenfalls das, was ich bis jetzt gesehen habe - mindestens genauso schick aus, wie von außen. Hier wohnen eindeutig Menschen, die viel Wert auf die Inneneinrichtung ihres Hauses legen. Die Möbel sind alle farblich abgestimmt und glänzen entweder in einem strahlenden Weiß oder einem schlichten, aber schönen Schwarz.

Mein Blick gleitet über die teuren Möbel, den Kamin, bis hin zu den Bildern an der Wand, die zwar keine Familienfotos zeigen, aber vermutlich von berühmten Künstlern gezeichnet wurden. Ich habe es nicht so mit Kunst, um ehrlich zu sein.

Etwas unsicher bleibe ich vor der schwarzen Couch stehen. Ich wette dass sie aus echtem Leder besteht, denke ich, während mein Blick ehrfürchtig drüber gleitet. Ein paar Tausender sind dadurch bestimmt geflossen.

Mr. Moranis lächelt mich an, während er auf den Sessel deutet. »Setzen Sie sich, Rebecca. Möchten Sie was trinken? Meine Frau kocht gerade ein wenig Tee in der Küche. Mögen Sie schwarzen Tee?«

Ich nicke langsam, auch wenn ich eigentlich nicht so der große Teetrinker bin. Eine Ablehnung käme mir zu unhöflich vor. In mir sträubt sich alles dagegen, sich auf dieses kostbare Sofa zu setzen, aber ich möchte auch nicht wie eine Idiotin stehen bleiben und setze mich schließlich nach langem Zögern vorsichtig hin.

»Also«, meint er mit einem Lächeln im Gesicht, nachdem Mrs. Moranis uns den Tee gebracht hat. Mrs. Moranis ist eine wunderschöne, südländische Schönheit. Sie hat langes, schwarzes Haar, die ihr in schönen Locken um das Gesicht hängen, große, hellbraune Augen und sieht in ihrem Alter schöner aus, als ich es je werde. Mrs. Moranis, die sich mir als Maja vorstellt, begrüßt mich mit einer warmen, offenen Umarmung, obwohl ich sie noch nie zuvor gesehen habe. Und ich habe keinen blassen Schimmer wie dieser kleine Junge bei zwei so offenen Eltern so verschlossen werden konnte.

Während Mr. Moranis ein großer Mann mit breiten Schultern ist, der eher so aussieht, als würde er bei der italienischen Mafia arbeiten, als ein einfacherer Firmenarbeiter zu sein, ist Mrs. Moranis eine kleine, zierliche Frau. Sie sehen beide freundlich aus und strahlen eine gewisse Wärme aus.

Die beiden setzen sich links und rechts neben den Jungen. Mr. Moranis, der mir nun schon mehrmals sagt, dass ich ihn einfach nur Alessio nennen soll, zeigt stolz auf seinen Sohn und sagt:»Das ist unser Sohn Caleb.«

Ich sehe Caleb an, der bis jetzt kein Wort gesagt zu haben scheint und lächle, doch anstatt zurück zu lächeln, weicht er meinem Blick aus.

Mit einem nervösen Lächeln sieht Mrs. Moranis mich an, ihre Hand legt sich auf Calebs Schulter, als sie sagt:»Er ist ziemlich verschlossen. Das liegt nicht an Ihnen, Rebecca. Caleb taut erst bei seinem großen Bruder richtig auf.«

»Großer Bruder?« Ich hebe eine Braue. Dass sich hier noch eine Rotzgöre herum treibt, wusste ich nicht. Es war nie die Rede davon, dass ich mich um zwei Kinder kümmern muss. Ich komme nicht einmal mit einem klar, da werden mich zwei in den Tod treiben.

»Alec«, mischt sich Mr. Moranis ein. »Er studiert schon und kommt nur ab und zu vorbei. In den Semesterferien oder wenn er mehrere vorlesungsfreie Tage hat.«

»Ach so.« Ich rutsche etwas auf dem Sofa herum, beuge mich vor und nehme die dampfende Tasse Tee in die Hände. Wenn ich trinke, kann ich nicht reden und reden ist genau das, was ich nicht möchte. Am liebsten würde ich das Ganze hier überspringen und nach Hause rennen.

Mr. Moranis schaut zwischen Caleb und mir hin und her. »Was denkst du, mein Junge?«

Caleb schaut mich gar nicht erst an, sein Blick ist nach unten auf den Boden gerichtet, während er einfach nur mit den Schultern zuckt. Wow, das nenne ich mal Begeisterung.

Mr. Moranis lacht, als sein Blick schließlich von Caleb zu mir gleitet. »Er ist ein wenig schüchtern, aber ich bin mir sicher, dass sich das mit der Zeit legen wird. Also von mir aus haben Sie den Job, Rebecca.«

Ich zwinge mich zu einem Lächeln, als Mr. Moranis seine Frau ansieht, die ihm bekräftigend zu nickt. Mein Blick fällt wieder auf Caleb, der brav zwischen seinen Eltern sitzt, die Hände im Schoß und den Blick starr auf den Boden gerichtet. Er hat keinen einzigen Ton von sich gegeben bis jetzt und mich ansehen, tut er auch nicht. Vielleicht wäre das Brücken-Leben doch die bessere Option gewesen, aber jetzt ist es sowieso zu spät. Ich habe den Job und muss das Ganze wohl oder übel durchziehen.

~

»Und?«, fragt mein Vater mit einem breiten Grinsen im Gesicht, als wir am Abend alle gemeinsam am Esstisch sitzen. Er trägt immer noch seinen Anzug von der Arbeit, weil er erst eben nach Hause gekommen ist und lockert seine Krawatte, während er sich zurück lehnt und aus seinen wachsamen Augen mustert. »Du bist doch dort gewesen, oder?«

Ich verdrehe kauend die Augen, schlucke schnell das Stück Fleisch in meinem Mund herunter und antworte:»Natürlich bin ich dort gewesen. Ihr habt mir schließlich keine andere Wahl gelassen, als das Babysitten oder mich enterben zu lassen und das Erbe will ich mir ganz sicher nicht entgehen lassen«, sage ich und deute mit meinen Fingern Geld nach.

Das ist natürlich nicht ernst gemeint und das wissen meine Eltern auch. Mein Vater lacht und auch meine Mutter kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Im Gegensatz zu den beiden finden mich Loreen und Aaron überhaupt nicht lustig. Jedes Mal wenn ich versuche einen Witz zu reißen, bin ich am Ende die Einzige, die darüber lacht, was schon echt peinlich ist.

»Wie ist es gewesen? Hast du den Job? Mensch, Rebecca, müssen wir dir alles aus der Nase ziehen?« Meine Mutter funkelt mich böse an, als ich ihre Frage zu ignorieren versuche und mir stattdessen ein weiteres Stück Fleisch in den Mund schiebe. Ich kaue langsam darauf herum, während ich in meinen Kartoffeln herum stochere und mir überlege, wie ich antworten soll. Natürlich könnte ich den beiden einfach die Wahrheit sagen...oder ich lüge und behaupte, dass alles super gelaufen ist.

»Ich habe den Job«, antworte ich schließlich. »Und Caleb, der Kleine auf den ich aufpassen soll, scheint ganz nett zu sein, etwas verschlossen vielleicht, aber das wird bestimmt noch mit der Zeit.«

»Das ist meine Tochter«, jubelt mein Vater voller Stolz in den Augen, als er mir auf die Schulter klopft. »Motiviert und optimistisch. Ich glaube, dieser Job wird dir gut tun, Prinzessin.«

Wenn er wüsste.

~

Am Montag kennen die Lehrer kein erbarmen mehr. Die erste Schulwoche ist herum und damit auch das ständige Faulenzen, dabei ist Faulenzen nicht nur eins meiner Hobbys, sondern auch noch eins meiner Fähigkeiten. Ich bin verdammt gut darin, nichts zu tun - jedenfalls nichts produktives.

Aaron ist wie immer in Topform, ein Musterschüler und Loreens und meine Rettung, wenn es darum geht, noch schnell die Hausaufgaben abzuschreiben, bevor der Unterricht beginnt. Dadurch, dass wir aber nicht alle die selben Leistungs- und Grundkurse gewählt haben, haben wir nicht das Glück, alle Kurse gemeinsam zu haben, aber da muss ich wohl durch, wenn ich meinen Abschluss schaffen will. Durch dieses Jahr komme ich wohl oder übel nur, wenn ich mich auch richtig anstrenge und lerne.

»Wie lief es mit dem Babysitten?«, fragt Loreen mich in der Mittagspause grinsend.

Ich verdrehe die Augen und schüttele den Kopf. »Frag lieber nicht. Ich habe noch nicht einmal richtig angefangen und ich glaube, der Junge kann mich trotzdem nicht leiden. Er hat kein einziges Wort gesagt. Das war schrecklich.«

»Das kommt noch mit der Zeit«, versichert Aaron mir mit einem strahlenden Lächeln. Seine blauen Augen bohren sich in meine, als er mir grinsend zu zwinkert. Er ist schon immer der Optimist in unserer kleinen Runde gewesen, der Strahlende und Freundliche. Ich nicke ihm zu, weil ich es wertschätze, dass er versucht, mich aufzubauen, auch wenn es nicht wirklich funktioniert.

Sara, Aarons Freundin, sieht mich verwirrt an. Ihre großen, braunen Augen starren mich an und irgendwie sieht sie, naja, ziemlich beleidigt aus. Na klar, sie weiß nichts von der Sache mit der Party und dem Babysitten. Sie muss sich wohl wie ein Idiot vorkommen, weil sie nicht weiß, wovon wir reden - aber das ist nicht mein Problem, um ehrlich zu sein.

Ich habe nichts gegen sie und es ist völlig in Ordnung, wenn sie mit uns am Tisch sitzt, aber Loreen und ich mögen sie doch nicht so weit, dass sie sich den Platz zwischen uns dreien verdient hätte. Sie ist eine lästige Fliege, die wir ab und zu ertragen, aber auch nicht mehr. Ich weiß sowieso nicht, wieso Aaron mit ihr zusammen ist. Er hätte etwas besseres verdient.

Und weil ich ihr nicht die ganze Sachlage erklären möchte, winke ich einfach nur ab. Aus dem Augenwinkel beobachte ich, wie sie wütend schnaubt, aber das ist mir egal. Stattdessen wende ich mich wieder meinen zwei besten Freunden zu und beginne, von dem Haus zu schwärmen, in dem ich fortan nun arbeiten werde, von den teuren Möbeln und dem vielen Geld, das ich verdienen werde.

»Das ist leicht verdientes Geld«, meint Loreen mit einem schelmischen Grinsen. »Es gibt genau zwei Sorten von Kindern: die frechen Rotzbängel, die die ganze Zeit Aufmerksamkeit suchen und die braven, ruhigen Kinder, die sich in eine Ecke verkriechen und sich selbst beschäftigen. Da hast du wohl das große Los gezogen.«

Ich sehe Aaron an, um ihn nach seiner Meinung zu fragen, aber er verdreht nur grinsend die Augen, was er immer tut, wenn er jemandem ungerne recht gibt. Vielleicht stimmt das, was Loreen sagt ja wirklich, vielleicht ist dieser Job doch nicht ganz so schlimm, wie ich mir ausgemalt habe.

»Mein Vater wird sich noch wundern«, sage ich mit einem siegessicheren Grinsen und stehe langsam auf, ohne zu bemerken, dass ich die Stimme hebe. »Er wird sehen wie verantwortungsbewusst und erwachsen ich sein kann und mich um Verzeihung bitten und dann werde ich-«

Erst als Aaron mich am Arm zurück auf den Stuhl zieht und Loreen mir zu flüstert, dass ich nicht so zu schreien brauche, fällt mir auf, dass mich einige Leute, die um uns herum sitzen, anstarren. Anscheinend habe ich mich in meiner kleinen Rede ein wenig zu sehr gehen lassen. Mit einem nervösen Lachen kratze ich mich am Hinterkopf, während ich den Leuten an den Tischen eine Entschuldigung zu rufe, bevor ich mich hastig wieder zu meinen Freunden drehe.

Aaron und Loreen grinsen mich breit an, während ich nichts lieber möchte, als im Erdboden zu versinken. Eigentlich bin ich nicht so - wirklich nicht. Das muss wohl an diesem verfluchten Job liegen. Ich werde schon verrückt und paranoid, ohne ein einziges Mal richtig gearbeitet zu haben. Da bin ich ja gespannt auf das, was mich noch erwarten wird. Vermutlich wird das Babysitten doch nicht so ein Zuckerschlecken, wie ich es mir gedacht und irgendwie auch erhofft habe.

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