Hexagramm - Vogelfrei

By Aquamarin2

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Dreizehn Familien, verbunden durch längst vergessene Mächte. Dreizehn Familien, die schon längst vergessen ha... More

Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Epilog
Infos

Kapitel 35

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By Aquamarin2


Auf dem Bild ist Allison

Vorsichtig lauschte ich an der Tür. Auf dem Flur herrschte vollkommene Stille. Ich verbesserte mein Gehör, doch außer, dass ich jetzt die Smalls Zwillinge, das hatte ich aufgeschnappt, belauschen konnte und in der Etage unter uns ein paar Mädchen kichern hörte, war nichts zu hören. Ach ja, ich hörte im Zimmer gegenüber jemand blättern, doch nichts, was mich wirklich interessierte. Auf dem Flur war nichts zu hören, so dass ich auf ihn gehen konnte, obwohl wir schon längst nicht mehr die Zimmer verlassen sollten.
Langsam öffnete ich die Tür einen Spalt breit, so dass Bubble auf ihn laufen konnte. Das kleine Kätzchen schob sich an mir vorbei. Ich hörte, sie auf den Flur laufen, bis sie bei den Treppen war, dann kam sie wieder zurück.
Nachdem sie wieder bei mir im Zimmer war, stupste sie mir leicht ans Bein, als wolle sie mich auf den Flur schieben. Also war die Luft rein. Ich wollte mich gerade auf den Flur schieben, als Laura mich das erste Mal ansprach.
„Es ist verboten jetzt noch die Zimmer zu verlassen." Ich überlegte kurz so zu tun, als würde ich sie nicht hören, beschloss dann aber, die Erwachsene zu sein.
„Ich weiß. Deshalb lausche ich auch an der Tür und schicke Bubble vor. Damit ich nicht erwischt werde. Bis morgen." Mit diesen Worten schob ich mich aus dem Raum. Die Tür schloss ich leise hinter mir, sodass ich die Antwort nicht mehr hören konnte. Ich schlich weiter zu der gegenüberliegenden Tür. Kathryn Harris, Karen Morales und Marlene McKinnon, die drei Namen standen in der gleichen schwarzen Schrift wie bei uns an der Zimmertür. Schnell klopfte ich an. Schließlich wollte ich nicht doch noch erwischt werden. Drinnen wurde es sofort ruhig, bis man ein leicht irritiertes „herein" hörte. Ich öffnete die Tür und schob mich schnell in den Raum. Die zwei Mädchen starrten mich an, als würden sie ein Geist sehen, während Marlene breit grinste und nicht einmal von ihrer Zeitschrift aufsah.
„Ich habe mich schon gefragt, ob du noch kommst." „Natürlich, was dachtest du denn?"
„Es ist schon spät. Die Nachtruhe hat angefangen", wurde mir von der Vertrauensschülerin mitgeteilt.
„Wer sich immer an die Regeln hält, kann nie behaupten, richtig gelebt zu haben." Harris zog empört die Luft ein, sagte aber nichts mehr. Ich musste grinsen. Bei der Blondine fühlte ich mich doch viel wohler als auf meinem eigenen Zimmer. Ich schob sie ein Stück beiseite um mich zu ihr in das Bett zu legen. Durch das Regal von Marlene konnte ich das dritte Mädchen sehen. Sie hatte schulterlange, dunkelblonde Haare, doch mehr sah ich nicht, da sie mit dem Rücken zu uns auf dem Bett saß. Ich sah fragend zu meiner Freundin.
„Genauso freundlich wie die anderen. Und deine zweite?"
„Wie ihr Zwilling."
„Da kommt Freude auf." Ich nickte. Neugierig sah ich mich in ihrer Zimmerecke um. Ihr Regal war auf jeden Fall vollgestopfter als meins, was wohl an drei Dingen lag. Erstens: Sie besaß mehr Bücher. Zweitens: Ein paar meiner Bücher waren bei ihr. Drittens: Meine Bücher waren eigentlich Samuels und meine, sodass auch ein paar bei ihm standen. Ich sah mich weiter um. Auf dem Kleiderschrank hatte Marlene ein paar Fotos geklebt. Längst nicht so viele wie ich an der Wand hatte, aber doch schon einige. Ich stand auf, um sie näher anzugucken. Eine breitgrinsende Marlene, die ungefähr sechs war und stolz ihre ersten magischen Fähigkeiten präsentierte. Sie im Alter von neun Jahren mit ihren Großeltern. Das Foto hatte sie auch schon, in Hogwarts auf ihrem Nachttisch stehen gehabt. Dann gab es noch welche aus ihrer Anfangszeit in Hogwarts. Sie mit Mary und Alice, Arm in Arm. Die andere Nymphe hatte mir einmal erzählt, dass die drei am Anfang richtig dicke Freunde geworden waren, doch als sie auch mehr mit Lily, die damals meistens bei Severus Snape war, und Dorcas, die damals ein paar Freundinnen in Hufflepuff hatte, unternahmen, ging es langsam kaputt. Dorcas und Alice wurden das unzertrennliche Duo, als die ich sie auch kennengelernt hatte. Immer neugierig und oft schossen sie über das Ziel heraus. Als sie anfingen, zu sehr herumzustochern, zog sich Marlene mehr und mehr zurück, weshalb auch die Freundschaft mit Mary zerbrach, welche die beste Freundin von Lily wurde.
Ich sah mir die Fotos weiter an. Auf dem Nächsten war sie mit den Rumtreibern zu sehen. Man merkte sofort, dass meine Freundin eigentlich keine Lust auf die Rumtreiber hatte. Sie versuchte, sich von Sirius zu befreien, der beide Arme um sie geschlungen hatte. James hatte ein Buch in der Hand, dass ich sofort als eins von Marlenes identifizierte. Ich musste grinsen. Diese Situation erinnerte doch sehr an meine Freunde aus Hogwarts. Ich merkte, wie Marlene neben mich trat.
„Das finde ich am schönsten. Sirius Blick ist einfach wunderbar." Sie zeigte auf ein Bild, auf dem ich mit den Niffler auf dem Arm tanzte. Dieser strampelte verzweifelt mit den Beinchen, um wieder loszukommen und einen neuen Raubzug begehen zu können. Sirius, der im Hintergrund stand, schien ziemlich empört. Ich hatte ihn damals stehen lassen, weil ich mit dem frisch wiedereingefangen Tierwesen tanzen wollte.
„Die Weihnachtsparty."
„Haben Perlchen und ich doch gut hinbekommen." Wir beide lachten.
„Slugys Blick war so gut, als du mit Dorcas gekommen bist. Er dachte ernsthaft, dass ihr zusammen seid."
„Willst du etwa sagen, dass wir es nicht ernst meinen, Carolin?"
„Wir wissen beide, dass ihr ihn nur ärgern wolltet."
„Ja." Sie grinste breit. Marlene hinter mir gähnte leise.
„Müde?"
„Ich musste früh aufstehen und dann auch noch meine Luftmatratze vor deiner Familie verteidigen." Ich unterdrückte ein Gähnen.
„Du arme."
„Du bist auch komplett fertig." Marlene pikste mir in den Rücken.
„Vielleicht ein bisschen." Die Blondine ließ sich in ihr Bett fallen. Bubble sprang sofort zu ihr.
„Kommst du, Carolin?" Ich nickte schnell.
„Klar doch." Ich zog schnell meine Hausschuhe aus, bevor ich mich zu meiner Freundin in das Bett legte. Eine der wenigen Vorteile an der Schule hier waren die ca. 1,40 breiten Betten. Da konnte man auch mal ein paar Nächte zusammen drin schlafen.
„Fast wie zu Hause", gähnte Marlene.
„Da haben wir mehr Platz."
„Außer Samuel ist zu faul in sein Bett zu gehen."
„Ja, dann haben wir noch weniger Platz."
„Und dein Großcousin schnarcht auch noch."
„Tut er doch gar nicht."
„Doch ganz leise." Sie zwinkerte mir zu.
„Du hörst auch einen Regenwurm husten, wenn du willst."
„Ich weiß." Meine Freundin kicherte leise, ich stimmte mit ein.

Um ungefähr sechs Uhr schlug ich wieder meine Augen auf. Marlene schlief noch. Ihr Kopf lag direkt an der Wand. Ihr Rücken war mir zugewandt. Ich musste leicht grinsen. Manchmal warte ich darauf, dass sie nachts aus dem Bett fiel, aber bisher war es noch nicht passiert. Sie hing manchmal nur halb neben dem Bett, aber das erwartete Rumps war ausgeblieben. Ich drehte mich um. Samuel würde bestimmt gleich auch aufstehen. Ansonsten könnte ich mich mit einen guten Buch im Gemeinschaftsraum verstecken. Na gut, verstecken war wohl das falsche Wort. Denn verstecken würde ich mich nicht an so einen einfachen Ort. Nein, dafür würde ich eher den verbotenen Flur nehmen oder Ähnliches.
Ich stand auf und griff nach meinen Zauberstab auf dem Nachttisch. Dabei stieß ich ein Foto um. Es fiel auf dem Boden. Das Glas des Bilderrahmens zersprang in ein paar tausend Teile. Durch das Geräusch des zerbrechenden Glases schreckte Marlene hoch. Sie sah mich erschrocken, verwirrt und verschlafen an.
„Tut mir leid, Marl. Ich habe dein Foto kaputt gemacht."
„Du hast den Bilderrahmen zerstört."
„Macht es nicht besser." Ich sammelte vorsichtig die Scherben auf. Eine Schnitt sich in meinen Finger.
„Du bist eine Hexe, Carolin. Reparo!" Der Bilderrahmen setzte sich langsam wieder zusammen. Jetzt erst sah ich mir das Foto an. Es war ein weiteres Bild vom Weihnachtsball. Dorcas, Mary, Lily, Alice, Marlene und ich standen zusammen im Gemeinschaftsraum. Wir hatten uns alle in einer Reihe aufgestellt und die Arme um uns gelegt. Wir trugen alle unsere Ballkleider und grinsten in die Kamera. Hinter uns standen die Jungs. Sirius hatte die Arme um Marlene und mich gelegt. Frank hatte Alice von hinten umarmt, während Remus und James hinter Lily und Mary standen. Remus hatte ziemlich verschüchtert Mary die Hände auf die Schulter gelegt, während James, der es ebenfalls bei Lily versuchte, von dieser einen Ellbogen in den Magen bekam.
Ich hatte mal wieder das Gefühl, dass jemand mein Herz herausriss. Sirius Grinsen, Lilys genervtes Gesicht, Remus Schüchternheit, Alice und Franks Verliebtheit. Das alles vermisste ich furchtbar. Ich hatte diese verrückte Truppe mindestens so sehr in Herz geschlossen wie meine eigene Familie.
„Warum hängt es nicht bei den anderen?"
„Weil ich dieses Bild näher bei mir haben möchte?"
„Vermisst du sie?"
„Jeden Tag."
„Ich auch." Liebevoll strich ich über das Foto.
„Mach dir eine Kopie von dem Bild." Ich nickte. Dann war sie schon wieder eingeschlafen.

Ich ging noch kurz duschen und mich anziehen, bevor ich mit einem Buch Richtung Gemeinschaftsraum aufmachte. Ich war gerade dort angekommen, als auf dem Jungenflur eine Tür aufgemacht wurde und Samuel auf den Flur trat. Als er mich sah, stahl sich ein breites Lächeln auf sein Gesicht. Er beschleunigte seine Schritte.
„Hey, Prinzessin Julia und da ist natürlich auch mein kleines Bubblchen." Er sah lächelnd zu seinen Füßen, auf denen die kleine gestreifte Katze saß.
„Hey, Prinz Romeo." Er zog mich in eine Umarmung.
„Willst du lesen?" Er betrachtete mein Buch.
„Ich war mir nicht sicher, ob du schon wach bist."
„Also lässt du für mich den neuen James Bond Teil nicht links liegen?"
„Also wenn du es so sagst –" Er nahm mir schnell das Buch weg.
„Nichts da. Das Buch wird einfach ignoriert." Ich verdrehte die Augen. Samuel trat einen Schritt zurück. Erst jetzt bemerkte ich, dass er seine Krawatte in der Hand hatte, anstatt um den Hals.
„Willst du dir nicht den Strick umbinden?"
„Strick? Ich dachte, es sei ein Gürtel. Ich meine, mich zu erinnern, dass du an deinem ersten Tag in Hogwarts so etwas als Gürtel verwendet hast." Wir betraten den leeren Gemeinschaftsraum.
„Ja, aber ich habe dazu gelernt." Wir ließen uns zusammen auf ein Sofa fallen. Ich nahm ihn die Krawatte ab.
„Pass auf."
„Zeig es mir nicht an mir und auch nicht an dir."
„Ich mach es an dem Buch." Ich nahm mein Buch vom Tisch. Also was hatte Sirius gesagt? Einmal drum herum. Acht Mal die Finger brechen. Neun Fingernägel kaputt machen. Ja so ungefähr sah das bei ihm auch aus. Nur ordentlicher und hübscher, aber das Ding erinnerte an einen Krawattenknoten.
„Tada!"
„Du erinnerst mich gerade an die Elfjährige, die mir stolz ihre ersten kontrollierten Zauber zeigte."
„Das hier ist doch viel toller als ein einfacher Zauber. Um es mit den Worten der Muggel zu sagen, das ist Hexenwerk." Samuel lachte leise.
„Jetzt musst du sie nur noch anziehen."
„Da gibt es ein Problem mit meinen Dickschädel." Er schaffte es gerade mal das Ding als Haarband zu verwenden.
„Sieht cool aus. Wie ein Rocker."
„Ich habe ja schon das richtige Gefährt." Er machte eine Geste, die glaube ich, cool sein sollte. Ich musste deshalb laut lachen.
„Also um ein echter Rocker zu sein, musst du dich anders anziehen und deine Haare. Komm, ich helfe dir." Er beugte sich brav vor, weshalb ich seine Haare durcheinanderbrachte und die Krawatte ihm ordentlich drehte.
„Jetzt bin ich aber ein cooler Rocker."
„Du bist immer noch der Alte. Nur hast du eine neue Frisur, die dir echt gut steht."
„Aber du passt nicht mehr zu mir, Prinzessin." Er stürzte sich auf mich, um meine Frisur zu zerstören.
„Soll ich wieder gehen?" Marlene ließ sich auf den Sessel uns gegenüberfallen. Ich lugte unter Samuels Arm hervor. Er lag halb auf mir darauf, da ich etwas dagegen hatte, dass er meine Frisur verunstaltete. Auf das Gesicht meines Großcousins stahl sich ein breites Lächeln.
„Du bist genau richtig gekommen, McKinnon." Er ließ mich los nur, um sich auf meine beste Freundin zu stürzen.
„Wenn ich ein Rockerprinz bin, dann müssen sich meine beiden Prinzessinnen dem Anpassen." Ich strich mir meine Haare aus dem Gesicht.
„Hat bei mir erfolgreich funktioniert." Marlene versuchte sich, gegen die Attacke zu wehren aber ohne viel Erfolg. Als Samuel wieder von meiner besten Freundin abließ, waren ihre Haare genauso zerzaust wie unsere. Sie lachte laut darüber.
„Wenigstens muss ich nicht als einziges Mädchen so herumlaufen, als wäre ich gerade aufgewacht."
„Jetzt müssen wir zusammen dadurch."
„Wenn euch meine Frisuren nicht gefallen, dann macht sie wieder weg. Allerdings mache ich mir dann auch eine andere." Marlene zog ihren Zauberstab heraus. Nach einem kurzen Wink mit diesem, fielen ihre Haare wieder geordnet über ihre Schultern. Dann zeigte sie mit dem Zauberstab auf mich. Ich hatte das Gefühl, dass kurz Wind aufkam, der nur durch meine Haare wehte. Keine zwei Sekunden später hörte er wieder auf. Meine Haare lagen nun ordentlich aufeinander. Dann wandte sich Marlene an meinen Großcousin.
„Krawatte runter." Brav folgte der Junge Marlenes Anweisung. Im nächsten Moment waren auch seine Haare wieder ordentlich.
„Und jetzt kümmere ich mich um deine Krawatte. So wie sie aussieht, wurde sie von Carolin gefoltert."
„Gefoltert? Ich soll sie gefoltert haben? Ich sage dir mal etwas. Die Krawatte hat mich gequält. Drei Fingernägel hat sie mir abgebissen und alle Finger gebrochen."
„Soll ich Mitleid haben?"
„Deine beste Freundin wurde gefoltert, also ja, sollst du."
„Du hast die Krawatte angegriffen. Du wolltest mir ja unbedingt zeigen, dass du sie binden kannst."
„Verräter." Ich verschränkte beleidigt die Arme.
„Ich liebe dich auch." Samuel zog mich auf seinen Schoß.
„Es gibt Frühstück", schrie Marlene plötzlich auf. Sie tippte auf ihre Uhr. Mein Großcousin lachte leise.
„Dann wollen wir doch mal los." Er hob seine Tasche vom Boden auf, die neben Marlenes und meiner am Sofa lehnte. Schnell taten wir es ihm gleich, bevor wir zu dritt den Gemeinschaftsraum verließen.

Der Speisesaal war schon gut gefüllt. Anders als in Hogwarts gab es keine Tische für einzelne Häuser oder Jahrgänge, was sich hier mehr Anbot, sondern Gruppentische für jeweils sechs Personen. Wo man sitzen wollte, konnte man selber überlegen. Essen gab es an einem Büfett.
Als wir die Halle betraten, richteten sich sofort alle Blicke auf uns. Ein paar sahen neugierig zu uns, andere sahen genauso abweisend aus, wie unsere neuen Mitbewohner, die uns gekonnt ignorierten. Sie hatten ja auch schon einen Tag Übung darin. Wir ignorierten die Blicke einfach. Na ja, Samuel und ich taten so, als würden sie nicht bemerken, während Marlene ihre Haare gekonnt zurückwarf und ihr Kinn etwas reckte. Ich glaube kaum, dass uns diese Aktion mehr Beliebtheit verschaffen würde, aber die andere Nymphe schien damit mehr als zufrieden zu sein. Wahrscheinlich gingen ihre Gene mit ihr durch, die ihr zuflüsterten, dass sie sich wie eine kleine Diva aufführen sollte. Oder, und das fand ich viel wahrscheinlicher, sie hatte einfach keine Lust mehr, von den Leuten hier wie Dreck behandelt zu werden.
Zu dritt gingen wir uns zum Büfett. Wenigstens folgten uns nicht die Blicke. Stattdessen fingen die meisten an zu tuscheln. Wir luden uns jeweils ein Teller voll. Dann ging der schwierige Teil los: Einen Tisch suchen.
An den meisten Tischen saßen mindestens vier Personen und da wir hier so freundlich empfangen wurde, hatten wir nicht wirklich Lust, uns zu trennen. Ich hatte eh wenig Lust, beim Frühstück mit Leuten zusammen zu sitzen, die uns nicht da haben wollten. Darauf konnte ich echt gut verzichten.
Nach längeren Suchen steuerten wir ein Tisch an, an dem nur ein Mädchen saß. Sie trug eine braune Uniform. Ihre blonden Haare waren etwas länger als schulterlang und vorne war ein Pony geschnitten worden. Dem Aussehen nach zu urteilen würde ich sie auf zweite bis dritte Klasse schätzen. Neben ihrem Teller saß ein Otter und ließ sich von ihr mit Muscheln füttern. Zumindest wusste das Mädchen, was der Otter essen durfte.
„Hey, können wir uns zu dir setzen?" Die Kleine sah uns ziemlich verwirrt an. Offensichtlich hatte sie nicht mit Gesellschaft gerechnet. Sie musterte uns ziemlich genau, bevor sie langsam nickte. Wir setzten uns an den Tisch, was Bubble als Aufforderung sah, zu dem Otter auf den Tisch zu springen. Als die Katze das fremde Tier sah, erstarrte sie, bevor sie ängstlich mauzend den Rückwärtsgang einlegte und auf meinen Schoß zurückplumpste. Die kleine Blondine lachte leise.
„Eure Katze hat wohl noch nie einen Otter gesehen."
„Nein. Die kennt sie noch nicht." Meine Katze lugte vorsichtig über die Tischkante, um das fremde Tier zu begutachten, welches auf uns zu tapste. Ich streckte meine Hand nach dem Wassertier aus. Dieses beschnüffelte meine Hand interessiert. Wie auch nicht anders zu erwarten, schloss es mich sofort ins Herz und schmiegte sich an meine Hand. Ich musste grinsen.
„Ich glaube, Samson mag dich."
„Wie überraschend", kam es von Marlene, die schon dabei war ihr Frühstück zu verputzen. Für meinen neuen Freund und mich interessierte sie sich gar nicht. Wahrscheinlich weil der Ausgang dieser Aktion schon klar war. Bei Samsons Freundin sah das anders aus. Sie sah interessiert zu, wie ich den Otter streichelte und Bubble langsam auf den Tisch kletterte.
Meine Katze trapste langsam zu dem fremden Tier. Samson löste sich von meiner Hand, um sich mit Bubble zu beschäftigen, weshalb ich mich endlich meinem Frühstück zu wenden konnte. Doch dann stockte ich noch einmal.
„Wie heißt du eigentlich?", fragte ich die jüngere Schülerin.
„Allison. Und ihr?" Jetzt schenkte Marlene dem Geschehen mehr Aufmerksamkeit.
„Carolin."
„Samuel." Meine Freundin hatte es endlich geschafft, ihr Essen runterzuschlucken, damit sie auch Antworten konnte.
„Marlene."
„Ihr seid die Neuen, richtig?" Samuel nickte.
„Und wie gefällt euch bisher die Schule?"
„Sagen wir es doch mal so. Auf unserer alten Schule wurde ich in den ersten zwei Minuten so sehr mit Fragen gelöchert, dass ich mit den Antworten nicht hinterherkam. Das Problem hat man hier nicht."
„Die Leute hier sind ziemlich verklemmt. Die meisten Schüler sind hier, weil sie keine Veränderung in ihrem Leben wollten. Die Schüler sind immer noch über Wochenende zu Hause, die meisten kennen sich, seit sie klein waren, weil hier eigentlich nur die Leute von ehemaligen Schülern sind. Und ihr seid neu. Ihr seid Veränderung. Das überfordert sie." Dann wussten wir jetzt wenigstens, woran wir waren.
„Und warum redest du mit uns?"
„Ihr habt euch zu mir gesetzt und Samson mag euch. Dann mag ich euch auch." Ich sah zu dem Otter, der sich mit meiner Katze über einen Fisch hermachte. Allison wurde mir immer sympathischer.
„Warum sitzt du eigentlich alleine hier?"
„Ich bin Lehrerkind."
„Na und?"
„Mein Nachname ist Wilkinson. Meiner Familie gehört das Ganze hier."
„Oh." Marlene schien mit dieser Information mehr anfangen zu können, während Samuel und ich immer noch genauso ahnungslos waren.
„Ihr seid echte Aliens." Die andere Nymphe verdrehte die Augen.
„Dann kläre mal die Aliens auf."
„Ihre Eltern sind hier Lehrer. Zum einen gibt es immer die Gefahr, dass sie petzt, wenn man Scheiße baut. Zum anderen will man auch nicht wie ein Streber rüber kommen, der sich mit der Tochter eines Professors anfreundet, um bessere Noten zu bekommen." Samuel fing bei Marlenes Ausführung an zu lachen.
„Gibst eigentlich noch einen anderen Grund, als dass es uncool ist?"
„Nein, nicht wirklich." Es klingelte.
„Was habt ihr denn jetzt?" Allison lächelte uns schüchtern an.
„Doppelstunde Einsamkeit." Marlene fasste sich ans Herz und sah uns mit traurigem Blick an.
„Willst du mein Tiger haben?"
„Ja, dann vereinsame ich mit deinem Schmusetiger." Allison lächelte leicht.
„Und ihr?"
„Kräuterkunde." Wir standen auf, um unser Geschirr zur Geschirrabgabe zu bringen.
„Dann habt ihr bei Professor Rowlands."
„Und wie ist der?"
„Ich mag ihn, aber ich kenne alle Lehrer, seit ich ganz klein bin. Ich mag eigentlich alle." Jetzt fingen wir an zu grinsen.
„Was hast du denn jetzt?"
„Freistunde."
„Dann kann ich ja mit dir vereinsamen und dich ausfragen. Die Sache mit den Erst- und Zweitklässlern herumkommandieren interessiert mich doch." Mein Großcousin und ich sahen sie beide böse an.
„Nur weil ich das System nicht kenne. Schließlich will ich nicht solche interessanten Erfahrungen verpassen, wie mit euch beiden komischen Kindern zu waschen."
„Ja, auf diese Erfahrung will keiner verzichten. Am meisten freut sich die Kamera." Meine beste Freundin lachte und auch die Jüngere kicherte ziemlich zurückhaltend.
„Also Allison, dann erzähle mir von euren komischen Schulsitten, während die beiden die Schulbank drücken."

Den Raum für Kräuterkunde zu finden war mehr als einfach. Es war der einzige Raum, wo andere Schüler mit blauer Uniform davor standen. Sie tuschelten leise, schielten ein paar Mal zu uns herüber, aber mehr beachteten taten sie uns nicht. Na ja, wer nicht will, der hat schon. Samuel hingegen schien meine Aufmerksamkeit voll und ganz zu genießen. Er lehnte sich gegen die Wand und zog mich gegen sich.
„Jetzt habe ich dich mal wieder ganz für mich. Wie lange hatten, war das schon nicht mehr?"
„Lange."
„Zu lange. Seit du aus Hogwarts zurück bist, hat dich immer Marlene in Beschlag."
„Bist du eifersüchtig?" Ich zog eine Augenbraue hoch. Ich hasste Eifersucht.
„Ja. Ihr habt Mädelsabende und ich habe nie eine für mich ganz alleine. Immer zwei kichernde Mädchen in den Armen."
„Willst du mir damit sagen, dass ich mich auch manchmal verdrücken soll, damit du ganz alleine mit Marlene etwas unternehmen kannst?"
„Wie kommst du denn darauf?"
„Ist nur ein Gefühl – und Sirius hat mal so etwas angedeutet." Samuel wurde leicht rot.
„Hättest du denn ein Problem damit, wenn wir irgendwann mal etwas zu zweit machen?"
„Zu zweit im Sinne von wir sind beste Freunde und machen mal etwas zusammen oder im Sinne von einem Date haben?"
„Wenn die zweite Variante zu treffen –"
„Du willst also ein Date mit ihr." Er kratzte sich etwas verunsichert am Hinterkopf.
„Wenn du meinst, dass das eure Freundschaft gefährden könnte –"
„Du weißt, dass ich dich aus dem Fenster werfen muss, wenn du ihr wehtust."
„Werde ich nicht. Ich werde sie genau so behandeln, wie ich es von den Jungen erwarte, die mit dir ausgehen wollen."
„Dann wirst du sie also nie küssen? Heiraten? Kinder bekommen?"
„Aus dieser Perspektive sind meine Anforderungen ziemlich hart." Ich lachte leise.

Wir mussten nicht mehr lange warten, bis der Lehrer für Kräuterkunde kam. Er war noch relativ jung. Vielleicht Anfang dreißig. Er lächelte meinem Großcousin und mir aufmunternd zu, bevor er die Klasse aufschloss. Der Klassenraum war eigentlich genauso eingerichtet wieder jeder andere auch. Eine Tafel, davor ein Lehrerpult und Tische für jeweils zwei Schüler, die immer zu zweit nebeneinanderstanden, allerdings war noch genug Platz zwischen ihnen, sodass man gut zwischen ihnen herlaufen konnte. Alle setzten sich auf ihre üblichen Plätze, während Samuel und ich etwas unsicher in der Tür stehen blieben.
„Die drei Plätze sind noch frei." Der Lehrer zeigte auf die letzte Reihe, die bis auf einen Platz, auf dem Laura saß, leer war. Vor ihr in der Reihe saßen Kathryn Harris und ein mir nicht bekanntes Mädchen. Samuel und ich setzen uns an den anderen Doppeltisch. Ich konnte auf Laura wirklich verzichten.

Die Stunde war eigentlich ziemlich interessant, auch wenn alles nur theoretisch war. Wir besprachen, wie man die Pflanze pflegen konnte, was aus ihnen gemacht wurde, was schädlich für die war, all das, aber es fehlte mir trotzdem, dass wir mit Pflanzen arbeiteten. Als wir den Klassenraum wieder verließen, standen da schon Allison und Marlene. Sie schienen sich richtig gut zu verstehen.
„Carolin, ich weiß jetzt endlich, wofür ich alles Erst- und Zweitklässler anheuern darf. Wusstest du, dass diese Tradition noch aus der Anfangszeit stammt. Sie sollte Respekt gegenüber den Älteren lehren." Marlene schien mit ihren ganzen neuen Informationen ziemlich zufrieden. Die Zweitklässlerin, wie ich erfuhr, schien mit ihrer neuen Freundin ebenfalls ziemlich zufrieden. Sie brachte uns noch zum Zauberkunstraum, bevor sie weiter zum Verwandlungsraum eilte.

Die nächsten Tage vergingen. Wir lebten uns langsam ein. Auch die anderen Mädchen tauten langsam ein wenig auf. Mittlerweile sagten sie guten Morgen und gute Nacht. Zu mehr Worten kam es allerdings nie. Bei Allison sah das ganz anders aus. Sie freute sich immer, wenn sie uns sah, wahrscheinlich weil wir die Einzigen waren, die wirklich etwas mit ihr zu tun haben wollten. Dass sie ein eigenes Zimmer hatte, machte es wahrscheinlich auch nicht einfacher.
Die Zweitklässlerin zeigte uns noch einmal die Schule, dieses Mal allerdings mit mehr Motivation und auch Bereiche, die eigentlich gesperrt waren. So erfuhren wir, dass am Ende des Kellerganges die Wand eingestürzt war, und damit ein Weg zum Meer freigelegt wurde. Da man aber knapp zwanzig Sekunden durch ziemlich enge Gänge tauchen musste, was das strengsten Verboten. Über diesen Gang kam allerdings immer Samson in das Schloss rein und raus.
Auch heute trafen wir uns nach dem Unterricht mit der Zweitklässlerin. Sie saß auf einen Felsvorsprung und ließ die Füße im Wasser hängen. Samson schwamm mit ein paar anderen Ottern im Wasser, blieb aber in der Nähe der Blondine. Bubble legte sich an den Rand und sah den Ottern beim Spielen zu.
„Hey, Zweitklässlerin", begrüßte Marlene die andere Blondine.
„Hallo." Sie grinste uns alle an. Wir setzten uns zu ihr. Samuel machte sich an seiner Krawatte zu schaffen.
„Ist euch nicht warm?"
„Wir haben kurze Sachen an, Großer. Nur die Jungen müssen in langer Hose herumrennen."
„Und da sagt man immer, dass Mädchen benachteiligt werden."
„Ihr Männer habt wirklich ein hartes Leben." Marlene legte ihre Arme um ihn.
„Ja." Er sah uns wie ein armer, kleiner Pudel an.
„Willst du eine Kuscheleinheit." Er nickte. Ich kuschelte mich an ihn genauso wie Marlene. Hinter seinen Rücken grinste mich meine beste Freundin fragend an. Ich nickte leicht. Dann schoben wir beide. Platsch. Samuel landete bei den Ottern im Wasser.
„Na wartet. Das werdet ihr bereuen."
„Ist dir noch warm?"
„Nein."
„Dann solltest du uns lieber danken."
„Das tue ich." Er schnellte hoch, griff nach dem Arm der anderen Nymphe und nach meinen. Im nächsten Moment landeten wir ebenfalls im Wasser.
„Ich danke euch, indem ich euch ebenfalls eine Abkühlung verschaffe." Wir sahen zu Allison hoch.
„Kommst du auch rein?" Sie nickte begeistert. Dann sprang sie schon rein. Zu viert tollten wir im Wasser herum.

Eine Stunde später lagen wir wieder auf den Felsen und ließen uns von der Sonne trocknen. Samuel hatte mittlerweile sein Hemd ausgezogen, sehr zu Marlenes Freude, die ihn schamlos begaffte. Samson lag auf Allisons Brust und spielte mit irgendetwas an ihrem Hals.
„Hast du keine Angst, dass Samson irgendetwas kaputt macht?" Die Kleine schüttelte den Kopf.
„Woran nagt er?"
„An einer Kette."
„Ich wusste gar nicht, dass du eine Kette trägst." Marlene hörte auf meinen Großcousin zu begaffen und wandte sich uns zu. Die andere Blondine setzte ihren Otter beiseite, sodass sie ihre Kette hervorholen konnte.
„Sie ist ein altes Familienerbstück. Es gibt tausende von Legenden über sie." Stolz zeigte sie uns ein silbernes Medaillon. Der Anhänger war Oval und eine Meerjungfrau mit einem Delphin war auf ihm eingraviert. Wir starrten verwundert die Kette an.
„Was ist denn los? Ist doch nichts dabei." Allison war sichtlich verwirrt. Gleichzeitig griffen Marlene und ich nach den Ketten um unseren Hals. Verwirrt musterte sie diese, bevor ihr offenbar ein Licht aufging.
„Ihr seid auch – ihr wisst schon was?" Wir nickten.




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