Kapitel 34

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Die Zaubererschule war wirklich schön. Jedenfalls von außen. Sie war wesentlich kleiner als Hogwarts, was wohl daran lag, dass die meisten lieber auf die größeren und älteren Zaubererschulen gingen. Viele gingen nach Ilvermorny auch, wenn diese in Nordamerika und nicht in Mittelamerika lag. Doch die kleine Zaubererschule wirkte dafür ziemlich gemütlich. Es bestand aus einem kleinen Schlösschen mit Schlossgarten, in dem ein Quidditchfeld zu sehen war. Die Fassade war pink gestrichen, sodass es ein wenig so wirkte, als wäre es direkt einem Barbiefilm entsprungen.

Als wir das Schloss betraten, kamen wir genauso wie in Hogwarts in eine Eingangshalle. Eine Treppe führte in die oberen Stockwerke eine andere in den Keller. Zwei Flure gingen ebenfalls von dieser ab. Sie führten wohl durch das Erdgeschoß der Schule. Doch es sah nicht so imposant aus wie Hogwarts. Klar, war es auch eindrucksvoll, doch Hogwarts war wesentlich eindrucksvoller. Die Wände waren mit weniger Bildern geschmückt, die Decke war wesentlich niedriger und nicht so überwältigend.
In der Eingangshalle wartete eine Frau auf uns. Durch ihr pechschwarzes Haar zogen sich die ersten grauen Strähnen. Als sie uns sah, setzte sie ein breites Lächeln auf, das mich ein wenig an das von Versicherungsverkäufer erinnerte. Sie kam uns ein paar Schritte entgegen.
„Guten Tag und willkommen in der Contreas Schule. Mein Name ist Professor Higgins. Ich unterrichte Zaubertränke und bin die Vertrauenslehrerin eures Jahrgangs." Sie schüttelte uns allen die Hand.

Professor Higgins führte uns einen Flur entlang, auf dem die Zimmer der Lehrer lagen. Sie steuerte auf die vierte Tür auf der linken Seite des Ganges zu. Als sie klopfte, hörte man von drinnen einen Mann rufen: „Herein!" Sie öffnete die Tür. Drinnen saß ein Mann ungefähr in dem Alter meiner Eltern. Er hatte ebenfalls schon angegraute Haare und blickte interessiert auf, als wir hereinkamen.
„Professor Wilkinson, die neuen Schüler sind hier."
„Das ist offensichtlich." Er stand auf, um uns zu begrüßen.
„Ihre Stundenpläne und Schuluniformen bekommen sie später von Professor Higgins. Ich möchte sie hier auch gar nicht lange aufhalten. Wahrscheinlich sind sie schon sehr neugierig darauf ihre neuen Klassenkameraden kennen zu lernen und das Schloss zu erkunden." Außerdem wollten die Erwachsenen in Ruhe plaudern. Ich fragte mich echt, was unsere Eltern noch alles besprechen wollten. Wahrscheinlich irgendwelche total langweiligen uninteressanten Dinge. Der Schulleiter nickte kurz der Lehrerin zu. Professor Higgins wandte sich daraufhin an uns drei.
„Dann folgen sie mir doch bitte." Wir verabschiedeten uns noch schnell von den drei Erwachsenen, dann folgten wir der Lehrerin zu ihrem Büro.

Das Büro war kleiner als das des Schulleiters. Die Wände waren mit Bücherregalen vollgestellt. Ein ausladender Schreibtisch stand in der Mitte des Raumes. Die Lehrerin setzte sich dort hinter, während wir uns auf drei Stühle davor setzten.
„Wir haben ihre Stundenpläne schon erstellt. Sie haben die gleichen Fächer, wie sie auch vorher in Hogwarts hatten. Ich denke, das ist in ihrem Sinne?" Wir nickten alle. Was wohl Samuel als Fächer hatte? Schließlich war er nicht in Hogwarts gewesen. Wir bekamen drei Zettel gereicht. Ich sah nur kurz auf meinen. Er sah wesentlich geordneter aus, als meiner in Hogwarts. Mit anderen Worten, ich hatte weniger Freistunden mitten drin und immer nur bis drei Uhr Schule. Zweimal in der Woche hatte ich erst ab elf Uhr Unterricht. Eigentlich ziemlich angenehm.
Ich sah zu Samuel rüber, um mir seinen Stundenplan anzusehen. Er hatte genau den Gleichen wie ich. Scheinbar hatte er einfach Marlenes und meine Fächer nachgewählt. Auf Marlenes Stundenplan musste ich gar nicht sehen, schließlich hatte sie den Gleichen wie Samuel und ich nur ohne Kräuterkunde. Außerdem saß Samuel zwischen uns beiden, sodass ich eh nicht auf ihren gucken konnte.
Ich sah wieder zu der Lehrerin, die ganz offensichtlich endlich mit ihrer Einführung in unser Internatsleben hier weiter machen wollte, auch wenn sie immer noch ihr Vertreterlächeln aufgesetzt hatte.
„Die Klassenräume befinden sich alle im Erdgeschoss oder Keller. Nur Kräuterkunde findet draußen statt. Frühstück gibt es in der Woche von sieben bis neun Uhr, am Wochenende von acht bis elf. Mittagessen immer von dreizehn bis vierzehn Uhr und Abendessen von achtzehn bis zwanzig Uhr. Essen gibt es immer im Speisesaal, der ihnen später noch gezeigt wird. Ich zeige ihnen jetzt die Schneiderei der Schule. Dort bekommen sie ihre Schuluniformen." Schneiderei? So etwas hatte Hogwarts nicht – wenn man den Raum der Wünsche nicht mitzählte, aber der war ja eh alles auf einmal. Wir standen auf und folgten der Lehrerin weiter. Sie führte uns wieder zurück in die Eingangshalle.
„Wussten sie, dass dieses Gebäude aus dem Mittelalter stammt?" Marlene runzelte die Stirn und sah sich um.
„Warum ist es dann im Barockstil gehalten?" Die Lehrerin sah sie verwirrt an.
„Na ja, der Baustil stammt nicht aus dem Mittelalter, sondern aus der Barockzeit. Die fing erst 100 Jahre später an." Die Lehrerin schien ziemlich überfordert. Samuel und ich mussten grinsen. Marlene hatte die Professorin das Vertreterlächeln aus dem Gesicht gewischt.
„Ach ist er das?"
„Ja, es wurden viele runde Formen verwendet. An der Wand sieht man Stuck und die Böden sind aus Marmor. Das kam alles erst im Barock auf. Ich glaube kaum, dass ein Schlossbesitzer eine unmoderne Burg bauen lässt." Das Vertreterlächeln erschien wieder.
„So lernt man nie aus." Wir gingen auf die Treppen zu. Die Lehrerin ging die Treppe herunter. Wir folgten ihr. Ich musste mich nur einmal kurz umsehen, um zu sehen, dass der Keller lange nicht so groß war, wie die Katakomben in Hogwarts. Sie waren sogar sehr übersichtlich gestaltet. Genauer gesagt, war es einfach ein gerader Flur, von dem ein paar Türen abgingen. Ungefähr in der Mitte des Flures war ein Absperrseil mit einem „Betreten verboten"-Schild dran.
„Die erste Tür links ist die Schneiderei. Genau gegenüber ist die Küche. Dort könnt ihr auch außerhalb der Essenszeiten Snacks und etwas zu trinken bekommen. Eure Wäsche müsst ihr selber waschen. Dafür ist dort drüben ein extra Raum." Marlene sah so aus, als wäre ich gerade gesagt worden, sie müsse mit einem Besen zum Mond fliegen.
„Da sie allerdings in dem sechsten Jahrgang sind, ist es ihnen erlaubt, Erst- und Zweitklässler dazu zu verpflichten. Aber das wird ihnen später auch noch einmal genauer erklärt. So nun zu ihrer Schuluniform." Sie öffnete die Tür zur Schneiderei.

Hexagramm - VogelfreiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt