Fear

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Pov. Newt

Ich stolperte aus dem Wagon und musste erst einmal nach Luft schnappen. Ich stützte mich auf dem Metallkasten ab und spürte meine Knie weich werden. Er war nicht da drinnen.

Er war es nie. Es war umsonst gewesen. Alles. Die ganze Planung in den letzten Wochen, die schlaflosen Nächte und was wir alles riskiert hatten, hätten wir uns sparen können, denn am Ende, hatten wir ja doch versagt.

Scheiße, dachte ich.

Es fühlte sich an, als würde, alles, was mir wichtig erschien, meinen Fingern, wie Sand, entrinnen.

Er war nicht da.

Tränen stiegen mir in die Augen und ich bahnte mir einen Weg um den Wagon herum. Auf der anderen Seite, weg von den aussteigenden, geretteten Ex-Probanden sank ich zu Boden.
Zu hören, wie Menschen, die ich mittlerweile zu Freunden zählte, glücklich ihre Geliebten in die Arme schlossen und erleichterte Schreie von sich gaben, versetzte mir einen Stich, genau ins Herz, denn, ich wäre gerne einer von ihnen.
Wir hatten soviel gegeben, um ihn zurückzuholen, wie konnte es schiefgehen? Ich verstand es nicht. Ich hatte keine Erklärung dafür, warum Minho nicht mit Sonya und Aris im Wagon saß, ich wusste ja nicht einmal, ob er überhaupt in diesem beklonkten Zug gewesen war. Aber es machte sowieso keinen Unterschied mehr, dachte ich.
Wir hatten unsere Chance vertan.

Verzweifelt fing ich an zu Schluchzen und unbezwingbare Mengen an Tränen flossen über meine Wangen. Ich hatte solche Schuldgefühle und eine noch viel größere Angst. Angst davor, was sie ihm nun antun würden. Angst vor der Vorstellung, ihn das alles noch einmal durchleben lassen zu müssen. Eine verbitterte Angst, ihn endgültig verloren zu haben.
Ich fing an zu zittern und schlang meine Arme um meinen Oberkörper, wie um mich selbst zusammenzuhalten, oder, als könnte ich mir so ein Schutzschild aufbauen, das alles böse von mir fernhielt. Doch klappte nicht.
Ich konnte nicht leugnen, was geschehen war und nicht ignorieren, was das bedeutete.
Es fühlte sich an, als zerfiele ich in Millionen Teile, die ich nicht mehr zusammen kleben konnte, solange ich nicht sicher sein konnte, dass meine Freunde in Sicherheit waren. Und gleichzeitig waren sie Scherben, an denen ich mich Schnitt, jedes Mal, wenn ich einen Gedanken an Vergangenes verschenkte.

Näherkommende Schritte ließen mich aus meinen Gedanken schrecken und einen Blick um mich werfen. Tommy.
Er stand an der Ecke des Wagons und sah mich bedrückt an. Verzweifelt erwiderte ich seinen Blick. Es war mir egal, wie ich aussah. Es war mir egal, dass mein Gesicht Tränen überströmt und meine Augen rot waren. Es war mir egal, dass ich dasaß wie ein Häufchen Elend. Es war mir egal, dass er mich hier, in dieser Verfassung sah und mich gedanklich verurteilen konnte, so wie er wollte.

In diesem Moment brauchte ich nichts anderes, als meinen besten Freund und seinen Komfort. Er sah so bedrückt aus, dass ich gar nicht anders konnte, als aufzuspringen, hastige Schritte auf ihn zu zumachen und ihn fest zu umarmen. Das hatte ich noch nie getan. Und für eine Sekunde wirkte er überrumpelt und verwirrt, doch dann legte er die Arme um meine Schultern und zog mich dicht an sich. Ich vergrub meinen Kopf in seine Halsbeuge und schluchzte laut auf.
Tommy hielt mich zusammen, weil ich es alleine nicht schaffte. Er stütze mich mit dieser Umarmung und zeigte mir, das er hier war und ich nicht alleine.

Und ich gab nach. Ließ mich fallen und die Tränen laufen. Ich weinte mich aus bis keine Tränen mehr kamen und blieb weiter wie angewurzelt bei Tommy stehen, denn ich hatte Angst zu zerfallen, wenn ich mich bewegte. Erst nach Minuten fühlte ich mich bereit, mich von ihm zu lösen und entzog mich seiner Umarmung. Mit den dreckigen Ärmeln meiner Jacke wischte ich mir über die Augen und seufzte tief und zitternd. Ich wandte mich von Tommy ab und machte einen Schritt zur Seite, auf den Wagon zu und lehnte meine Stirn gegen das kalte Metall.

Ich war die Gedanken nicht los, kein Bisschen, doch das Weinen hatte gut getan.

Ich seufzte erneut und drehte mich zu Tommy um. "Danke", hauchte ich und sah ihm für einen kurzen Moment direkt in die traurigen Augen. Wir wussten beide, wie sehr wir uns gerade brauchten, doch waren nicht im Stande weitere Reaktionen zu zeigen, zu sehr waren wir damit beschäftigt, nicht die Fassung zu verlieren.

Trübselig sank ich zu Boden, mit starrem Blick auf den Beton, auf dem ich saß. Und sofort drifteten meine Gedanken wieder zu Minho und meinen grausamen Vorstellungen, was ihm gerade widerfuhr. Ich stellte mir vor, wie sie ihn verstümmelten, oder an ekelhafte Foltergeräte schlossen, ihn mit Elektrizität oder ähnlichem qualvollen Prozeduren unterzogen und andere krankhafte Experimente an ihm vollzogen.
Machtlosigkeit überfiel mich und mit ihr erneute Verzweiflung. Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Warum hatten wir nicht mehr getan, zu wir konnten es nicht wissen, bis hin zu lebhaften Bildern meiner Fantasie, die mir Minho zeigten, schreiend unter Schmerzen.

Jemand saß neben mir und nahm meine Hand in seine. Tommy. Vorsichtig lehnte er sich vor und flüsterte: "Darf ich?" Ich zeigte keine Reaktion, sah ihm bloß in die Augen und konnte mich auch nicht von ihrem Anblick losreißen. Er hatte eine solche Ruhe, die kannte ich gar nicht bisher. Doch es gefiel mir. Er streckte seine Hand nach meinem Gesicht aus und fuhr mit dem Daumen über meine Wange. Seine Finger waren so sanft und bewegten sich so bedacht. Für einen Moment verweilte seine Hand an meinem Gesicht und nur noch Sekunden hätte es gebraucht und ich hätte mich dagegen geschmiegt - doch zu langsam. Er zog sie zurück und nahm sie in seinen Schoß. "Es wird alles gut werden", sagte er ruhig, aber bestimmt und als würde es hundert prozentig so eintreffen.

Seine Worte fühlten sich an, wie eine weitere Umarmung und mir wurde warm ums Herz. Ich schloss meine Augen um weitere Tränen zu unterdrücken, spürte jedoch noch im selben Moment weitere aufkommen. Dann fasste ich mir ein Herz und warf die Rüstung ab. "Ich hab solche Angst", sagte ich mit einem gequältem Ton und zitternden Lippen, "Ich... Was wenn... Minho." Ich konnte keinen sinnvollen Satz bilden. Ich brachte bloß ein weiteres Schluchzen hervor und lehnte mich zur Seite. Tommy nahm mich in seine Arme, strich über meine Haare und wog mich, wie ein kleines Baby von links nach rechts. Er hab mir einen Kuss auf die Stirn und die Stelle wurde warm. "Ich bin da. Keine Angst." Er hörte nicht auf mit der Bewegung, platzierte sein Kinn auf meinen Haaren und umarmte mich fester. "Ich bin hier."

Newtmas - OneshotsWhere stories live. Discover now