Nightmare

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Ich stand im Nichts. Es war dunkel rund um mich. Kein Geräusch war zu hören, abgesehen von meinem ruhigen Atem. Eine Kälte umgab mich, doch ich konnte keine Ursache ausmachen. Kein Geruch und nichts was ich ertasten könnte.

Vorsichtig machte ich einen Schritt nach vorne. Einen winzig kleinen, der mich nirgends hinführte. Patsch. Erschrocken zuckte ich zurück. Patsch.
Ich wirbelte herum und drehte mich mehrmals um mich selbst. Patsch, patsch, patsch, patsch.
Etwas kaltes, nasses drang durch meinen Schuh. Ich erschrak, als ich spürte wie die Flüssigkeit über meine Zehen floss.

Hinter mir ein Geräusch. War es ein Atmen? Oder ein Rauschen?
Blitzartig drehte ich mich um. Ich ging in Kampfposition, bereit mich zur Wehr zu setzten, sollte mich jemand angreifen.

Nichts. Keine Bewegung, kein Geräusch. Erneute Dunkelheit, die drohte mich in sich zu verschlingen.

Langsam drehte ich mich im Kreis. Die Orientierung hatte ich schon nach wenigen Sekunden verloren, wusste nicht mehr wo hinten und vorne war, oben und unten waren gerade noch zu erahnen und links und rechts konnten überall sein.

Noch einmal hörte ich das selbe Geräusch, wie vor wenigen Augenblicken. Näher und lauter. Und diesmal war ich mir sicher: es war ein Atmen.
Nein, ein Ächzen, gar ein Schnaufen.

Ein Klicken. Flackernd ging ein Licht an. Ich presste die Augen zusammen, vor Schreck. Und als ich sie langsam wieder öffnete, wünschte ich, sie wieder zuschlagen zu können.

Erschrocken wich ich ein par Schritte zurück. Vor mir saß ein Junge; gefesselt, auf einem Stuhl. Er sah mich nicht an. Seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig und doch schwerfällig. Die Schultern bebten, der Kopf zuckte leicht nach links und rechts. Er hatte zerfetzte Kleidung an, man konnte seine blasse Haut darunter sehen.
Jetzt erst viel mir auch der faulig müffelnde Geruch auf, der wohl von ihm aus ging.

Immer im selben Rhythmus zuckten, verkrampften und hingen, seine Finger, wieder schlaff hinab. Adern zeichneten sich auf ihnen ab. Sie führten über seine Handrücken, bis zum Gelenk, wo sie unter den Ärmeln verschwanden.
Er war gefesselt. Eisenketten lagen über seinen Handgelenken. Sie schepperten, wenn sie, während der Junge in alle Richtungen zuckte, über den Boden schliffen.

Ich blickte wieder auf, doch gegen meiner Erwartung, hing der Kopf des Jungen, nun nicht mehr schlaff über seiner Brust. Er hatte ihn gehoben und sah mich an.

Ich traute meinen Augen nicht. Vor mir saß ein Junge, mit blonden, verstrubelten Haaren, welche in alle Richtungen ab standen. Er hatte ein zartes Gesicht, staubig vom Arbeiten. Die Lippen blass und spröde, die Haut ebenso. Ein Schnitt zierte seine linke Wange. Die akazien-braunen Augen waren rot unterlaufen und alles in Allem sah er ziemlich irre aus.

Ich kannte diesen Jungen. Dieser Junge, war Newt.

Mit ein Wenig Zurückhaltung, trat ich einen Schritt näher. Da sich nichts tat und er sich nicht regte, machte ich noch einen zweiten Schritt.
Ich kniete mich vor ihn, auf den Boden. Weiterhin passierte nichts. Newt sah mich an. Interessiert und freundlich. Vielleicht war der Ausdruck in seinem Gesicht, auch ein Versuch, zu lächeln.

Zuversichtlich hob ich ganz langsam meine Hand und legte sie behutsam auf sein Bein. Mit meinem Daumen begann ich ihn zu streicheln.
Newt tat nichts. Verdutzt starrte er einfach meine Hand und ihre Bewegung an, dann mein Gesicht. Lange ging das so, bis plötzlich, er auch seine Hand hob. Zaghaft legte er die Seine, auf meine und versuchte meine Finger zu umschließen. Ich verschränkte sie mit einander und sah erneut in sein Gesicht.

Er lächelte ein Lächeln, ehrlich und voller Freude. Seine Augen strahlten.
Auch mein Mund zuckte in die Höhe.

Ich konnte mir nicht erklären, warum dieser Moment, so wichtig für mich war, dennoch fühlte ich, tief in mir drinnen, dass ich jede Sekunde ausschöpfen musste.

Er sah mich noch immer fasziniert an, so als könne er nirgends anders hinsehen. Und auch ich konnte nichts machen, als diese tief braunen Wunder zu betrachten, welche mich in ihren Bann gezogen hatten.
Seine langen Wimpern und die charakteristischen Augenbrauen, ich hatte Zeit sie genaustens zu mustern und analysieren und je länger ich dies tat, desto schwieriger wurde es, mich loszureißen. Es war nahezu unmöglich.

Ohne es bemerkt zu haben, hatte ich mich aufgerichtet. Meine Hände lagen auf seinen Beinen, eine noch immer mit seiner umschlossen. Seine zweite Hand ruhte in meinen Haare. Er streichelte durch sie und über mein Gesicht, bevor er an meiner Wange verweilte.
Immer näher kamen unsere Gesichter einander, ebenso der Rest unseres Körpers. Ich griff um seine Hüften und Newt an meine Brust. Unsere Lippen trafen auf einander.

Ein Schuss ertönte. Sekunden später wich jegliche Spannung aus dem Körper, meines Gegenübers. Wäre er nicht festgekettet, wäre der Junge wohl zu Boden gekracht.
Ein Blutfleck breitete sich auf seiner Brust aus.
Perplex sah ich Newt an, hielt ihn in meinen Armen und verstand nicht. Ich sah auf.

Mitten im Raum, im Schatten der Lampe, stand ein junger Mann. In seinen Händen hielt er eine Pistole. Sie war auf uns gerichtet.

Es traf mich wie ein Schlag ins Gesicht: Dieser Mann hatte Newt soeben erschossen.

Wut, Trauer und Verzweiflung machten sich in mir breit. Innerlich begann ich zu kochen, wollte schreien, doch stattdessen, blieb ich stumm am Boden sitzen, hielt den leblosen Körper des Jungen an meine Brust gepresst, in meinen Armen. Meine zitternd Hand strich über seinen Kopf. Ich wippte vor und zurück, summte vor mich hin.

In dieser kurzen Zeit, wurde ich genauso verrückt, wie es Newt bis eben noch zu sein schien.
Alles was blieb, war ein letzter klarer Gedanke:

Der Mann, der geschossen hatte, das war ich.

Ich fuhr in meinem Bett hinauf. Sofort griff ich mit meiner Hand neben mich. Aufatmend sah ich Newt, still schlafend, auf seinem Bauch liegen. Die Arme hatte er unter seinem Kopf verschränkt. Seelenruhig atmete er vor sich hin.
Mit einer Hand streichelte ich über seinen Rücken, woraufhin er zufrieden brummte. Lächelnd legte ich mich wieder neben ihn.

So gefühlvoll wie möglich, drückte ich ihm einen Kuss auf die Lippen.

Newtmas - OneshotsWhere stories live. Discover now