I Died In Your Arms

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Ich musste mich getäuscht haben. Das war einfach unmöglich. Niemals. Das war er nicht gewesen. Ich hatte nicht ihn gesehen.

Wie erstarrt stand ich da. Das Auto, welches gerade noch an mir vorbei gezischt war, blieb stehen. Kurz tat sich nichts. Dann öffnete sich die Beifahrertüre und meine Befürchtung wurde bestätigt.

Tommy stieg aus dem Wagen. Mein Tommy, ebenso schön, wie zu dem Zeitpunkt, als ich ihn zuletzt gesehen habe. Genau dieser Tommy kam gerade auf mich zu.

Es war zu schön. So schön, dass ich für einen Moment vergaß, dass ich nicht mehr der war, den er in Erinnerung hatte.
Ich war nicht mehr der nette Junge von der Lichtung, ich war ein Crank. Ich war jetzt einer von ihnen, von den Monstern.
Beinahe tot. Übergeschnappt und verrückt. Total hinüber.

Ich röchelte, ein Spuckefaden sabberte an meiner Mundecke, meine Arme hingen schlaff hinab. Ich sah grässlich aus und fühlte mich auch so. Ich wollte nicht, dass er sich so an mich errinerte. Er sollte an den alten Newt denken, wenn er irgendwann hier dran zurück dachte. Nicht das Wrack das ich jetzt war.

Nun stand er vor mir. Tommy. Ihn zu sehen zerriss alles in mir. "Hey. Newt. Ich bin's, Thomas. Du kennst mich doch noch, oder?", fragte er vorsichtig, gar ängstlich als nähme er an, ich würde ihm gleich an den Kragen springen. Es versetzte mir einen Stich. Tommy hatte Angst vor mir. Er dachte, ich würde ihn jeden Moment umbringen. Sah bloß das Monster vor sich.

Ich verzog mein Gesicht zu einem matten Lächeln. "Klar kenne ich dich noch, Tommy.", und es schmerzte mich ihn so zu nennen, den Namen laut auszusprechen, "Du hast mich gerade erst im Palast besucht und mir noch mal ordentlich eins reingewürgt. Und meine Nachricht natürlich ignoriert. In den paar Tagen bin ich noch nicht komplett verrückt geworden.", sagte ich ihm bitter.

Es tat mir leid, so mit ihm zu reden, doch ich konnte nicht anderes. Zum einen nahm der Virus die Überhand und zum anderen war ich wirklich sauer auf ihn.
Er sollte gehen! Verschwinden, bevor ich ihm noch weh tun konnte, genau wie ich es ihm schon einmal gesagt hatte. Doch er wieder setzte sich. Schon wieder.

Ich konnte in seinem Gesicht ablesen wie sehr ihn meine Worte schmerzten. Und ich konnte nichts anderes erwarten, schließlich stand ich hier vor ihm, nicht tot, aber am Leben war ich auch nicht mehr. Kein Mensch, aber auch kein Tier. Ein wahnsinnig gewordener. Und mein einziger Wunsch war es, ein einziges Mal, Thomas sagen zu können, was ich wirklich dachte. Was ich genau in diesem Moment fühlte, genau wie ich es seit seinem ersten Tag auf der Lichtung gefühlt hatte.

"Warum bist du dann hier? Warum bist du bei... denen?", fragte Thomas zaghaft. Er deutete mit den Augen auf die anderen Cranks hinter mir, welche immer noch nach etwas Essbarem suchten.
Fast - fast - wäre ein Lachen über meine Lippen gekommen. Fast hätte ich ein Gefühl gezeigt. Fast hätte ich ihm in die Augen gesehen und gesagt: 'Ich weiß es nicht. Aber es fühlt sich falsch an.', doch dann fiel mir auf, dass das gar nicht stimmte.
Es fühlte sich genau richtig an, bei diesen Cranks zu sein. Sie waren jetzt meine Leute. Keine Freunde, so etwas würde ich wohl niemals wieder haben, stellte ich fest, aber, ich wusste, dass es meine einzige Chance war, bei diesen Cranks zu bleiben.

Das erste Mal in unserer Konversation sagte ich etwas, das ich wirklich und ehrlich so meinte: "Es kommt und geht, Mann. Ich kann's nicht erklären. Manchmal kann ich mich nicht beherrschen, weiß kaum, was ich tue. Aber normalerweise ist es bloß wie ein Jucken im Gehirn, das alles nur so weit aus dem Gleichgewicht bringt, dass es mich stört - mich wütend macht." - Genau wie jetzt. Ich spürte es ganz leicht aufkommen. Nur sanft, als würde eine Feder, ein einziges Mal über mein Gehirn streifen und in der gleichen Sekunde wieder verschwinden.

"Jetzt geht's dir aber gut, oder?", fragte Tommy so gutgläubig wie nur irgend möglich. Es tat mir weh. Er versuchte noch immer den Optimismus nicht zu verlieren, obwohl schon lange klar war, dass sich an meiner Lage, nichts mehr ändern wird.
Ich wollte ihn nicht anlügen, doch ihn so zu sehen zerbrach mir das Herz. Er sollte glücklich sein. Und da mein Schicksal besiegelt war, musste das auch ohne mich gehen.
Ich hatte mich damit abgefunden, sowieso nie gedacht, ein der Art langes Leben zu führen. Ich war dankbar, für alles was ich hatte und jetzt machte er es kaputt. Mit seiner Verzweiflung. Es machte mich wütend.

Newtmas - OneshotsWhere stories live. Discover now