Zeit bringt verhängnisvolle Taten (1)

30 4 2
                                    

Das Geräusch des glatten Steines, den sie an ihrer Machete rieb, drängte sich knirschend in die Stille, die in ihrem Zelt herrschte. Avellyn hatte mit ihrem Gezelt schon viel bereist und viel erlebt. Es war ein Teil von ihr geworden. Kunstvolle Schlachten hatten sich schon um es geregt und es stand immer noch und es erzählte seine Geschichte, denn jeder einzelne fein schimmernde Fleck auf dem feinen Stoff war getrocknetes Blut ihrer Opfer, welches im Schein des Lichts wundervoll rot glänzte, doch keiner der graziösen Spritzer war absichtlich verursacht. Im Gegenteil, sie setzten sich selbst auf den Stoff und gruben sich in ihm fest. Es schien, als wüssten sie genau zu erzählen, wer Ave war und welches Werk sich aus ihr ergoss, welche Liebe an ihrem Handeln, welche Leidenschaft an ihrem Tun. Der Geruch von unzähligen Reisen, von Abenteuer, von Tod, von Leben stieg ihr in die Nase. Es war der Duft, der sich aus den Wänden erschloss, sobald sie die behaglichen Wände betrat.

Es war ihr Geruch.

Ihr Blick fiel wieder auf das glimmende Feuer vor ihr, dass an der Dunkelheit riss, sich versuchte einen Weg durch etwas zu bahnen, dass sie nicht sehen konnte. Sie bleckten danach sie auszuleuchten, jeden dunklen Winkel ihres Gesicht zu erkennen und sich zu eigen zu machen, doch sie bleckten nur an der Schwärze die Ave einhüllte. Sie saß im vollkommenen dunkel, obwohl die Flammen vor ihr bis zur Decke brannten. Sie wollte nicht gesehen, nicht verstanden werden, sie wollte ein Mysterium für sich sein.

Ein feiner Lichtstrahl fiel auf die Machete in ihren Händen, reflektierte leicht und ließ die Helligkeit zurück ins Feuer strömen.

Ave drehte langsam ihren Kopf, begutachtete ihre Machete von allen Seiten, fuhr mit den Fingern über die Klinge, betrachtete die Schärfe des Metalls unter ihrer Haut. Je weiter sie ihren Kopf neigte, je mehr sie ihre Augen um die Schneide drehte, desto blutdurstiger wirkte sie.

Sie hob ihren Arm mit dem feinen Schleifstein in der Hand erneut, rieb an dem Metall hoch und runter, in einem Takt hin und her. Immer weiter, immer fort. Hätte sie ein Kind im Arm, es wäre seit geraumer Zeit eingeschlafen. Sie senkte ihren Kopf und blickte in ihr verschwommenes Spiegelbild, dass immer wieder vor ihr auftauchte. Die Politur setzte sich langsam auf ihren Fingern ab, tropfte auf ihre Kleidung und versank in den einzelnen Fasern ihres braunen Abendkleides. Die zähe Flüssigkeit bestand aus dem feinen Abrieb der menschlichen Haut. Es schimmerte so sehr auf dem feinen Metall, dass es an sonnigen Tagen das Licht der Sonne reflektierte und zu ihren Gegnern widerspiegelte, sodass sie für einen kurzen Augenblick abgelenkt waren, gerade so lang, dass Avellyn den entscheidenden Schlag vollführen konnte, um den Kampf zu gewinnen.

Sie roch das Gequitblut durch das Ölgemisch der Haut durch und atmete tief ein. Sie lächelte über die Erinnerung an ihr erstes Gequit. Sie sahen vom Körperbau so aus wie ein einfaches Pferd, nur viel imposanter, fortgeschrittener und traumhafter als die Reittiere der einfachen Bevölkerung. Ihre Mähne wellte in hunderten blau-schwarzen Strähnen über ihre gigantischen Hälse und das Licht des Mondes strich geheimnisvoll über ihr schwarzes Fell, von feinen dunkelblauen Haare durchzogen. Jedes Wesen stand still, sobald sich die feinen Tiere in ihre Nähe begaben. Nicht etwa, weil sie die beliebtesten Geschöpfe dieser Ära waren, im Gegenteil, die Barbaren hielten die Luft an, wenn sie die Boshaftigkeit der Gequits verspürten, als wollten sie die von Grauen getränkte Luft nicht einatmen.

Avellyn konnte sich noch an die Geschichten ihrer Ziehmutter erinnern. Ihre leisen Worte hatten ihr stets die Geschichte der ersten Gequits erzählt. Jede ihrer Sagen hatte mit den Worten:

„Geh hin und sie, wie die Vergangenheit war."

Begonnen. Viele ihrer Erzählereien hatten sich bereits aus Aves Erinnerung entfernt, doch diese Geschichte würde auf ewig in ihrem Kopf gefangen bleiben.

KönigstochterWhere stories live. Discover now