Das einzig echte an Menschen ist ihre Falschheit (4)

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„Lerne, wie man sich unter einer Meisterin benimmt und dann kehrst du zurück. Vorher werde ich dich nicht in meinem Lager begrüßen." Ave hob wutentbrannt ihren Arm und zeigte mit ihren Fingern Richtung Ausgang. Sie kannte die Tricks, mit denen Sakras spielte, es waren ihre eigenen und sie würde sich nicht durch sich selbst aus dem Spiel schmeißen lassen.

Doch Sakras blickte ihr amüsiert ins Gesicht. „Wie ihr wollt, aber dann werde ich nicht wieder kommen. Ihr habt meine Talente nicht einmal gesehen und schickt mich zu einer anderen Meisterin? Ist euch klar, dass es in diesem Reich keine andere Meisterin gibt?" Sie lachte amüsiert und säuselte weiter.

„Die nächste Meisterin ist bei den Lebenselben. Ich bin sicher, dass ihr schon von ihr gehört habt. Melia von Floralux. Man sagt sich, sie sei euch gleichwertig. Ich bin eine Barbarin, für mich ist es nicht wichtig, auf welcher Seite ich kämpfe. Denkt darüber nach." Ihre Stimme wurde immer dunkler, bis sie sich teuflisch verbeugte, jedoch nicht ihr Haupt senkte und dann langsam zum Zeltausgang marschierte.

Ave biss die Zähne zusammen. Das Mädchen war gut. Zu gut, um es Melia zu überlassen.

„Dort in der Ecke liegt ein Bogen", flüsterte Ave, die Stimme zur Ruhe gezwungen.

Sie hatte das Wortgefecht verloren, doch siegen würde sie bei den Prüfungen. Das Mädchen war untrainiert, sie würde dem nicht standhalten, was sie von ihr erwartete.

Sakras blieb stehen und blickte an den Eingang des Zeltes, wo ein alter schäbiger Bogen auf einem Stuhl lag. Die Sehne hing durch und die Pfeile, die im Höcker an der Lehne lehnten, waren schief. Sie konnte nicht siegen. Doch Sakras griff danach und stolzierte weiter aus dem Zelt.

Ave ließ den Lappen neben sich auf die Felle fallen und versuchte sich mit einem Arm auf die Beine zu stemmen. Yaphin stieß zu ihr und stützte sie sanft von der Seite.

Mit krummen Schritten bahnten sie sich ihren Weg nach draußen. Erst jetzt im fahlen Sonnenlicht blickte Ave an sich runter und begutachtete, was sie an ihrem Leib trug. Ein einfaches Leinenhemd hatten sie ihr übergeworfen, dass ihr bis kurz über die Knie reichte. Die Ärmel waren abgeschnitten worden, damit sie ihre Schulter ohne Behinderung hatten verarzten können.

Yaphin geleitete sie aus dem Zelt raus. Der Matsch drückte sich in Aves lose Füße. Kalt zog es ihren Rücken hinauf. Sakras stand mitten auf der Lichtung und begutachtete den Bogen, den Höcker hatte sie neben sich in den Matsch gelegt.

„Er ist unbrauchbar, alt und morsch. Mit ihm kann man nicht schießen." Entschlossen hob Sakras ihren Kopf und starrte Ave an.

„Jeder meiner Jünglinge lernt auf ihm zu schießen, wenn du dies nicht beherrscht, dann verspreche ich dir keine gute Zukunft bei mir, denn diese wird es nicht geben. Nun geh und schieß mir ein Tier, von dessen Blut ich meinen Durst stillen kann." Ave stieß sich von Yaphin los, als sie nicht mehr als 2 Schritte von Sakras entfernt waren. Wackelig hielt sie sich in dem Matsch auf den Beinen.

Sakras Gesicht zuckte leicht, bevor sie sich wegdrehte und den Bogen erhob. Sie streckte ihre Arme durch und spannte die Sehne, die sie einen Pfeil spannte, den sie zuvor zwischen ihren Armen festgehalten hatte.

Ein eiskalter Wind zog sich durch Aves nasse Haare. Sie fröstelte. Der Wind würde zu Aves Erfolg beitragen. Er war hart und unbarmherzig. Er kam weder regelmäßig noch gleich stark. Jede Böe schien für sich allein zu schweben. Es gab nur wenige Momente, in denen die Chancen auf einen Schuss gut waren.

Sakras nahm sich Zeit und atmete tief ein. Ave wand den Kopf ab und blickte sich auf der überfüllten Wiese um. An den Blättern der Bäume konnte man allmählich Verfärbungen erkennen und der Himmel verdunkelte sich immer weiter. Aves Kopf dröhnte. Allzu lange würde sie es hier nicht aushalten können. Sie blickte nach hinten und sah ihr gesamtes Lager neben ihrem Zelt versammelt. Gebannt warteten sie darauf, das Sakras schoss.

KönigstochterWhere stories live. Discover now