Schlechtes Reden bringt niemals gute Taten (4)

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„Merk. Dir. Das." Sie drückte ihren rechten Zeigefinger bei jedem einzelnen Wort auf seine nackte Brust. Ihr Blick ruhte auf seinem erschrockenen Gesicht, das mit Schlamm und Dreck beschmiert leicht roch, den Geruch von Schweiß und Tier jedoch haftend in den Haaren und am Körper.

Melia drehte sich langsam herum und schritt Richtung Stein, ihren improvisierten Stuhl rückgängig machend, um sich zu beruhigen. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und sie zitterte leicht. Wie konnte er ihr unterstellen, dass er allein war. Solange wie er mit ihr reiste, wahr sie für ihn da. Alles was danach oder vor ihrer ersten Begegnung war durfte er einsam nennen, doch nicht die Zeitpunkte, an denen sie um ihn bemüht war.

Noch einmal streiften ihre Augen sein feines Gesicht, mit den sonst so fein funkelnden braunen Augen und den zerzausten braunen Haaren, als sie sich leicht umdrehte.

Sie war da.

Melia drehte sich um und lief weiter in den Wald hinein.

„Wo gehst du hin?" Schrie er mit zittriger Stimme in ihrem Rücken. Sie hörte ein leichtes Rascheln der Gequits, die sie beinahe vergessen hatte.

„Holz fürs Feuer holen.", murmelte sie absichtlicher Weise leise, sodass er es nicht hören konnte. Der Anblick seines enttäuschten Gesichtes sprang in ihren Erinnerungen umher. Noch immer ging ihr Atem sprunghaft, doch das kontinuierliche Knirschen des Laubes unter ihren Füßen brachte wieder Takt in ihre Gedanken.

Wie verwirrt waberte sein Gesicht vor ihren Augen herum. Die Haut so fein wie die eines Jungen und seine leicht hohen Wangenknochen, wie die eines jungen Elbenkindes. Er war ungewöhnlich für einen Barbaren. Auch sein Benehmen grenzte an höhere Kreise als die eines Dieners. Er wusste sich im allgemeinen zu pflegen, saubere Kleidung, ordentliche Ausdrucksweise und stets Manieren beachtend, nie einer Frau zu unrecht kommend. Es sei denn er stritt sich, wie mit ihr Sekunden zuvor.

Auch seine Haare trug er stets wie ein Elb offen. Oft fielen ihm beim Reiten einzelne leichte Locken seines Haares ins Gesicht und spielten Fangen mit den tiefen seiner Augen. Mehrmals hatte sie sich beim Reiten oder beim abendlichen Zusammensitzen am Feuer dabei erwischt, wie sie ihn musterte.

Tief in sich wusste sie, dass irgendetwas mit diesem Mann nicht stimmte. Ihrer Meinung nach war es nicht mal ein Geheimnis, was er vor ihr verborgen hielt, womöglich wusste er selbst nicht, was in seinem Inneren vor sich ging. Als wäre er wie sie nach ihrem ersten Treffen eine gänzlich andere Person geworden.

Jedoch war sich aber sicher, dass auch er insgeheim wusste, dass er nicht so war, wie seine Natur es ihm ursprünglich vorgegeben hatte.

Melia bückte sich nach einigen Schritten hob einen Ast vom Boden auf. Mit kalten Fingern umspielte sie die abfallende Rinde, die ihr langsam auf die Haut bröckelte. Er war nicht all zu feucht, man konnte ihn noch benutzen. Sie behielt ihn im Arm, bis sie weitere gefunden hatte und schließlich einen Haufen machte, damit sie ihr nicht auf dem Weg herunter fielen.

Mit jedem neuen Stock in ihren Fingern glitt sie tiefer in ihre Gedanken ein, als wären sie Schlüssel zu den Schlössern in ihren Gedanken, die ihr den Weg frei gaben zu sonst verschlossenem.

Hatte Ilace etwa recht behalten und er war in sie verliebt? Bis jetzt war sie sich noch nicht im Klaren über das zwielichtes Gespräch, das sie vor ihrem Tod hatten. Sollte sie ihr Glauben schenken? Doch jedes Mal taten sich Zweifel in ihr auf, beschäftigte sich ihr Bewusstsein mit der Frage. Tabon hatte ihr tatsächlich noch immer nicht von seinem Gespräch mit Rhael erzählt, doch egal was sie tat, er behielt sein Stillschweigen bei. Ebenso blieb die Frage auch noch offen, was er machte, wenn er plötzlich verschwand.

Ihr schossen augenblicklich mehrere Erinnerungen in den Kopf, als sie ihn an Rastplätzen verzweifelt gesucht hatte, in dem Glauben, dass sie ihn dieses Mal wahrhaftig verloren hatte. Sie wollte die Suche schon aufgeben, doch am Ende war er immer wieder dort, wo sie angefangen hatte zu suchen, als wäre er nie weg gegangen. Bis jetzt schämte sie sich dafür, dass sie ihm panisch nachgelaufen war. Was sie genau zu diesem Verhalten trieb, wusste sie nicht. Nur war es ihr, als würde ein anderer Teil in ihr wohnen, der sie zu solchen Handlungen drängte. Er übernahm ihr Bewusstsein und ließ sie erst wieder vollständig zurückkehren, wenn sie wieder in Tabons Nähe war.

KönigstochterWhere stories live. Discover now