Wo die Liebe hinfällt, dort bleibt sie liegen (1)

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Tabon schmiss den Holzlöffel gegen die Gitterwand vor sich. Es knallte laut, als das schmale Holzstück auf das massive Metall traf. Feinste Splitter schossen in die Dunkelheit, im Einklang mit ihnen dröhnte ein donnerndes Grölen durch die kleine Gruft. Von nebenan schrillte einer der Gefangenen, dass er Ruhe benötige. Ein zustimmendes Gebrüll folgte dem lauten Schrei. Tabon stand widerwillig von seinem eiskalten Bettgestell auf, Griff durch die Metallstäbe und holte den Löffel von der anderen Seite des Gitters zurück. Wie er diesen Kerker verabscheute.

Den Lichtständen der Zelle nach zu urteilen, waren seit seiner Gefangennahme mehr als 5 Tage vergangen, in welchen er in den stinkenden Gemäuern des Schlosses stetig vor sich hin versauerte, als würde er seinem eigenen Körper beim Zerfall zuschauen. Seine nackten Füße waren von der ununterbrochen anwährenden, triefenden Feuchtigkeit durchnässt und bildeten bereits Falten, während sich jedes letzte Stück Hornhaut von seinen Füßen zu lösen begann. Die glitschigen Algen, welche er am Anfang der Gefangenschaft auf dem Boden vorgefunden und bewundert hatte, waren bereits zu einem abgenutzten Teppich niedergetrampelt und der an einigen Stellen zum Vorschein kommende Stein isolierte noch weniger die geringe Wärme, welche sich durch das kleine Fenster zu ihm hinein schlich.

Er ließ sich wieder aufs frierende Bettgestell sinken. Inzwischen hatte er eine große Decke und ein Kissen von den Wachen erhalten. Die Tage wurden fortwährend kälter und die Nächte eisiger. Nur bis zur Hälfte des Tages dauerte es, bevor er wieder seinen Atem in der Luft gefrieren sah. Der Winter stand unmittelbar bevor. Wie viele Gefangene wohl dasselbe Privileg bekamen, Decken zu erhalten? Tabon lauschte. Hier und dort wurde geniest und gehustet, geröchelt und gewürgt. Es waren nicht viele mit seiner Schicksalswendung. Er war ein Einzelfall. Mit Sicherheit wollte man ihn jedoch nur lang genug am Leben erhalten, sodass die Elben hoch über seinen Köpfen ihre Pläne ohne Unterlass verfolgen konnten. Damit Firell seine Königin erhielt.

Tabon fuhr sich mit der Hand leicht unter die vom Reiz entzündete Nase, um die stetig herausrinnende Flüssigkeit wegzuwischen, die sich unteranderem auch in seinem heranwachsenden Bart festgesogen hatte. Nach wie vor saß er in seinem zerrissenen verdreckten Hemd und der dünnen Hose in der Kälte fest. Das einzig erfreuende waren die regelmäßigen Speisen, welche ihm immer und immer wieder in die Zelle gestellt wurden. Mit Sicherheit hatte der Kerkermeister Anweisung erhalten, das Gewicht dieses speziellen Barbaren zu steigern.

Die ersten Male hatte Tabon die Nahrung angeekelt angestarrt. Wie selbstverständlich es vor ihm stand, mit dem Löffel in der stinkenden Masse versunken. Derart lang hatte er auf Speisen verzichtet, während und bevor er mit Melia unterwegs gewesen war, dass sie wie etwas gar Unmögliches vor ihm aufgeprangten, sobald sie in sein Sichtfeld gelangten. Doch ein Blick auf seinen zerschundenen Körper, zusammengehalten von wenigen schwachen Muskeln, hatte ihm gereicht. Kaum traute er sich seinen Blick auf sich zu senken, derart angewidert war er von sich selbst. Widerwillig hatte er die erste Schale in die Hände genommen und in seinen schmerzenden Magen hinuntergewürgt. Die nächste Mahlzeit ebenso und die folgenden gleichfalls. Es war ein fast unmöglicher Akt, wie er sich dabei zusehen musste, wie ein Löffel nach dem anderen in ihm verschwand. Folter wäre es gewesen, hätten sie seine Gruft mit Spiegeln ausstaffiert und ihn sich selbst aufgezwungen.

Doch die Zeit versprach Besserung. Nach wie vor kam in ihm ein Würgereiz hoch, sobald der Geruch des Essens in seine Nase stach. Doch er aß weiter. Zuallererst hatte Tabon ein Stück gekochtes, jedoch fast vergorenes Fleisch mit Haferbrei erhalten. Tierfleisch, nicht Barbarenfleisch. Und mit jedem Meter, welchen die Sonneneinstrahlung in seinem Zimmer zurücklegte, kam der Kerkermeister wieder herein und brachte ihm eine Schale mit Haferbrei, oder ähnlichem. Der Brei war schlecht gekocht. Viel zu dünnflüssig und stankt, als hätten sie Fäkalien untergemischt. Es ließ sich aushalten, wenn die Pampe nach etwas schmeckte außer nach wiedergekäutem Erbrochenem.

KönigstochterOnde histórias criam vida. Descubra agora