Kehre deinem Feind niemals den Rücken zu (4)

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Melia starrte nach oben und zog sich an dem Pfeiler hinter sich nach oben. Ihr Arm schmerzte, doch er fing an zu heilen.

„Weißt du, wo der Unterschied zwischen uns ist, Firell?" Sie atmete schwer ein und starrte ihm direkt in seine fahlen, verbohrten Augen. Er sah aus wie ein Monster in Verkleidung. Und er war zum Greifen nahe. Sie konnte seinen Atem riechen. Ein fauliger Gestank, als hätte ihn etwas von innen heraus aufgefressen. Er war leer. So leer. Nichts erfüllte ihn. Nichts brachte ihm Freude. Er war einfach nur. Wie der Tod.

„Du willst siegen und ich will spielen." Sie ließ sich in seine offene Hand fallen, die sich erschrocken um die herausragende Kleidung unter ihrer Rüstung schloss. Es lag ihm also tatsächlich was an ihr. Sie riss ihn mit ihrem Gewicht zu Boden, rammte ihren Fuß in seinen Nacken, den anderen in seine Schulter und zurrte das Seil, was sie nur Augenblicke zuvor hinter ihrem Rücken mit aufgehoben hatte, um seinen Hals fest. Sie zog und drückte, dass er röchelnd mit den Fingern an das Seil glitt und nach Luft schnappte.

Melia zog, dass sich sein Hals verbog. Das Seil, das zuvor Tabon festgehalten hatte, bohrte sich nun in seinen Hals und schnitt ihm die Luft ab. Wie ironisch. Der Knebler wird zum geknebelten. Doch plötzlich hielt sie mitten in ihrer Bewegung inne und lockerte ihren Griff. Sie wollte ihn nicht umbringen. Sie wollte den Tod als Vertrauten, nicht als Feind. Sie nahm das Seil in eine Hand und strich seelenruhig durch sein Haar.

„Wenn dir dein Leben auch nur irgendetwas wert ist, dann lässt du mich hier mit ihm und meiner Truppe hinaus spazieren." Sie hatte ihren Kopf gesenkt und in sein Ohr geflüstert. Er zuckte leicht, als ihm ein Schauer über den Rücken lief. Seine Finger griffen unter das Seil. Er wollte es gerade weg ziehen, als sie den Griff wieder enger nahm und seine Finger zurück in die hohle Luft presste.

„Na na, mein Lieber. Nicht so." Sie atmete schwer und blickte noch einmal um sich herum. Sie sah hunderte von Köpfen, die ihr zugewandt waren. Alle starrten sie mit Unwillen und Unglauben an, doch nur ein Kopf interessierte sie. Doch genau der, wandte sich ihr nicht zu. Tabons. Ihr Kopf richtete sich wieder auf Firell, der begonnen hatte mit den Füßen am Boden zu scharren.

„Und das Baby", presste sie zwischen ihren Lippen hervor.

„Welches.........Baby?" Firell röchelte und hustete vor sich hin. Allmählich bildeten sich Flecken an seinem Hals, wo Melia das Seil auf seine Haut presste.

„Tu nicht so. Er hat gesagt ein Baby. Wenn er ein Baby mitnehmen will, dann wird er es mitkriegen. Er hat gesagt, er verlässt diesen elendigen Platz nicht ohne das Baby und ich verlasse ihn nicht ohne den Barbar. Ich sage es also nur noch ein Mal." Melia zog das Seil noch enger.

„Das Baby kommt mit uns und du lässt uns gehen. Oder glaube mir, ich werde dich zu deinen Artgenossen in euer wahres Reich schicken." Sie küsste ihm auf die Wange, als er tiefes Husten und Spucken anfing, während sich seine Luftröhre gänzlich zupresste. Er wedelte mit der Hand in die Richtung, in der er Avellyn vermutete. Und Avellyn lief. Melia starrte ihr hinterher. Wenn Ave genau wusste, was Firell wollte, dann hatte dieses vermeintliche Baby mehr Bedeutung, als sie dachte. Es gab wohl dank Tabon einen neuen Spieler in ihrer kleinen Partie. Sie lockerte das Seil um Firell.

„Was hat es mit diesem verdammten Baby auf sich? Warum zum Teufel nochmal hast du ein Baby?" Melia wandte sich über Firells Kopf und starrte in sein gesengtes Gesicht, doch der war mehr mit Luft holen beschäftigt, als dass er ihr hätte antworten können.

Noch bevor Melia die Frage erneut stellen konnte, kam Avellyn mit dem Baby die Treppe hinauf gerannt. Melia starrte sie an und zog das Seil wieder enger. Sie sah die Angst in ihren Augen, doch traute sie ihr nicht. Avellyn war hinterlistig. Sie konnte ebenso gut spielen, wie Melia selbst. Doch diese Angst schien ernst zu sein. Nur um wen sorgte sie sich? Um das Baby, oder Firell?

KönigstochterWhere stories live. Discover now