The Original

29. Genau wie ich

Das Wochenende darauf hatte ich mir mehr oder weniger dringlich freigehalten, um mich erneut mit Charlie treffen zu können. Und es war ein wundervolles Gefühl mit meinem alten Freund etwas zu tun.
Naja, wenn Kuchen essen, Kaffee trinken und Fernseher schauen etwas zu tun war, taten wir es definitiv.

Sowas hatten wir seit Ewigkeiten nicht mehr gemacht.

Früher, als ich noch bei meiner Freundin Nellina gelebt hatte, hatten wir uns oft bei Charlie getroffen, Tee getrunken und irgendeinen Quatsch im Fernsehen geschaut. Naja, damals hatten nur Charlie und ich es gemacht. Schmerzlich wurde ich daran erinnert, dass sie lange schon nicht mehr unter uns weilte.
Traurig schaute ich auf den selbst gemachten Käsekuchen auf meinem Porzellan-Teller, den Charlie aus der Tiefe seines Küchenschrankes geholt hatte und bevor wir sie benutzen konnten, erstmal entstauben musste.
„Danke nochmal für den Kuchen. Der ist genial", nuschelte Charlie mit vollem Mund, als er seinen letzten Bissen Kuchen genommen und nun seine Beine auf den Couchtisch legte. Sanft lächelte ich. „Ach, kein Problem. Ich hab das Rezept von Esme. Hab das aus einem ihrer Kochbücher", erklärte ich und genehmigte mir dann auch noch einen großzügigen Bissen. Der Käsekuchen löste sich förmlich auf meiner Zunge auf.

Charlie schaltete indes den Fernseher einige Lautstärken höher und schaute gespannt auf die Sportreportage, die gerade lief. Er schaute sowas gerne. Immer noch. Genauso wie früher.

„Mhm", machte ich und stellte meinen Teller ab.

„Sag, Charlie. Wo treibt sich Bella rum?", erkundigte ich mich so beiläufig, wie es eben nur ging nach seiner Tochter. Ich wusste eigentlich bereits, dass sie gemeinsam mit Edward in Florida bei Bella's Mum Renee war. Es war womöglich die letzte Chance, um sie vor Bella's Abschluss und damit der verbundenen Verwandlung zu sehen.
„Sie ist mit Edward in Florida, bei Renee." Bei der Betonung von Edward's Namen, hätte ich beinahe angefangen zu lachen. „Bella hat so nen Ticket nach Florida von Esme und Carlisle gekriegt. Zum Geburtstag. Die laufen bald ab, also hat Bella die Initiative ergriffen und ihre Mutter besucht. Nur wäre es mir lieber gewesen, wenn jemand anderes als Edward mitgegangen wäre", grummelt Charlie und nahm einen Schluck von seiner Bierdose. „Zum Beispiel du. Du wärst doch viel besser."

Ich lachte leise: „Charlie, sie ist eben verliebt."

Spöttisch schnaubte Charlie aus und verdrehte offensichtlich die Augen. „Du magst ihn nicht sonderlich, was?", fragte ich nach und nahm ebenfalls einen Schluck von meinen Weiß-Wein, kein Bier.
„Hmpf", kam es von Charlie. „Ich weiß, dass sie ihn liebt. Aber als ihr die Zeit weg wart, war Bella so, als hätte euer Fehlen was verdammt großes in ihr zerrissen. Sie war nicht mehr sie selbst. Sollte nochmal so was passieren, weiß ich nicht, ob sie's diesmal verkraften würde."
Er wirkte bedrückt.

Ein Kloß entstand in meinem Hals, den ich krampfhaft runterzuschlucken versuchte. Ich wusste bereits wie es Bella in der Zeit ging, aber dann nochmal die Worte von einer außenstehenden Person zu hören, war wie ein Schlag ins Gesicht. Vor allem von einem Vater.

Die nächste halbe Stunde verbrachten wir still beim Fernsehen, bis mir ein Blick auf die Uhr verriet, dass ich bald los müsste. Die gute Stimmung war ohnehin im Eimer. Ich stupste Charlie an, der beinahe eingeschlafen war und schaute ihn dann entschuldigend an. „Ich muss jetzt los, Charlie. Wir sehen uns bestimmt schnell wieder. Wenn nicht, dann beim Abschluss der Kleinen." Ich zwinkerte ihm zu und lief dann in Richtung Ausgang.
Hinter mir schloss ich die Tür und atmete erst dann wieder durch die Nase ein und den Mund aus. Heute war ein ganz mieser Tag, für das, was wir noch vorhatten. Denn wir wollten noch eine Rundgang über unser Revier machen, da Alice Victoria erst heute morgen in einer Vision sehen konnte, wie sie auf unser Revier gelaufen kam. Ich schaute nochmal durch ein Fenster in das Wohnzimmer hinein, wo Charlie sich erschöpft über die Stirn rieb.