27. Aussprechen und Entscheiden

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Es waren mittlerweile einige Tage vergangen, seit wir Volterra verlassen hatten und nun wieder zurück in Forks waren. Ich hatte mich in Nellas' Haus, meiner alten Vampirfreundin verschanzt. Ich wollte niemanden sehen. Aber letztendlich war ich, auf Jaspers Bitte hin, wieder zurück in die Residenz der Cullens umgezogen. Allerdings bekamen sie mich dort kaum zu Gesicht.
Mir ging es nicht gut. Nicht körperlich bedingt, sondern einfach seelisch. Mental. Psychisch.

Das war auch einer der Gründe neben der Bitte von Jasper.

Durch seine Gabe, konnte ich ich selber sein und musste nicht mein gesamtes Gefühlschaos erklären, da ich es selber nicht verstehen konnte. Wir verbrachten viele Stunden im Schweigen, doch alleine seine Präsenz erleichterte es mir.
Natürlich könnte er mir immer positive Energie zukommen lassen, aber ich wollte selber damit fertigwerden.
Einfach deswegen, weil ich Aro nicht diese Genugtuung geben wollte, dass meine Unsicherheiten und auch Vorwürfe mir gegenüber aufflammten. Vielleicht wäre alles anders gekommen, hätte ich Raphael früher in einen Vampiren verwandelt. Beziehungsweise wäre ich überhaupt diejenige gewesen.

Die meiste Zeit des Tages verbrachte ich damit in meinem neuen Bett zu liegen, in dem ich über alles nachdachte. Ab und zu war ich eingeschlafen, dann aber durch einen schlechten Traum wieder wachgeworden.

Ich wollte keinen sehen.

Genauso wenig sehnte sich mein Körper nach Blut. Ich wollte nichts zu mir nehmen. Der Antrieb zu leben hatte mich damals, nach dem 'Tod' von Raphael schon verlassen. Jetzt war er erneut erloschen. Es klang vielleicht erbärmlich oder dramatisch, aber der Schmerz seinen Geliebten zu verlieren, ihn wieder zusehen und erneut zu verlieren, war ein zu großer Fisch, um ihn zurück ins Meer zu werfen.
Doch trotz alledem kam Jasper wirklich jeden Tag zu mir. Und jedesmal hatte er eine Packung mit Blut in seiner Hand, die er mir wortwörtlich aufzwang. Sollte ich sie nicht trinken, würde er nicht gehen.
Auch wenn mir das wieder Kraft gab, das menschliche Blut, musste ich doch schmerzhaft mitansehen, wie mein Körper darauf zu reagieren begann. Hier bei den Cullens hatte ich mir angewöhnt, meinen Tarnmantel fallen zu lassen.
Und das zeigte mir, wenn ich in den Spiegel schaute, dass meine Augen nun nicht mehr dieses tiefe Gold hatten, sondern langsam einen sanften Rotstich abbekamen. Ich dürfte diese Grenze nicht überqueren. Nicht wieder.

Vor wenigen Minuten war Jasper erst gegangen, schlafen konnte ich nicht.

Deshalb beugte ich mich vor.

Von meinem Nachtkästchen fischte ich ein altes und abgegriffenes Buch. Der alte Ledereinband war bereits modrig und definitiv weit überholt. Es war aber auch eines meiner ersten Tagebücher, ab dem Zeitpunkt, als mein unsterbliches Leben angefangen hatte. Als ich merkte, wie sich mein Körper grundlegend veränderte.
Ich zeichnete auch ein, wie meine Begegnung mit Aro, Markus und Caius ablief - natürlich auch all den anderen Volturis. Allerdings waren diese Seiten des Buches nur vollgeschrieben mit den Geschehnissen der ersten 3 unsterblichen Jahre. Die Begegnung mit den Meistern der Volturis lag weitaus länger zurück, als dass es in den ersten drei Büchern geschrieben war.

In einem großen Bücherregal standen etwa 30 Bücher voller Erinnerungen und Gedanken.
Voller Erfahrungen und Eindrücke.

Ich stemmte mich aus den weichen Kissen.

Anschließend holte ich mir das allererste Buch, welches ganz oben links stand. Viel schneller als wohl für möglich gedacht, blätterte ich interessiert das Buch durch und begann zu Lächeln. Ich war naiv gewesen, aber glücklich. Naja mehr oder weniger.
Über ein Thema hatte ich sogar hier komplette Seiten geschrieben. „'Die unsterblichen Kinder'", flüsterte ich leise. Ich blätterte weiter und schenkte dem Thema kaum mehr Beachtung. Eher war ich neugierig, was sonst noch so kommen würde. So wichtig wusste ich nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit ich anfing zu lesen. Aber da ich mittlerweile im Jahr 1663 angekommen war - dem Jahr in dem ich Carlisle trat - musste es wohl lange sein.

The Original Where stories live. Discover now