↬ 26. Ein gutes Team

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VALERIE

„Es geht dir gut", stelle Harry etwas außer Atem fest. „Natürlich geht es mir gut", erwiderte ich und verschränkte locker die Arme vor der Brust. „Du hast mir geschrieben, dass du gestürzt bist. Ich habe mir Sorgen gemacht", fuhr er mich wütend an, wovon ich mich jedoch nicht beeindrucken ließ. Schließlich war ich das mittlerweile gewohnt.

„Ich habe eine Überraschung für dich. Ich dachte, dass uns das vielleicht daran erinnert, was wir damals für ein gutes Team waren. Das wir es jetzt immer noch sein können", sprach ich während wir den Schotterweg entlang liefen, „Irgendwie gehören diese Neckereien zu unserer Beziehung aber momentan streiten wir wegen jeder Kleinigkeit. Und es muss ja wohl einen Grund dafür geben."

„Wir sind immer noch ein gutes Team", widersprach Harry mir, „Dein Problem ist der Kontakt zu meiner Mutter. Mein Problem ist deine ständige Bevormundung. Ich lüge nicht, um dich zu verärgern sondern weil ich dich nicht belasten will. Und ich weiß, dass du auch Geheimnisse vor mir hast. Jeder Mensch hat so sein Geheimnis. Man muss nicht alles über seinen Partner wissen sondern sich einander vertrauen können. Tust du das denn noch?"

„Tust du es noch?", konterte ich mit einer Gegenfrage, die Harry bejahte. „Ich kann dir vertrauen aber ich will nicht belogen werden, Harry." „Dann höre du auf mich zu belügen", meinte er mit einem scharfen Unterton in der Stimme.

Dabei kamen wir an dem Ort an, wo wir uns damals das zweite Mal getroffen hatten. Das alte Anglerhaus am See. Auf dem Dach hatte ich Wolldecken und Kissen ausgelegt, um es gemütlicher zu machen. Auch in Harry schienen in diesem Moment Erinnerungen hochzukommen.

„Ich habe es noch", flüsterte er als wir nebeneinander auf der Decke lagen. „Was hast du noch?" „Dein rosanes Notizbuch mit der Geschichte, die kein Ende hat", erwiderte Harry und nun erinnerte auch ich mich daran. Er hatte es auf dem Dach hier gefunden und ohne meine Erlaubnis gelesen. Danach hatte er sich beschwert, dass die Geschichte kein Ende hatte.

„Hast du mittlerweile ein Ende geschrieben?", lachte ich leicht auf, da ich ihm dies vorgeschlagen hatte. „Nein, ich bin nicht so begabt darin wie du", schmunzelte er und verhakte seine Hand mit meiner. „Du schuldest mir übrigens noch einen Song", bemerkte ich während wir beide auf dem Rücken lagen und in den Wolkenhimmel schauten.

„Zu einem besonderen Anlass bekommst du einen Song", erwiderte er nach kurzer Denkphase. „Wollen wir ein Spiel spielen? Das hat mein Vater früher mit uns gemacht", schob er hinterher, weshalb ich mich erkundigte, worum es in dem Spiel ging. „Jeden zweiten Sonntag im Monat beichten wir uns ein Geheimnis", erklärte er in einer sehr kurzen Zusammenfassung. „Das hört sich nach noch mehr Streitpotenzial an", spottete ich misstrauisch.

„Das soll helfen ehrlicher zueinander zu sein. Entweder man verzeiht das Geheimnis oder man findet dadurch heraus, ob man einander überhaupt noch liebt oder vertrauen kann", sprach Harry in einem ungewohnt nachdenklichen Ton. „Du hörst dich schon an wie meine Mutter", prustete ich amüsiert. „Man lernt von den Besten", grinste Harry mich frech an, wonach ich ihm gegen den Oberarm boxte. „Du änderst dich nie." „Du auch nicht."

„Also spielen wir das Spiel?", drehte er seinen Kopf zu mir und musterte mich mit seinen giftgrünen Augen. „In Ordnung aber nur für zwei Monate", willigte ich letzlich ein. „Du hast deinen Pullover nicht im Hotel vergessen sondern ich habe ihn verbrannt", gestand Harry mir als Erster, weshalb ich ihn empört ansah. „Das war einer meiner Lieblingspullover." „Der war grausam. Davon habe ich beinahe Augenkrebs bekommen."

In My Blood II  ↬ h.s.Where stories live. Discover now