↬ 22. Alltag

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HARRY

Mein Handy zeigte sechs Uhr an als ich durch ein lautes Klopfgeräusch geweckt wurde. Noch halb im Schlafmodus schlenderte ich die Treppen nach unten ins Gästebad, wo die Geräusche herkamen. Dort entdeckte ich Valerie, die mit einem Hammer aggressiv die alten Fliesen von der Wand schlug.

„Valerie, Schatz. Was machst du da?", fragte ich, obwohl es unübersehbar war. „Ich will irgendwann mal nicht mehr auf einer Baustelle wohnen", gab sie etwas außer Atem zurück als sie ihre Arbeit für mich stoppte. „Verstehe ich und auch das du versuchst dich abzulenken aber manchmal macht es das nur noch schwerer", meinte ich und nahm ihr den Hammer ab. „Keine Sorge. Mir geht es gut."

„Jemandem, der vor einer Woche seine Mutter verloren hat, kann es nicht gut gehen", widersprach ich ihr sofort. „Jeder geht anders mit Trauer um", verteidigte sie sich, weshalb ich leise seufzte. Gerade als ich noch etwas sagen wollte, klingelte es an der Haustür. Verwundert darüber wer so früh schon hier auftauchte, begab ich mich in den Flur.

„Miss Graham?!", sah ich die braunhaarige Frau entgeistert an. Diese schenkte mir ein unbeholfenes Lächeln während ihre meerblauen Augen zu Valerie wanderten, die nun neben mir stand. „Wir haben einen Termin", klärte Miss Graham mich schließlich auf. „Kommen sie rein", meinte Valerie, wonach wir uns gemeinsam im Wohnzimmer auf der Couch niederließen. „Möchten sie etwas zu trinken? Einen Kaffee oder ein Glas Wasser?!", erkundigte ich mich höflich, wonach Miss Graham sich für den Kaffee entschied. „Hilfst du mir kurz in der Küche?", schob ich mit Blick zu Valerie hinterher.

„Wieso weiß ich nichts von dem Termin?!", zischte ich sie in einem Flüsterton an. Ich war innerlich am brodeln und hätte Valerie am liebsten lauthals meine Meinung gegeigte. Sowas konnte sie nicht einfach machen ohne vorher mit mir darüber zu sprechen. Ich fühlte mich komplett vor den Kopf gestoßen.

„Ich habe vergessen es dir zu sagen", zuckte Valerie mit den Schultern und bediente sogleich die Kaffeemaschine. „Ja, ist klar", spottete ich kopfschüttelnd, „Es wäre ganz nett, wenn du mich in Zukunft wieder mit in deine Terminplanung aufnimmst. Ich komme mir nämlich vor wie der letzte Idiot. „Kommt nicht wieder vor", versprach sie aber so wirklich glauben konnte ich das nicht.

Mit einem Tablett transportierte ich die Tassen sowie Zucker und Milch ins Wohnzimmer, wobei Valerie mir folgte. Aus dem Gespräch heraus erfuhr ich, dass Valerie bereits alle Unterlagen an Miss Graham verschickt hatte ohne mich darüber zu informieren. Nach außen wahrte ich ein Lächeln aber innerlich stieg meine Wut auf Valerie.

„Sie müssen zusätzlich ein sechswöchiges Seminar besuchen. Das sind Termine, die meist abends stattfinden. Dort sind auch andere Paare mit denen man sich austauschen kann. Die Leiterin des Seminars sagt uns dann ihre Einschätzung, ob sie als Adoptiveltern geeignet wären oder eher nicht. Am Ende entscheidet zwar das Jugendamt aber wir holen uns bei sowas auch gerne die Meinung von Außenstehenden", erklärte Miss Graham ausführlich und drückte mir eine rote Mappe in die Hand, in der alle Informationen über das Seminar standen.

„Könnten sie mir noch ihr ganzes Haus zeigen? Das spielt für uns auch eine Rolle, da wir gewisse Vorgaben haben", bat Miss Graham uns, was ich mit einem unwohlen Gefühl tat . „Das Gäste-WC und den Keller sind wir noch am renovieren", räusperte ich mich, wobei Miss Graham verstehend nickte. Danach gingen wir in die obere Etage, wo in den meisten Zimmern Unordnung herrschte.

„Das ist normalerweise alles sauber aber wir haben momentan viel Stress und da haben wir vergessen aufzuräumen", bemerkte Valerie aber weckte dadurch Miss Graham's Interesse. „Von ihren Jobs?" „Nein, meine Mutter ist gestorben und ich plane momentan die Beerdigung", erwiderte Valerie monton, wonach Miss Graham ihr Beileid aussprach. Eine glatte Lüge. Zumindest was die Beerdigung anbelangte.

In My Blood II  ↬ h.s.Where stories live. Discover now