↬ 2. Realität

54 4 0
                                    

VALERIE

Das Wochenende in Hastings war wirklich ein Traum gewesen. Doch seit zwei Wochen hatte uns der Alltag wieder. Die Arbeit hatte uns voll im Griff und an manchen Tagen hetzte man von einem Termin zum Anderen. Die Abende jedoch gehörten absofort nur noch Harry und mir. Das hatten wir aus dieser kleinen Auszeit heraus beschlossen.

„Ich mag Kinder aber gerade würde ich dieses Baby am liebsten umbringen", sprach Harry genervt, da unsere Nachbarn von der Wohnung über uns seit einem Monat einen Neuzugang hatte, der ein ziemlich lautes Organ hatte. Insbesondere in den Abendstunden. In dem Altbau waren die Wände nicht gerade Schalldicht und so bekamen wir auch nachts weniger Schlaf was selbst mich mittlerweile störte, weil ich einen eher leichten Schlaf hatte.

„Würdest du das auch sagen, wenn es dein Baby wäre?!", fragte ich ihn und drehte mich zu ihm. „Ja", erwiderte Harry ohne groß nachzudenken. „Mich nervt es zwar auch aber ich würde alles tun, um das einmal zu erleben." „Was jetzt genau?", runzelte Harry die Stirn als er sich ebenfalls auf die Seite drehte, sodass wir uns nun in die Augen schauten. „Einmal zu erleben wie es sich anfühlt Mutter zu sein", antwortete ich ihm ehrlich, weshalb Harry leise seufzte. „Ich kann dich verstehen aber irgendwann musst du das mal akzeptieren. Die Natur kann ein Arschloch sein aber das heißt nicht, dass du nie eine Mutter sein kannst", meinte Harry mit einem aufmunternden Lächeln.

„Es ist aber nicht dasselbe", verteidigte ich mich während Harry über meinen Unterarm strich und damit eine Gänsehaut verursachte. „Manchmal muss man Kompromisse eingehen, um sich einen Wunsch erfüllen zu können. Wenn du nicht bereit dazu bist, dann solltest du keine Gedanken mehr daran verschwenden sondern dein Leben so akzeptieren wie es jetzt ist", teilte Harry seine Ansicht mit mir.

„Als Mann sagt sich das so leicht", murmelte ich, weshalb Harry mich entrüstet ansah. „Was soll das denn jetzt heißen?!", fauchte er mich an und richtete sich sogleich auf, „Das ich nicht nachempfinden kann wie scheiße es sich anfühlt keine leiblichen Kinder zu bekommen, weil ich das Kind nicht austragen würde?! Was ein Schwachsinn. Ich könnte mir diesen Wunsch erfüllen aber ich verzichte darauf, weil ich dich liebe und dich so nehme wie du bist. Es gibt schlimmere Dinge im Leben, Val."

„Es zwingt dich keiner darauf zu verzichten", konterte ich, woraufhin Harry wortlos seine Bettwäsche in die Hände nahm und die Tür vom Schlafzimmer hinter sich zuknallte. Da ich wegen dem Babygeschrei und auch wegen dem Streit mit Harry nicht schlafen konnte, raffte ich mich auf und begab mich ins Wohnzimmer, wo Harry sich auf der Couch niedergelassen hatte. „Tut mir leid. Ich bin dir sehr dankbar, dass du für mich darauf verzichtest. Ich habe mir das nur immer gewünscht und es tut eben weh, wenn ich andere Frauen mit ihrem Baby sehe. Das erinnert mich ständig daran, dass es mir nicht gegönnt ist", erklärte ich Harry als ich mich auf die untere Armlehne der Couch setzte.

„Und ich fühle mich als ob ich keine richtige Frau mehr bin", schob ich in einem Flüsterton hinterher. Ich zuckte kurz zusammen als ich Harry's Hand an meinem Arm spürte und sanft zu ihm gezogen wurde, sodass ich dicht an ihm lag. „Eine richtige Frau definiert sich durch ihren Charakter und Reife aber nicht ob sie Kinder bekommen kann oder nicht", widersprach Harry mir und fuhr mit dem Zeigefinger meine Gesichtskonturen nach.

„Du bist nicht mehr wütend?", traute ich mich nachzufragen. „Ich war nicht wütend sondern konnte kein Verständnis für deine Worte aufbringen", verbesserte Harry mich, was ich mit einem leichten Nicken kommentierte. „Ich denke in letzter Zeit immer öfter daran, weil ich mich bereit dazu fühle. Ich weiß nicht wie es dir damit geht aber ich habe ein wenig recherchiert und so eine Adoption kann sich ganz schön in die Länge ziehen und" „Stopp", bremste Harry mich mittendrin aus, „Wir können das mit der Adoption gerne in Angriff nehmen aber unter der Bedinung, dass du aufhörst dich selbst zu bemitleiden und die Gedanken verwirfst keine richtige Frau mehr zu sein. Du bist perfekt so wie du bist und ich bin mir sicher, dass du eine großartige Mutter wirst." „Versprochen", hauchte ich ihm lächelnd einen Kuss auf die Lippen.

In My Blood II  ↬ h.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt