↬ 16. Alte Bekannte

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HARRY

Ich forderte von Valerie mir nichts zu verheimlichen aber genau das tat ich hier gerade. Ben parkte vor einem noblen Einfamilienhaus und ich wollte fast nicht glauben, dass meine Ex-Freundin dort lebte. Doch laut der offziellen Adresse tat sie es.

Gemeinsam liefen wir den steinigen Weg entlang zur Haustür, wo ich die Klingel betätigte. Kurz darauf öffnete ein junges Mädchen die Tür und nahm ihre Kopfhörer ab. Quinn. Sie sah im Grunde noch so aus wie damals nur ein paar Jahre älter und reifer.

„Ist deine Mutter da?", ergriff ich das Wort, woraufhin Quinn für einen Moment verschwand. Zurück kam Nicky, die im Gegensatz zu ihrer Tochter eine totale Veränderung hingelegt hatte. Keine bunten Strähnen mehr im Haar, keine schwarze und gewagte Kleidung. Lediglich ihre lackierten Fingelnägel waren geblieben.

„Nicky?!", rustchte es mir ungläubig heraus, was ihr einen Lacher bescherte. „Hallo, Harry. Lange nicht mehr gesehen", lehnte Nicky sich gegen den Türrahmen, „Also was führt dich hierher?!" „Ja, allerdings", gab ich immer noch perplex zurück, „Kennst du einen Hudson, der illegale Autorennen fährt?! Ich kann mich daran erinnern, dass er mal bei dir zuhause war." Nicky drückte mich sanft ein Stück nach hinten und schloss die Haustür.

„Höre mal: Ich habe damit abgeschlossen. Die Liebe zu meinem Mann hat mich so verändert, weil ich verstanden habe, dass ich mein Leben umkrempeln musste. Das habe ich getan und jetzt bin ich hier. Ich bin zufrieden und will keinen Ärger", meinte Nicky und diese Worte aus ihrem Mund zu hören war komisch. „Dieser Hudson hat meine Frau gewürgt und ihr mit Gewalt gedroht. Und er hat vielleicht versucht mich umzubringen", erklärte ich Nicky, die daraufhin länger grübelte.

„Diese Information hast du nicht von mir. Hudson" „Das Essen ist fertig. Kommst du oder dauert es länger?", stieß ein Mann mitte Dreizig zu uns. Er trug einen schicken Anzug und sein Äußeres passte hervorragend zum Stereotypen eines Businessmannes. Dennoch wirkte er nicht abgehoben oder der Gleichen sondern sehr freundlich.

„Nein. Harry wollte gerade wieder gehen", erwiderte Nicky ihm und umarmte mich zum Abschied. „Hudson kennt das Monster und er wollte Informationen über dich", flüsterte sie mir als Tipp ins Ohr, ehe sie ihrem Mann zurück ins Haus folgte.

„Und was hat sie dir ins Ohr geflüstert?", hakte Ben interessiert nach als wir wieder im Auto saßen. „Das Hudson meine Mutter kennt und er von ihr Informationen über mich wollte. Was, wenn meine Mutter ihn auf mich angesetzt hat?! Selbst im Knast kann sie es nicht lassen mich zu terrorisieren", sprudelte es aus mir heraus.

„Verstehe mich nicht falsch aber ich glaube nicht, dass deine Mutter was damit zu tun hat. Mit dem damaligen Angriff vielleicht aber mit dem vor ein paar Wochen hat sie nichts zu tun. Sie sitzt wegen Mord im Gefängnis. Sie kann nicht einfach so Besuch empfangen. Selbst als Familienangehöriger ist das schon schwierig. Briefe werden bei solchen Insassen auch kontrolliert", widersprach Ben mir kopfschüttelnd. „Was will der Typ dann noch von mir?!", sah ich ihn verzweifelt an.

„Keine Ahnung aber wir werden es herausfinden. Und ich habe auch schon eine Idee", entgegnete Ben aber wollte noch keine Details verraten. Stattdessen fuhr er mich zur Arbeit, wo Niall und Louis plauderten. Mit den Beiden hatte ich eigentlich noch ein Hühnchen zu rupfen. „Ich melde mich", bemerkte Ben als ich ausstieg, was ich nur mit einem verstehenden Nicken kommentierte.

„Müssen wir angst haben?", runzelte Louis panisch die Stirn nachdem Ben weggefahren war. „Nein, ich bin kein Unmensch", meinte ich und die Jungs schienen überrascht, dass ich in meinem Ton nicht laut wurde, „Trotzdem macht ihr sowas nicht mehr mit. Der Kerl hat Valerie gewürgt und ihr gedroht. Ich kann mit sowas umgehen aber sie nicht. Ich schleppe eure Frauen auch nicht zu einem illegalen Autorennen, um in der Vergangenheit ihres Mannes rumzuschnüffeln."

„Ich habe Niall überredet zu helfen", gestand Louis mit einem entschuldigenden Blick. Er war noch nie ein guter Lügner gewesen. „Aber als Entschädigung haben wir etwas für dich, das wir in Hudson's Wagen gefunden haben", meinte Niall mit einem leichten Grinsen und hielt mir mehrere veraltete Zeitungsartikel hin, die ich genaustens studierte.

Zwanzigjähriger ermordert Stiefvater.

So lautete die Überschrift des ersten Artikels und es unterlag eigentlich meinem Willen diese Artikel über mich zu lesen, die mich überwiegend als Mörder darstellten. Doch es sollte sich lohnen, da sich eine kleine Information aus einem der Texte herausspiegelte, die mir bislang unbekannt war.

„Oh mein Gott", wisperte ich und lehnte mich gegen den roten Oldtimer, den Niall reparierte, „Denkt ihr da ist was dran?!" „Kann gut möglich sein", zuckte Niall mit den Schultern und auch Louis konnte sich zu keiner eindeutigen Entscheidung hinreißen.

Ich musste die Person finden, die dieses Interview gegeben hatte.

~~~

„Hey, ich dachte auf der Arbeit wäre telefonieren verboten?!", fragte ich Valerie als ich ihren Anruf annahm. „Ich bin einer Toilettenkabine, damit ich nicht Gefahr laufe, dass mein Chef mich erwischt", erwiderte Valerie, wobei ich mir einen Lacher nicht unterdrücken konnte. „Höre auf immer so zweideutig zu denken", fügte sie genervt hinzu.

„Ich denke nicht zweideutig. Ich erinnere mich bloß daran wie wir damals in den Flitterwochen" „Wir reden nicht mehr darüber. Das war peinlich genug", schnitt Valerie mir beschämt das Wort ab. „Okay, warum rufst du an?", wechselte ich das Thema.

„Meine Mutter hat einen Brief bekommen, in dem drinsteht, dass mein Vater noch lebt", erzählte sie aufgelöst. „Und das ist eine seriöse Quelle?!" „Es steht kein Absender drauf aber die Briefmarke ist aus Portugal. Der Typ, der das geschrieben hat, ist wohl ein Freund von meinem Vater", konterte Valerie, woraufhin ich leise seufzte.

„Was hast du jetzt vor?!" „Ich will zu der Adresse nach Portugal", kam es prompt von ihr zurück. „Was soll das bringen, Val? Ich glaube kaum, dass euer Vater so abgezockt ist, auch wenn ich ihn nicht kenne", merkte ich meine Zweifel an. „Verstehst du es nicht?! Das ist meine Chance herauszufinden, ob mein Vater noch lebt oder tot ist. Aber dann haben wir wenigstens die Gewissheit was mit ihm ist. Weißt du, ich rede darüber nicht aber es macht mich heute noch fertig, dass ich nicht damit abschließen kann."

Valerie's Stimme wurde zum Ende immer leiser und hörte heraus wie sehr sie das belastete. Ich hatte angst, dass sie die Wahrheit nicht verkraften würde und wollte deswegen nicht, dass sie nach Portugal reiste. Aber ich konnte auch ihre Seite verstehen.

Ihren Vater hatte sie in den letzten jahren kaum erwähnt. Nur an Geburtstagen oder Feiertagen. Ich redete auch kaum über meinen Vater. Doch ich konnte mit diesem Kapitel abschließen, weil ich wusste, dass er tot war und nicht mehr wiederkommen würde.

Valerie aber konnte genau das nicht, da  es die minimale Chance gab, dass Troy noch lebte.

Mein Vater war bei einem Brand um's Leben gekommen aber sollte Troy wirklich tot sein, dann verstand ich, wenn seine Familie wissen wollte, was passiert war. Endlich Antworten auf ihre Fragen zu finden. Das diese Ungewissheit ein Ende fand.

Valerie hatte mir damals bei der Sache mit meiner Mutter beigestanden, obwohl sie nicht wusste, was sie für ein unberechenbarer Mensch war. Und vielleicht sollte ich nun Valerie beistehen bei dem was sie über ihren Vater erfahren würde.

„Wann willst du nach Portugal?" „Morgen früh geht ein Flug nach Lissabon." „Hättest du was dagegen, wenn ich mitkomme?", hakte ich zögernd nach, wodurch es länger ruhig am Hörer war. „Ja, gerne. Aber Ceddie kommt auch mit", erwiderte sie letzlich. „Ich würde ja gerne noch weiterreden" „Aber du musst pinkeln, weil du die ganze Zeit andere Frauen pinkeln hörst", beendete ich amüsiert ihren Satz und Valerie bestätigte ihn mit einem peinlich berührten Lachen, ehe sie mich am Habdy abwürgte.

Hoffentlich endete die Reise nach Portugal nicht in einem Familiendrama. Davon hatten wir echt schon genug.

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Eure Meinung zum Kapitel?🌿

In My Blood II  ↬ h.s.Hikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin