↬ 25. Seminar 1.0

28 4 0
                                    

VALERIE

Die anderen Paare waren alle älter wie wir und von der bisherigen Vorstellungsrunde malte ich uns schlechte Chancen aus ein Kind zu adoptieren. Diese Paare waren alle so harmonisch und hatten ein stabiles Umfeld zu bieten. Harry und ich hatten zwar ein schönes Haus mit Garten aber dafür zwei Autos, die nicht unbedingt kinderfreundlich waren. Doch keiner von uns wollte sich von seinem Auto trennen.

Wir hatten einen hohen Kredit abzubezahlen und schwammen nicht wirklich in Geld. Harry arbeitete in einer Autowerkstatt und ich hatte momentan nicht einmal einen Job, was ich meinem Ehemann im Übrigen verschwieg. Wir waren im Vergleich noch jung und das machte mir irgendwie angst.

Ich fragte mich, ob wir das nicht überstürzten. Andererseits hätten wir schon eigene Kinder, wenn es die Möglichkeit gab. Unsere Freunde waren in unserem Alter und hatten auch schon Kinder. Wir lagen eigentlich im guten Mittelfeld was das Alter betraf aber wir waren kein Spießerehepaar.

„Ich heiße Valerie und bin 26 Jahre alt", stellte ich mich etwas unbeholfen vor während alle Augenpaare auf mich gerichtet waren. „Vielleicht erzählen sie uns noch ein bisschen mehr über sich?!", forderte die dunkelhäutige Frau mittleren Alters mich auf. Sie hatte ein paar Rundungen aber sie standen ihr.

„Ich habe Modedesign studiert und spiele manchmal Golf. Ich gehe gerne am Wochenende mit meinen Kolleginnen feiern. Was ich nicht mag ist Seafood und große Hunde", sprudelte es aus mir heraus und merkte erst im Nachhinein, was ich gesagt hatte.

„Ich würde natürlich nicht feiern gehen, wenn ich Kinder hätte. Dann wäre ich ja kein gutes Vorbild", versuchte ich mich zu retten. „Allerdings brauchen Eltern auch ab und zu ihre Freiheiten und" „Höre bitte auf zu reden", schnitt Harry mir augenrollend das Wort ab. „Tschuldigung", nuschelte ich und begann an meinen Fingernägeln zu kauen.

„Mein Name ist Harry und ich bin auch 26 Jahre alt. Ich arbeite als Mechaniker in einer Autowerkstatt. In meiner Freizeit spiele ich Basketball oder mache einen Pokerabend mit meinen Freunden. Ich mag Seeafood und große Hunde. Bis vor vor ein paar Jahren hatte ich selbst einen Rottweiler, den ich einschläfern lassen musste. Er ist für seine Rasse sehr alt geworden und ich würde gerne wieder einen Hund haben aber meine Frau möchte das nicht", sprach Harry und lächelte mich falsch an.

„Wie lange sind sie schon verheiratet?", fragte Tina uns interessiert. Zumindest stand der Name auf dem Schild, das an ihrer Bluse klebte. „Fünf Jahre", erwiderte ich mit einem ehrlichen Lächeln. „In meinen Unterlagen steht, dass sie sechs Jahre verheiratet sind", gab sie verwirrt zurück, woraufhin Harry sich zu unserem Fehler bekannte.

„Wir wollten am selben Tag vor sechs Jahren schon heiraten. Deswegen haben wir das wohl vertauscht." „Wieso haben sie denn nicht vor sechs Jahren geheiratet?", forschte eine blondhaarige Frau Mitte 30 nach, wobei ihre blauen Augen Freundlichkeit aber auch Neugier ausstrahlten.

„Das ist etwas kompliziert und auch nicht so wichtig. Wir" „Sie können hier ehrlich sein. Ihre Worte verlassen nicht diesen Saal. Wir wollen uns hier schließlich kennenlernen", unterbrach Tina mich, weshalb ich hilflos zu Harry blickte, der jedoch genauso überfordert war. „Die kurze oder lange Version?", warf Harry letzlich ein und einer der zwei homosexuellen Männer meldete sich zu Wort.

„Die Kurze. Dann sehen wir ob die Lange sich lohnt", schmunzelte Dan, woraufhin Harry kurz nachdachte. „Meine Mutter war ein Psycho und hat versucht uns am Tag unserer Hochzeit umzubringen, insbesondere mich", brachte Harry es schnell hinter sich. Daraufhin sahen uns zehn entgeisterte Gesichter an. „Sie sitzt seitdem im Gefängnis", ergänzte ich in einem neutralen Ton.

„Sie macht eine Therapie und ist nicht mehr so ein Psycho wie damals", räusperte Harry sich, weshalb ich ihn verwirrt ansah. „Woher willst du das wissen?", fragte ich ihn in einem ernsten Ton. „Ich war sie besuchen. Das habe ich dir doch erzählt?!", gab Harry ein wenig verwirrt zurück. „Von dem Teil eures Gespräches hast du mir nichts erzählt. Warum warst du überhaupt bei ihr?!", fuhr ich ihn harsch und blendete die anderen Paare aus.

„Ich habe sie nach Hudson gefragt. Nicky meinte, dass meine Mutter und er sich kennen." „Oh, wunderbar. Da hast du noch gleich deine Ex-Freundin besucht?!", sah ich ihn empört an. „Sei nicht immer so temperamentvoll", atmete Harry genervt aus, „Ich darf mich treffen mit wem ich möchte. Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig."

„Warst du nicht derjenige, der gesagt hat, dass wir ehrlicher miteinander reden müssen?!", konterte ich, woraufhin Harry schwer schluckte. „Ich war bei meiner Mutter und habe sie nach Hudson gefragt." „Du kannst mit der Sache einfach nicht abschließen, oder?!", spottete ich kopfschüttelnd. „Nein, ich kann nicht vergessen, dass der Kerl dich gewürgt und bedroht hat", keifte Harry zurück.

„Vielleicht solltest du mal an deinem extremen Beschützerinstinkt arbeiten", sagte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Tut mir leid, dass du mir wichtig bist. Beim nächsten Mal sage ich denen, dass sie dich abstechen sollen, weil du keinen Beschützer brauchst", zischte Harry und ich musste zugeben, dass mich diese Worte ziemlich ins Herz trafen, „Manchmal bist du echt undankbar."

Damit stand Harry auf und stürmte aus dem Raum. Ich hatte den Drang ihm zu folgen aber ich wusste, dass er mich nicht sehen oder anhören wollte.

~~~

Schniefend lehnte ich meinen Kopf gegen Ceddie's Oberarm und zerqueschte beinahe seine Hand. Am Grab meiner Mutter zu stehen, fühlte sich so endgültig an. Mir wurde die bittere Wahrheit vor Augen führen, die ich noch vor zwei Wochen verdrängt hatte. Ich war wirklich im Glauben gewesen, dass meine Mom zurückkommen würde.

Meine Mutter hatte gewiss nicht alles richtig gemacht aber ich würde sie sehr vermissen. Ich konnte mir ein Leben ohne meine Mutter kaum vorstellen. Seit ich denken konnte, hatte sie mich begleitet und sie war bei allen wichtigen Momenten dabei. Ich hoffte, dass ich das auch irgendwann erleben konnte und war umso trauriger, dass meine Mutter dann nicht dabei sein würde.

Sie hatte mir immer ans Herz gelegt, dass ich es besser machen sollte wie sie. Doch ich hatte jetzt schon das Gefühl als Mutter versagt zu haben ohne das ich je eine Mutter war. Keine Ehe war perfekt und auch Eltern durften sich streiten aber Harry und ich trieben uns gegenseitig auf die Spitze des Bergs.

Ich war manchmal zu temperamentvoll und er entwickelte schnell Aggressionen. Wir wussten von Anfang an, dass wir zwei Gegenpole waren. Eigentlich passten wir nicht zusammen aber die Anziehungskraft zum Anderen war stärker.

Dennoch war es nicht gesund für unsere Beziehung, wenn wir so oft Streitigkeiten hatten. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was die Gutachterin des Seminars nun von uns dachte. Wir hatten unsere Chance auf ein Kind damit sicher vertan.

Vielleicht sollte es auch einfach nicht sein. Vielleicht waren wir nicht dazu bestimmt Kinder zu haben. Aber wenn ich an unsere vielen Diskussionen und Streitigkeiten dachte, dann war ich irgendwie froh kein Kind im Haus zu haben. Harry und ich wussten beide wie man sich als Kind fühlte, wenn die Eltern sich nur noch an die Gurgel gingen.

Und das wollte ich wirklich keinem Kind antun. Dennoch war meine Liebe zu Harry viel zu groß wie das ich ihn je wieder verlassen konnte. Harry war nicht durch einen anderen Mann zu ersetzen. Er hatte diesen Beschützerinstinkt, weil er mir damit zeigen wollte, dass ich ihm viel bedeutete. Das er alles für mich tun würde, weil er mich liebte.

Er hatte schon mehr als einmal sein Leben riskiert, um meins zu retten. Harry tat alles um mich glücklich zu machen. Mir die Welt zu Füßen zu legen. Er verzichtete für mich auf eigene Kinder.

Ich dankte ihm wirklich viel zu selten dafür.

Ich gab ihm zwar auch etwas zurück aber im Vergleich zu ihm konnte es mehr sein.

Dann kam mir eine gute Idee in den Sinn wie ich Harry meine Dankbarkeit zeigen konnte.

>>>>>>
Eure Meinung zum Kapitel?🌿

In My Blood II  ↬ h.s.Where stories live. Discover now