Pflichtgefühl und familiäre Bindungen

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In den Himmel zu gelangen erwies sich schon als weitaus komplizierter. Da sich nach wie vor die Seraphim sowie der Großteil der zweiten Triade im Himmelsreich aufhielten, war es Azrael nicht möglich, ungesehen bis zu Michaels Raum zu gelange, wo er die Schatulle vermutete, nachdem Gabriels Raum leer gewesen war. Schon bald versperrte ihm ein Exusiai den Weg, der ihn misstrauisch musterte, jedoch keine Anstalten machte, ihn in irgendeiner Weise anzugreifen. "Azrael, was willst du hier? Uns ist zu Ohren gekommen, du bist ein Bund mit der Hölle eingegangen.", kam dieser ohne Umschweife zur Sache. Azrael seufzte leicht, ehe er antwortete: "Amitiel, dies ist eine Lüge. Ich bin der Todesengel, meine Pflicht ist es, unparteiisch zu bleiben, komme was wolle. So wie ich mich nicht euch bei diesem Krieg anschließen konnte, so würde ich auch niemals ein Bündnis mit der Hölle eingehen. Ich bin hier, im Rahmen meiner Pflicht." Amitiel musterte ihn von oben bis unten. "Eine Plicht die du allen Anschein nach vernachlässigt hast, wenn man sich den Lebensbaum so ansieht.", meinte er, und in seiner Stimme schwang ein vorwurfsvoller Ton mit. "Deswegen bin ich auch so in Eile.", gab Azrael zurück, und zwang sich dazu, seine Stimme trotz seiner Ungeduld so höflich klingen zu lassen, wie es ihm im Moment möglich war. Doch Amitiel machte weiterhin keine Anstalten, ihm aus dem Weg zu gehen. "Doch warum hast du deine Aufgabe so vernachlässigt. Was hast du die ganze Zeit über getrieben, während du eigentlich deiner Pflicht hättest nachgehen müssen.", hakte dieser weiter nach, obwohl seine Stimme sachlich klang, hörte Azrael Misstrauen heraus. Nun riss Azraels Geduldsfaden und er funkelte Amitiel an. "Wenn du es wirklich wissen willst, ich war dabei zu versuchen, das kosmische Gleichgewicht wieder her zu stellen, welches ihr gerade zerstört, und mit ihm die kosmische Ordnung. Genau davor wollte ich die Seraphim warnen, doch die hörten nicht auf mich. Nun ist es zu spät, also wenn du nun so freundlich wärst mich durchzulassen, damit ich wenigstens noch ein letztes Mal meiner Aufgabe nachgehen kann, ehe ihr uns alle vernichtet, wäre ich zutiefst dankbar." Amitiel sah ihn schweigend an, keine Regung war in seiner Miene zu erkennen, und langsam trat er einen Schritt zur Seite, um Azrael durch zu lassen. Ohne ihm eines weiteren Blickes zu würdigen stürmte Azrael an ihm vorbei. Kurz bevor er den Gang verlassen konnte, ertönte erneut Amitiels Stimme hinter ihm. "Also hast du keinen Weg gefunden das unausweichliche doch noch zu verhindern?" Überrascht blieb Azrael stehen und drehte sich zu den Exusiai um, in dessen Miene er nun eine Hoffnungslosigkeit sah, die ihn mehr schmerzte als all die Worte des Misstrauens, die er ihm vorhin vorgeworfen hatte. Einen Moment war Azrael wirklich dazu geneigt, ihm zu verraten, dass es einen Hoffnungsschimmer gab, doch die Gefahr, dass die Seraphim davon erfuhren, und etwas dagegen unternahmen, ehe die Eden eine Möglichkeit hatten, sich zu versammeln, war zu groß. Also wandte er den Blick ab, und ließ Amitiel alleine im Gang stehen.

Azrael betrat Michaels Raum und sah sich um. Erleichtert stellte er fest das die Schatulle auf seinem Tisch stand. Schnellen Schrittes durchquerte er den Raum und nahm die Schatulle an sich. Ohne lange zu zögern verstaute er sie in seinem Umhang neben der schwarzen Schatulle und wandte sich zum Gehen. Er eilte zurück in die Eingangshalle und wollte soeben das Himmelstor durchqueren, als er stoppte. Sein Blick fiel auf den Gang der zum Exerzierplatz der Legionsangeloi führte. Von dort aus hätte man ein begrenztes Sichtfeld auf die Schlacht unter sich. Doch er würde genug sehen, um sich versichern zu können, dass es seinen Brüdern noch gut geht, das der Himmel noch stand hielt, das sie durchhalten könnten, bis die Eden endlich auftauchen würden. Azrael machte einen Schritt auf den Gang zu. Bloß ein einziger Blick, danach würde er sich sofort wieder um seine Aufgabe kümmern. In diesem Moment durchfuhr ihn ein eiskalter Schauer und für einen kurzen Augenblick war er wie paralysiert, ehe er die Kontrolle wieder zurück erlangen konnte. Doch dieser Bruchteil einer Sekunde reichte aus, um Azrael wieder daran zu erinnern, wie begrenzt die Zeit die ihm noch blieb war. Er durfte sich jetzt nicht ablenken lassen, nicht so kurz vor dem Ziel. Durch das einsammeln der Seelen konnte er den Eden wenigstens noch ein bisschen mehr Zeit erkaufen, ehe die kosmische Ordnung endgültig kollabierte, er durfte sich nicht von seinen Gefühlen ablenken lassen. Wie Achamoth sagte, er musste ein Gleichgewicht finden, zwischen seiner Bindung zur Familie, und seiner Pflicht der kosmischen Ordnung gegenüber, und im Moment musste er sich auf seine Aufgabe konzentrieren, er durfte sich nicht ablenken lassen. Also wandte er sich von dem Gang, und somit von der Schlacht und seinen Brüdern ab, und schritt durch das Himmelstor, öffnete seine schwarzen Schwingen und stieß hinab zur Erde. Er musste wohl darauf vertrauen, dass seine Brüder es schaffen würden, das Michael es schaffen würde, so wie er es immer geschafft hatte.

Michael wurde von einer Welle der Dunkelheit erfasst und einige Meter weit nach hinten geschleudert. Kurz ehe er am Boden aufkam konnte er sich wieder fangen, und wich in letzter Sekunde einer der roten Seelen aus, die auf ihn zugeschossen kam. Mit einem einzigen Hieb seines flammenden Schwertes zerschlug er die Seele und schickte sie hinab in die Hölle, wo sie hingehörte. Beinahe zur selben Zeit wurde er erneut von einer alles verschlingenden Dunkelheit erfasst, die ihm die Sicht nahm. Ziellos schlug er mit seinem Schwert auf die Dunkelheit ein die ihn umhüllt, doch dieses fuhr bloß durch sie hindurch, ohne Schaden anzurichten. Also schloss Michael die Augen, atmete tief durch und vertraute ganz seinem Instinkt, als er nach oben schoss. Die Dunkelheit folgte ihm, doch als er ohne eine Vorwarnung eine hundertachtzig Grad Wendung machte und nach unten schoss, gelang es ihm aus der Dunkelheit auszubrechen. Als er wieder klar sehen konnte, fokussierte er sich auf Belial der unter ihm stand und die schwarze Wolke mit einer Hand steuerte, während er gleichzeitig versuchte, die Pforte durch welche die Seelen hervorgeschossen kamen offen zu halten. Da die Seraphim von Satanas beschäftigt wurden, schien ihm dies auch weitaus einfacher zu fallen wie vorhin. Ohne darüber nachzudenken schoss Michael auf ihn herab und hieb mit seinem Schwert nach dem Kopf des Dämons, doch diesem gelang es, auszuweichen. Doch dabei verlor er die Kontrolle über die schwarze Wolke, welche sich binnen weniger Sekunden auflöste, als wäre sie nie hier gewesen. Für einen Moment dachte Michael, er hätte einen Sieg errungen, doch im nächsten Moment, wurde er von einer der roten Seelen erfasst, die direkt unter ihm hervorgeschossen war, und ehe er es sich versah, spürte er bereits eine Kälte in sich aufsteigen, die sich ausbreitete und ihn lähmte. Das letzte was er hörte, war Belials triumphierendes Lachen, ehe er der Dunkelheit entgegen fiel.

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