Zwiespalt

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Azrael betrachtete mit Grauen das Schlachtfeld vor sich. Für einen kurzen Moment, als sich Michael und Luzifer gegenüber gestanden hatten, und keiner einen Finger gerührt hatte, dachte er wirklich, es könne die Möglichkeit bestehen, den Krieg doch noch abzuwenden. Er dachte Michael würde einfach abdrehen und weg fliegen, samt der gesamten himmlischen Legion. Doch dann schoss Gabriel durch die Wolkendecke herab, einem Racheengel gleich, und erhob sein Schwert gegen Luzifer, womit es besiegelt war. Der Erstschlag war erfolgt, der Krieg hatte begonnen, und die Legionen fielen übereinander her. Die Himmelslegionäre schossen durch die Wolkendecke und stürzten sich auf die Dämonen, welche sie bereits mit erhobenen Waffen erwarteten. Bruder wandte sich gegen Bruder, als die Erzengel übereinander herfielen, sich so ähnlich und doch so unterschiedlich. Auch dir Fürsten der Sünden mischten sich zusammen mit den Prinzen der Hölle in das Geschehen ein, und holten die Engelslegionäre gezielt vom Himmel, womit sie ihnen ihren größten Vorteil den Dämonen gegenüber nahmen. Luzifer und Gabriel umkreisten sich wie Ying und Yang, einer ganz in weiß, einer ganz in schwarz, Licht gegen Dunkelheit, Gut gegen Böse, Himmel gegen Hölle, in einem einzigen tödlichen Tanz. Sie hieben und stachen aufeinander ein attackierten, parierten. Ein niemals enden wollender Todeskampf. Doch bisher war Luzifer der einzige König der sich in das Geschehen einmischte. Belial, Leviathan, ja sogar Satan standen nach wie vor am Hügel und beobachteten die Szene vor sich. Azrael wusste, sobald Leviathan und Satanas ihre wahre Gestalt offenbaren würden, sich in die Lüfte erheben und mitmischen würden, würde sich das Blatt schnell wenden. Denn dann würden sie die Engel Scharrenweise vom Himmel holen und sie auf die Erde schicken, wo sie den Dämonen hilflos ausgeliefert wären. Doch sie wussten auch, sobald sie sich an der Schlacht beteiligen würden, würden die erste und die zweite Triade, die sich bisher noch herraus hielten aus dem Geschehen, ebenfalls schon bald eingreifen. Und war es erst soweit, würde es zahlreiche Tote geben, auf beiden Seiten. Und Azrael konnte nur dastehen und zusehen. Denn ihm waren die Hände gebunden. Er hatte ein Versprechen gegeben, Neutralität. Er musste unparteiisch bleiben, durfte sich nicht einmischen, selbst wenn es ihn innerlich zerbrach.

Michael starrte wie paralysiert auf das Schlachtfeld welches um ihn herum tobte. Gabriel kam so schnell, Michael war zu langsam, konnte es nicht verhindern. Und nun war es geschehen, der Krieg hatte begonnen und um ihn herum fiel ein Engel nach dem anderen vom Himmel. In diesem Moment erblickte Michael in weiter Ferne eine bekannte einsame Gestalt. Im nächsten Moment stand er schon neben ihr. "Michael?", rief Azrael überrascht aus, und sah seinen Bruder mit großen Augen an. "Azrael.", flüsterte dieser leise. "Was machst du hier?" "Das sollte ich dich fragen.", gab Azrael zurück und deutete auf die Schlacht die von hier aus in weiter Ferne schien und doch so nah war. "Solltest du nicht dort sein.", fügte er drängend hinzu. Michael schüttelte leicht den Kopf. "Niemand sollte dort sein. Dieser Krieg ist falsch. Ich habe versucht es ihnen auszureden, doch sie hörten nicht auf mich. Du wärst vielleicht der Einzige gewesen, dem sie zugehört hätten, der sie umstimmen hätte können, doch du warst in der Hölle, Azrael, in der Hölle! Was wolltest du nur dort?" Azrael seufzte resigniert und setzte zu einer Antwort an, doch da wurden sie von einer kalten Stimme unterbrochen." Mach deinem kleinen Bruder nicht zu viele Vorwürfe. Naivität und Blindheit sind Eigenschaften für die er doch nichts kann." Die beiden wirbelten herum und erblickten Belial, der aus dem Schatten getreten war. Sofort hob Michael sein Schwert und richtete es auf ihn, doch dieser lächelte nur provokant. "Herzallerliebst.", stichelte er, ehe er damit begann gelassen die beiden zu umkreisen. "Es sieht dir ähnlich das du dich vom Kampf drückst.", knurrte Michael, was Belial zum Lachen brachte. "Wer im Glashaus sitzt sollte lieber nicht mit Steinen werfen. Schon mal gehört?", konterte er grinsend. Ohne darauf einzugehen sprach Michael weiter. "Dir sieht es ähnlich, doch warum halten sich Leviathan und Satanas zurück?" Belial blieb stehen und musterte Michael mit einem wölfischen Grinsen. "Weil die Zeit noch nicht reif ist.", antwortete er leise und zeigte mit einer ausladenden Handbewegung auf die Schlacht die in der Ferne tobte. "Zuerst soll sich das Fußvolk gegenseitig abmetzeln, die Schwachen beider Seiten ausgemerzt werden, erst dann kann der Spaß so richtig losgehen. Erst dann wird die Creme de la Creme in den Ring steigen. Bis dahin warten wir, und genießen die Show." Michael gab einen verächtlichen Laut von sich. "Das ist erbärmlich, verachtenswert, abstoßend, niederträchtig,.." "Teuflisch?", unterbrach Belial Michaels Schimpftirade leise, der sofort verstummte. "Das haben Dämonen so an sich.", säuselte Belial grinsend, ehe er provokant winkte. "Dann genießt mal die Show. Wir sehen uns dann, sobald der Überschuss endlich das Zeitliche gesegnet hat, dann wird es erst so richtig interessant. Genauso wie wir es von Anfang an geplant hatten." Michaels Augen blitzten wütend auf und er wollte sich auf Belial stürzen, doch dieser war bereits in die Schatten zurück getreten und verschwunden, um kurze Zeit später wieder neben Leviathan und Satan auf der Hügelkuppe zu erscheinen, und ihre fragenden Blicke mit einem triumphierenden Lächeln zu erwidern. Derweil kochte Michael vor Wut, und diese Wut wallte wie eine Aura um ihn herum und ließ ihn wie den großen Kriegerengel aussehen, als der er nach der Rebellion bekannt wurde. Azrael trat einen Schritt auf ihn zu, wollte ihn wieder zur Vernunft bringen, sodass er wenigstens Einen hätte, der auf seiner Seite stand, bei dem Versuch den Frieden wieder her zu stellen, doch der Gedanke daran, dass das alles hier bereits genauestens von den Königen geplant war, das sie mit ihren Intrigen alles so herbei geführt hatten, wie sie es wollten und die Tatsache, dass ihr Plan vorsieht zahlreiche Engel ebenso wie ihre eigenen Soldaten zu opfern, nur für ihr Vergnügen, hatten dazu geführt, dass Michaels Kampeslust geweckt worden war. Ohne Azrael Beachtung zu schenken, breitete er die Flügel aus, stieß sich ab und schoss in Richtung Schlachtfeld, mit dem Schwert voraus, sodass er wie eine tödliche Pfeilspitze durch die Dämonenlegion drang und einen nach den andern von ihnen mit seinem Flammenschwert durchbohrte. Er war Michael, der oberste Erzengel. Er hat die Rebellion beendet, Satan verbannt und Luzifer gestürzt. Und er würde auch diesen Krieg gewinnen, den die Könige der Hölle vielleicht so schändlich herbei geführt hatten, doch er würde es sein, der ihn beendete, und zwar mit einem erneuten Sieg des Himmels.

Heaven against HellWo Geschichten leben. Entdecke jetzt