Recht oder Unrecht

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Als Castiel in die Halle der Archangeloi zurück kehrte, wurde er schon von Uriel erwartet, der unruhig auf und ab schritt, sein Gesicht glich einer Gewitterwolke. Castiel, dem immer noch die Schreckensbilder des flammenden Infernos im Waisenhaus vor Augen lag, stellte sich wortlos zu ihm, und wartete. Wartete, dass die Bilder sich endlich verflüchtigten, dass die Schmach des Versagens nachließ, dass das Gefühl der Machtlosigkeit verschwand. In dem Moment erschien auch Gabriel, dessen Miene nicht minder zornesgleich war, wie Uriels. "Es reicht, mir ist egal was Michael sagt, jetzt gehen sie zu weit!", rief er wütend. Uriel erstarrte mitten in der Bewegung und sah zu ihn. "Was willst du damit sagen?", fragte er leise. "Sie wollen einen Krieg haben, bitte dann sollen sie einen bekommen.", zeterte Gabriel zornerfüllt. Castiels Blick schoss nach oben. "Das kann nicht dein Ernst sein.", rief er aus, doch Gabriel achtete gar nicht auf ihn sondern stürmte an seinen Brüdern vorbei in Richtung Hallen der zweiten Triade. "Diesmal gebe ich mich nicht mit Michael als Boten zufrieden, ich werde zum Rat persönlich sprechen! Und ich werde mich bestimmt nicht aufhalten lassen.", rief er über die Schulter und stürmte durch die Gänge. Uriel und Castiel sahen sich erschrocken an, ehe sie ihrem Bruder folgten. Um ihn aufzuhalten, oder um ihm zu helfen, da waren sie sich noch nicht sicher.

"Oh, ihr hättet sein Gesicht sehen müssen! Die Verzweiflung stand darin, das Wissen, versagt zu haben! Es war ein berauschendes Gefühl, einen dieser gefiederten Arrogantlinge so gebrochen zu sehen.", frohlockte Mammon, kaum betrat er Leviathans Audienzsaal, in dem sie und Asmodai bereits warteten.  Von Luzifer fehlte noch jede Spur. Mammon ließ sich mit zufriedener Miene neben Asmodai nieder, der ihn nur mit einem amüsierten Funkeln in den Augen betrachtete. "Du scheinst ja in Höchstform zu sein.", kommentierte er dessen Freudenausbruch, woraufhin dieser nur mit den Schultern zuckte und wohlig seufzte. "Ich habe ein Waisenhaus abfackeln sehen, einen künftigen Pyromanen geschaffen und zeitgleich einen Erzengel in seine Schranken gewiesen. Man könnte sagen, der Tag war ein voller Erfolg." Leviathan verdrehte die Augen. "Schön das du deinen Spaß hattest. Aber hast du auch deine Aufgabe erfüllt?", fragte sie kalt, und sofort wurde Mammon ernst und senkte höflich den Kopf, was Asmodai bloß mit einem spöttischen Schnauben quittierte, doch unter Leviathans Blick wagte er kein Kommentar abzugeben. "Castiels Ansicht von Gut und Böse und ihr Verhältnis zueinander wurde erschüttert, Großadmiralin. Vertrau mir hierbei nur.", berichtete er mit einem leichten Lächeln. "Gut, zwei der drei Erzengel haben wir also da wo wir sie haben wollen. Hoffen wir das Luzifer nicht dabei versagt hat, seinen alten Feind aufzustacheln. Etwas Chaos im Himmelsreich würde uns nur zu Gute kommen.", murmelte sie leise, als im selben Moment auch schon Luzifer den Raum betrat. "Wenn man vom Teufel spricht.", kommentierte Asmodai mit einem schelmischen Funkeln in den Augen, woraufhin sowohl Luzifer als auch Leviathan jeweils eine Augenbraue hochzogen. "Lass dass nur nicht Satanas hören, du weißt wie er auf die Tatsache reagiert, dass für die meisten Menschen ich als Herr der Hölle gelte.", knurrte Luzifer, jedoch konnte er das schadenfrohe Funkeln in den Augen nicht verstecken. "Erfolg, Luzifer?", fragte Leviathan nur, und dieser nickte. "Nicht ganz so wie ich es erwartet hatte, aber ich denke es sollte genügen um ihn zum Handeln zu zwingen.", meinte er zuversichtlich, woraufhin Leviathan zufrieden nickte. "Sehr gut." Sie wandte sich von den drei ab und ließ ihren Blick erneut über ihr Reich schwenken, wo die Heerscharen der Hölle sich nach und nach versammelten, um auf Befehle ihrer Großadmiralin zu warten. "Bald ist es soweit.", flüsterte diese, und ein bösartiges Lächeln erschien auf ihren Lippen. Luzifer stellte sich neben sie und sah ebenfalls auf die Legionen bereiter Dämonen hinab. "Ich kann es kaum erwarten."

Es war ein Fehler gewesen, einfach weg zu fliegen. Er hätte sich zwischen die beiden stellen können, und versuchen, den Streit durch Diplomatie zu lösen. Azraels Schuldgefühle nagten an ihm, ließen ihn nicht los, lenkten ihn ab. Er hatte Uriel einfach zurückgelassen. Es wäre doch keine Einmischung in das kosmische Gleichgewicht gewesen, wenn er seinem Bruder beigestanden wäre, oder? Er hätte nur nicht Asmodai attackieren dürfen, oder Uriel dabei helfen dies zu tun, doch wo stand geschrieben, dass er bei Streitigkeiten zwischen Himmel und Hölle nicht als Vermittler fungieren durfte? Hatte er einen Fehler gemacht, als er sich abgewandt hatte? Oder war es die richtig Entscheidung gewesen? So ist er nicht einmal in den Versuch gelangt, sich für eine Partei entscheiden zu müssen. So konnte keine der beiden Seiten behaupten, er hätte sich für eine von ihnen entschieden. So hatte er seine Neutralität geschützt und unter Beweis gestellt. Doch das machte seine Schuldgefühle auch nicht besser. Er betrachtete die beiden Schatullen die vor ihm standen, so gleich und doch könnten sie kaum unterschiedlicher sein. Eine Schatulle voller guter Seelen, hoffnungsvoller Seelen, gläubiger Seelen, eine voller böser Seelen, geschundenen Seelen, verführter Seelen, gebrochenen Seelen. Er öffnete die beiden Schatullen und betrachtete den Inhalt. Das rote Glühen glomm hell aus der schwarzen Schatulle hervor, während das goldenen Schimmern bloß blass hervorschien. Die Waagschale hatte sich geneigt, es war Azrael schon vor langer Zeit aufgefallen, doch von Jahr zu Jahr wurde es schlimmer. Die Hölle breitete ihren Einfluss aus, während der Himmel sich mehr und mehr zurück zog, doch Azrael verstand nicht, was die erste Triade dazu brachte, nicht mehr in die Geschehnisse der Erde einzugreifen. Es war die Aufgabe der Seraphim, die Vorgänge auf der Erde, und im Universum, zu lenken und zu leiten, und doch ließen sie es zu, dass der Einfluss der Dämonen immer mehr stieg, sich festigte, in den Herzen der Menschen, und sie in die Dunkelheit führten. Solche Gedanken mögen jetzt nicht unbedingt neutral klingen, jedoch konnte Azrael nicht anders, als an dem kosmischen Gefüge zu zweifeln. Wenn er die Schatullen betrachtete, erkannte er kein Gleichgewicht, schon lange nicht mehr. Doch was bedeutete dies für ihn? Hieß es, er musste selbst eingreifen, um wieder ein Gleichgewicht herzustellen? Oder sollte er einfach weiterhin seiner Aufgabe nachgehen, die Seelen zu sammeln und abzuliefern, ohne weiter in das Geschehen einzugreifen. Hatte er das Recht dazu, einzugreifen, etwas zu ändern? Langsam griff er nach einem der roten Lichter und nahm sie in seine Hände. Hatte er das Recht dazu, das Gleichgewicht wieder herzustellen, indem er gegen die Regeln verstieß. Er betrachtete das rote Licht, welches aufglühte und langsam begann, immer heller zu werden. Das unheilvolle rot ließ nach und begann, nach und nach zu einem goldenen Schimmer zu werden. Er hatte die Macht, besaß er damit nicht automatisch auch das Recht, etwas zu verändern? Das rot war beinahe vollkommen erloschen und die Seele erstrahlte beinahe in einem vollkommenen gold, als Azrael ein eiskalter Schauer durch den Körper fuhr. Nein, es war falsch! Er ließ die Seele zurück in die schwarze Schatulle fallen, und kaum kam sie mit den zahlreichen anderen roten Seelen in Berührung, erlosch das goldene Licht und wurde wieder zu einem roten Glühen. Er durfte sich nicht einmischen, dies lag nicht im Sinne der kosmischen Ordnung. Jedenfalls hoffte er das. Mit einem resignierten Seufzer schloss er die Schatullen wieder, und verschloss somit die Augen, vor der offensichtlichen Unordnung, welche hier herrschte

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