Babel und Naas

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Azrael landete neben Achamoth auf einem belebten indischen Basar, wo zahlreiche Menschen auf einem Haufen gedrängt herum schrien, feilschten und ihr Geld ausgaben, insbesondere für Dinge die sie eh nicht benötigten. Eine menschliche Eigenart die Azrael schon immer verwundert hatte. "Hier sind sie?", fragte er zweifelnd. Achamoth nickte bloß und ging durch die Menschenmenge hindurch. Azrael folgte ihr. Die beiden Engel wurden zwar von niemanden gesehen, doch Azrael spürte sogleich, dass der ein oder andere Anwesende hier ihre Präsenz deutlich wahrnahm. Auch wenn diejenigen es nicht einordnen konnten. Azrael folgte der Eden eine Zeit lang schweigend über den Basar, bis sie an einem kleinen Laden ankamen, der orientalische Teppiche aus feinsten, edlen Stoffen anbot. Diesen Laden betrat Achamoth, und mit einem letzten kritischen Blick auf den recht banal aussehenden Laden, folgte Azrael ihr. Als sie eintraten ertönte ein leises Glockenspiel und sofort ertönte eine helle, melodische Stimme aus einem der hinteren Räume. "Einen Moment bitte, ich bin sofort bei Ihnen, sehen Sie sich derweil ruhig etwas um, wir haben erst letztens einige äußerst seltene Stücke herein bekommen." "Wir sind nicht hier um etwas zu kaufen.", antwortete Achamoth laut. Das geschäftige Treiben welches aus dem kleine Raum zu hören war stockte und kurz war der Laden erfüllt von erdrückendem Schweigen, bevor eine kleine Frau aus dem Raum heraus trat. Sie sah aus wie jede andere Frau in diesem Land, trug traditionelle Kleidung und bedeckte ihre rabenschwarzen Haare mit einem edlen goldenen Tuch. Das einzige was Azrael verriet das er eine der Eden vor sich hatte, waren ihre goldenen Augen, die bei Achamoths Anblick kurz aufzublitzen schienen. "Achamoth, was tust du hier? Du hast dein Versteck im Himmel doch schon seit Jahrhunderten nicht mehr verlassen.", rief sie überrascht aus. "Auch schön dich wieder zu sehen, Babel. Ich hätte dich kaum wieder erkannt. Du siehst so menschlich aus.", erwiderte Achamoth bloß ruhig, ohne auf ihre Frage einzugehen. Babel hob eine Augenbraue. "Dies war die Absicht dahinter, große Schwester. Der erste Schritt um sich den Menschen anzupassen, ist, wie sie auszusehen." Achamoth schnaubte abfällig. "Ich habe eure Besessenheit so sein zu wollen wie die Menschen noch nie verstanden.", murmelte sie verächtlich ehe sie sich mit gerunzelter Stirn umsah. "Wo ist Naas? Wurde ihr bereits langweilig, Mensch zu spielen?", fügte sie hinzu. Babel verschränkte ihre Hände und musterte ihre Schwester eindringlich. "Naas ist ein paar Besorgungen machen. Warum bist du hier, Achamoth? Du hast bestimmt nicht die Mühe des langen Weges auf dich genommen, um mir erneut deine geringe Meinung unserer Lebensentscheidung mitzuteilen.", knurrte Babel kühl, die Freundlichkeit welche bisher in ihrer Stimme mitgeschwungen hatte war verschwunden. "Nein, das habe ich nicht. Ich bin wegen ihm hier. Das hier ist Azrael, der Todesengel, und er muss mit euch sprechen, es geht um eine äußerst dringliche Angelegenheit. Wann können wir Naas zurück erwarten?", beantwortete Achamoth die Frage ihrer Schwester ebenso kühl und distanziert und zeigte auf Azrael, der eine leichte Verbeugung andeutete, unsicher, wie er sich Babel gegenüber verhalten sollte. Er hatte schon mit vielen Arten von Engeln zu tun gehabt, doch ein Engel der wie die Menschen sein wollte, und noch dazu eine Eden war, brachte ihn etwas aus dem Konzept. Obwohl er ihren Wunsch gut nachvollziehen konnte. Auch er hatte sich manchmal dabei ertappt, sich danach zu sehnen, so sorglos und unwissend wie die Menschen zu sein. Babel winkte ungeduldig ab, als sie Azraels Verbeugung bemerkte. "Bitte, verschone mich mit diesen himmlischen Etiketten. Sie waren einer der Gründe warum wir den Himmel verließen." Schnell richtete sich Azrael wieder auf und wollte gerade erklären, warum sie hier waren, als die Ladentür erneut aufschwang und eine weitere Frau herein kam. Sie war etwas größer als Babel, doch ansonsten hätte sie ihr Ebenbild sein können, nur dass sie eher dunklere, gedeckte Farben trug, ein dunkles blau mit feinen silbernen Mustern, weshalb sie nicht so zu strahlen schien wie Babel, in ihrem gold, doch trotzdem eine beinahe greifbare, geheimnisvolle Aura ausstrahlte. "Was ist hier los? Achamoth, was verschlägt dich hierher?", fragt sie in die Runde und ihre Augen funkelten kalt. "Naas, unsere Schwester hat den Todesengel zu uns gebracht, weil dieser eine äußerst wichtige Angelegenheit mit uns zu besprechen hat.", weihte Babel ihre Schwester ein, welche die beiden Körbe die sie eben noch trug Beiseite stellte, sich umdrehte, den Laden mit einem Klicken verschlossen, um sich dann wieder Azrael zu zuwenden. "Wenn das so ist, Todesengel, dann sprich. Was ist so wichtig das du uns störst?" "Die kosmische Ordnung.", antwortete er leise, Besorgnis schwang in seiner Stimme mit. Naas und Babel sahen ihn einen Moment schweigend an, Verblüffung lag in ihren Augen, ehe sich ihre Blicke trafen. In stummen Einverständnis nickten sie sich zu, ehe sie sich erneut an Azrael wandten. "Du hast unsere Aufmerksamkeit. Erzähl weiter." Damit begann Azrael den beiden Eden alles zu schildern, von Anfang an. Der Plan der Hölle die Ordnung zu sabotieren, und die Ignoranz der Seraphim, die dies zugelassen hatten, nur um einen Krieg anfangen zu können, der sie alle in das Verderben stürzen würde. Als er geendet hatte sah er in den Gesichtern der Eden sowohl Zweifel als auch Wut und Sorge. Naas sah zu Achamoth, welche die ganze Zeit über schweigend Azraels Ausführungen gelauscht hatte. "Ist es wahr? Bricht die kosmische Ordnung zusammen?", fragte sie leise. Achamoth senkte kurz den Blick ehe sie nickte. "Ich habe es gleich überprüft, als er zu mir gekommen war. Das kosmische Gleichgewicht ist gestört, die Ordnung muss wieder hergestellt werden, dringend, doch die Seraphim sind zu beschäftigt mit den Kriegsvorbereitungen. Und dieser Krieg verschlimmert bloß alles." Babel schüttelte zweifelnd den Kopf. "Und was sollen wir nun tun? Wenn es stimmt was der Todesengel sagt, wollen sowohl Himmel als auch Hölle diesen Krieg, sollen wir sie etwa umstimmen? Die Eden sind doch bereits in Vergessenheit geraten, sie werden nicht auf uns hören.", meinte sie stoisch. "Einst war es unsere Aufgabe, über die kosmische Ordnung zu wachen und das Gleichgewicht wieder herzustellen, wenn es gestört wurde. Doch wir haben uns von unserer Mission abgewandt, haben den Seraphim die Leitung übertragen, und haben nie zurück geschaut, haben uns nie versichert, dass sie auch bereit dazu waren, solch eine wichtige Aufgabe zu übernehmen. Wir haben unsere eigenen Wünsche vor das Wohl des Kosmos gestellt. Es ist auch in unserer Verantwortung, sollte nun das kosmische Gleichgewicht zusammen brechen. Und mit ihm, der Himmel, die Hölle so wie die Erde. Ihr wisst genauso gut wie ich, dass die Reiche einander brauchen, um die Waagschale gerade zu halten." Sie stockte und sah in die Gesichter ihrer Schwestern, die ihren Blick auswichen. Erkenntnis sowie Schuld ersetzten die Zweifel. Zufrieden nickte Achamoth. "Wir können die Seraphim oder die Könige vielleicht nicht umstimmen, doch vereint sind wir immer noch die mächtigsten Wesen des Kosmos. Doch dazu brauchen wir unsere Brüder und Schwestern." Naas Blick schoss nach oben. "Du willst uns alle versammeln? Weißt du denn wo sie alle sind?", warf sie ein. "Wir werden sie finden. Ich weiß auch schon wie.", antwortete sie selbstsicher. Nun mischte sich Babel wieder ein. "Und selbst wenn du sie finden würdest, wäre da immer noch Mephisto, oder wie nennt er sich nun? Satan? Er wird sich gegen uns stellen, genauso wie sein Nachfahre und dein Sohn." Das letzte klang wie ein Vorwurf, doch dieses Tatsache überging Achamoth gekonnt. "Beelzebub und Luzifer sind unreine Eden, ihre Macht ist begrenzt. Außerdem sind sind sie zu dritt, wir sind zu elft.", tat sie den Einwand ab. Naas hob eine Augenbraue. "Ja, vorausgesetzt, die anderen stimmen diesem Unternehmen zu." Achamoth sah mit entschlossenem Gesichtsausdruck zu ihr. "Lass dies nur meine Sorge sein."

Heaven against HellWhere stories live. Discover now