»9« Spannerin

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Als mein Wecker um 4:30am klingelt, würde ich am liebsten weinen. Ich verziehe bereits das Gesicht und spüre die Tränen in den Augen.

Ich will nicht!

Seufzend setze ich mich auf und schlage die Decke weg. Ich verschwinde ins Bad, wasche mir das Gesicht, putze mir die Zähne und mache mir einen hohen Zopf, da meine Haare mich während des Trainings sicherlich nur stören würden. Innerlich fluchend, dass es hier drin keine Toilette gibt, verlasse ich mein Zimmer und gehe die Treppen runter.

Sobald meine Blase entleert ist und ich die Toilette verlassen, treffe ich jedoch auf jemanden, den ich eigentlich nie wieder mehr sehen will.

Danny.

Meine Augen weiten sich, als ich sehe wie er in den Trainingsraum geht, genau dahin, wo ich ihn auch beim ersten Mal getroffen habe. Wieso ist er überhaupt so früh wach? Wir haben noch nicht mal 5am!

Erleichtert, dass er mich scheinbar nicht gesehen hat, schleiche ich mich davon, da ich ihm nun wirklich nicht gegenüberstehen will, wo ich ihn doch gestern erst in flagranti erwischt habe, bis meine Uhr plötzlich piept und ich in der Bewegung innehalte.

Spannerin‹, wird mir angezeigt. Ich brauche einige Sekunden, bis ich überhaupt verstehe, was da steht. Fassungslos lese ich es mir drei oder viel Mal durch, doch da steht tatsächlich ›Spannerin‹! Ich beiße die Zähne zusammen, spüre wie mein Gesicht purpurrot wird und das unangenehme Gefühl im Bauch. Wie hat er mich denn gesehen? Das kann doch gar nicht wahr sein, ich bin auf Fußspitzen geschlichen!

Ich sehe wieder auf das Wort, das meine Uhr mir anzeigt und mit der Danny mit mir kommunizieren kann. So ein...

Ehe ich es mir anders überlege, drehe ich mich um und laufe in den Trainingsraum, in welchen Danny verschwand.

„Ich bin keine Spannerin! Du bist ein Neandertaler, der Frauen im Wald flachlegt und da habe weder ich noch sonst wer schuld, wenn man dich erwischt! Du solltest mal mit deinem Hirn und nicht mit deinem Schwanz denken", zische ich ihm wütend zu, während ich ihm immer näher komme. Als hätte er es bereits erwartet, dreht er sich zu mir um; die Augen funkelnd vor Belustigung wie zwei Smaragde und die Lippen gekräuselt. Danny, der nur eine schwarze Trainingsshorts und ein graues Shirt trägt, welches seine Muskeln verdammt gut zur Geltung bringt, hebt eine Augenbraue und sodann die Hände, um etwas zu erwidern.

„Okay, kleine Spannerin", lese ich auf meiner Uhr. Ich schnaufe entnervt und sehe ihn wieder an.

„Nenn' mich nicht so", knurre ich leise und möchte mich gerade umdrehen, als mir noch mehr einfällt.

„Wieso muss ich eigentlich dieses Waschi lernen, huh? Kannst du nicht sehen, dass ich nicht in der Lage bin wie Chinesen zu kämpfen? Ich bin keine Kampfmaschine. Alles was das Training mir bringen wird, sind gebrochene Knochen", frage ich ihn und spüre sogleich wieder die Wut, die mir durch die Adern fließt.

„Wushu", korrigiert er.

„Ist mir doch egal, wie man den Scheiß nennt. Ich habe dich etwas anders gefragt", erwidere ich genervt. Danny's Gesichtszüge verhärten sich plötzlich. Seine Mundwinkel zucken nicht mehr und die Belustigung spiegelt sich nicht mehr in seinen Augen wieder. Die Wut, die bis vor wenigen Sekunden durch meine Adern floss, ist mit dem schlagartigen Stimmungswechsel meines Gegenübers ebenfalls weg. Eine Ader schwillt an seiner Stirn an, während er mich aus zu Schlitzen geformten Augen ansieht. Ich schlucke leicht, habe plötzlich ein ungutes Gefühl, je länger ich den Sturm in seinen Augen beobachte.

Agonía SilenciosaOù les histoires vivent. Découvrez maintenant