»54« Alte Wunden

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𝕃 𝔸 ℝ 𝔸

„Na, hoppla."

Stirnrunzelnd versuche ich durch den Tränenschleier zu erkennen, wer da gerade vor mir steht. Wieso muss mich auch gerade jetzt jemand ansprechen? Man sieht doch, wie am Boden zerstört ich bin, verdammt! Kann man mich da nicht einfach in Ruhe lassen?

„Sag mir einfach wessen Kopf?"

Bei diesen Worten blinzle ich langsam und erkenne doch tatsächlich Leroy vor mir. Oh, Gott. Wieso ausgerechnet er? Meine Lippen öffnen sich, doch kein Ton rollt über meine Zunge. Still starre ich ihn an, als wäre er ein Außerirdischer, der mir meinen Hund stehlen will - den ich nicht einmal besitze!

Wie komme ich jetzt überhaupt auf Hunde?

Das ist so unangenehm...

Gerade als er die Brauen hebt und mich erwartungsvoll anstarrt. Da ist es besonders unangenehm. Räuspernd wische ich mir die Tränen weg, als ich auch schon eine weitere Präsenz wahrnehme.

„Danny."

Ich halte den Atem an, als Leroy diesen Namen sagt. Natürlich. Leroy ist sicher hier, weil Danny ihm erzählt hat, was geschehen ist. Gott, ist Leroy vielleicht sogar wegen mir hier? Will er mir weh tun, weil er ebenso glaubt, dass ich sie verraten habe?

Mein Herz setzt mehrere Schläge aus, bei den Gedanken, die mir durch den Kopf gehen und ich wünschte, es würde ein für alle mal stehen bleiben, doch leider beginnt es sogleich wieder voller Wucht gegen mein Brustkorb zu schlagen.

Bitte Boden, tue dich auf!

„Schön, dass ihr beide sogleich den Weg zu mir gefunden habt. Dann steigt mal ein, ich habe nicht viel Zeit", sagt Leroy und zeigt auf den schwarzen Range-Rover. Schluckend atme ich leise keuchend aus. Ich soll was? Hat Danny mich in Wahrheit deshalb weggeschickt? Damit die Schule denkt, ich würde gehen und stattdessen nehmen die Kingstons mich mit, um mich zu töten?

„Ich wüsste nicht, wieso ich einsteigen soll", hätte ich am liebsten gesagt, doch ich traue mich nicht. Eigentlich hatte ich keine Angst vor Leroy, doch jetzt gerade scheiße ich mich fast ein.

„Ich... wieso?", wispere ich stattdessen heiser. Überrascht sieht Leroy zu mir.

„Ehm... Wegen der aktuellen Situation. Steigst du bitte ein?" Sein Ton duldet keine weiteren Widerworte. Ich weiß nicht, ob dies einfach nur seine Art zu sprechen ist oder ob er solch eine Ton absichtlich angeschlagen hat, um mich einzuschüchtern, doch das tut es. Es schüchtert mich ein. Und da Danny darauf scheinbar auch nichts erwidert, außer scharf auszuatmen, was mir im Übrigen zeigt, wie wenig er das alles befürwortet, steige ich langsam ein.

„Nimm bitte ihren Koffer, Jeff", sagt er zu einem Mann im schwarzen Anzug. Gott, er steht gleich hinter dem Auto, wie also habe ich den nicht gesehen?!

Ich seufze lautlos, als Jeff meinen Koffer im Kofferraum verstaut und sodann auf die Fahrerseite einsteigt. Als Leroy die Tür der Beifahrerseite öffnet wird mir klar, dass ich mit Danny auf die Rückbank muss und darüber freuen kann ich mich überhaupt nicht. Seine Worte spuken noch in meinem Kopf rum und treiben mir die Tränen in die Augen, die ich weg blinzle. Doch sobald er sich neben mich setzt und sein angenehmer Duft mir in die Nase steigt, kann ich sie kaum noch aufhalten. Ich wende den Kopf ab und greife nach meinem Zopf, ehe ich mir die Haare über die Schulter ziehe, damit sie mein Gesicht ein wenig verdecken. Ich hätte mir keinen Pferdeschwanz machen dürfen.

Die Fahrt über bleibt es unangenehm still.

Da Leroy nicht versucht mit mir zu sprechen, sowie beim letzten Mal, kann ich mir nicht mehr vorstellen, dass es was Gutes ist, wieso ich mitkommen soll. Wahrscheinlich will er einen Finger oder sonstiges als Wiedergutmachung von mir, weil er mich bestimmt nicht umbringen kann, da er sehr gut mit meinen Eltern befreundet war. Und dann wird er mir einen Arschtritt verpassen und mich vor die Tür setzen. Ob er mir glaubt, wenn ich ihm sage, dass ich Zach nicht geholfen habe?

Agonía SilenciosaDonde viven las historias. Descúbrelo ahora